Duisburg. Fesselspuren an den Füßen, Spuren eines Gürtelschlags am Hals: Ärzte des Kinderschutzzentrums Duisburg decken häufiger Kindesmisshandlung auf.

Die Kinder heißen Ben, Daniel, Nico oder Maria, sie sind zwei, drei, neun Jahre alt, Maria erst fünf Wochen. Ärzte finden auf ihren geschundenen Körpern „Doppelstriemenmuster“ eines Gürtelschlags am Hals, Fesselspuren an den Füßen oder Hämatome im Gesicht.

Das Röntgenbild des Säuglings zeigt auch für den Laien erkennbar: Dieser Oberschenkel ist gebrochen. Um über 300 solcher Fälle hat sich die Kinderschutzgruppe im Helios St. Johannes in Duisburg im vergangenen Jahr gekümmert.

Kinderschutzzentrum in Duisburg: Immer häufiger Verdacht auf Kindeswohlgefährdung

Das sind 36 Prozent mehr als 2023, als 221 verletzte oder auffällige Kinder untersucht wurden. 2025 sind es, Stand 22. Januar, bereits 24 weitere Fälle, die das Team aus Ärzten und Pflegekräften, Psychologen und Sozialarbeitern gemeinsam sichtet, fast sechs Fälle pro Woche. Leon Philipp, der ärztliche Leiter, sagt, dass das Kinderschutz-Zentrum immer mehr Zuweisungen bekomme. Immer häufiger werden Erzieher in Kindergärten, Lehrer in Schulen, Jugendamtsmitarbeiter oder Polizisten hellhörig und reagieren. „Und an immer mehr Fällen ist was dran“, sagt der Arzt. „Nur zehn Prozent erweisen sich als harmlos.“

Dass diese Sensibilität wächst, ist dem Duisburger Verein Riskid zu verdanken, der mit seiner Präventions- und Netzwerk-Arbeit viel Wissen weiterträgt und dessen Vorstandsmitglied Dr. Peter Seiffert das Kinderschutzzentrum initiierte. „Die Kinderkliniken sind 24/7 Rettungsinseln, egal was die Familien bedrückt oder bedroht“, betonte der Arzt.

Im Duisburger Kinderschutzzentrum werden immer mehr Kinder untersucht, die deutliche Spuren von Misshandlung aufweisen. (Symbolbild)
Im Duisburger Kinderschutzzentrum werden immer mehr Kinder untersucht, die deutliche Spuren von Misshandlung aufweisen. (Symbolbild) © Dirk Bauer | Dirk Bauer

Misshandlung, Vernachlässigung, sexualisierte Gewalt

Im vergangenen Jahr zählte die Kinderschutzgruppe 132 körperliche Misshandlungen, 148 Vernachlässigungen, in 40 Fällen ging es um sexualisierte Gewalt. Auch psychische Erkrankungen der Eltern oder Drogenkonsum spielten eine Rolle, mitunter mehrere Faktoren gleichzeitig. In die Statistik fallen außerdem alle minderjährigen Mütter. Kinder also, die selbst Kinder bekommen und damit automatisch ein Fall für den Kinderschutz sind, wie die Psychologin Dr. Sarah Klein-Radukic betont.

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Die Polizei werde vom Team nicht so oft eingeschaltet, dafür umso häufiger das Jugendamt. Nach der Analyse der Verletzungen und der familiären Situation werden Kinder mitunter in Obhut genommen oder Hilfen in den Familien installiert. Daniel, der Junge mit den Spuren von Gürtelschlägen, kam in Obhut, die kleine Maria mit dem gebrochenen Bein und weiteren Verletzungen kam in eine Pflegefamilie. Hier hat das Team selbst Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, sagt Leon Philipp.

Der Umgang sei höflich, „auch wenn es manchmal schwer fällt“

Viele der verletzten Kinder werden stationär aufgenommen, um in Ruhe allen Verdachtsmomenten nachgehen zu können. Der Umgang mit den Eltern sei währenddessen trotz mitunter harter Befunde wertschätzend und höflich, „auch wenn es manchmal schwerfällt“, bekennt Philipp. „Wir sind keine Ermittler, nicht das Jugendamt“, verdeutlicht er. Die Eltern sind auch nicht immer die Täter, es können auch Geschwister, Verwandte oder andere für die Misshandlungen verantwortlich sein.

Riskid Fachtag : Kinderschutz in Duisburg
Oberarzt Leon Philipp leitet die Kinderschutzgruppe im Helios St. Johannes-Krankenhaus. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Um immer mehr Menschen zu sensibilisieren und das Duisburger Netzwerk zugunsten des Kindeswohls weiter zu festigen, stellte das Kinderschutzzentrum beim siebten Fachtag Kinderschutz des Vereins Riskid vor Ärzten und Krankenschwestern, Polizisten und Jugendamtsmitarbeitern, Pädagogen und Psychologen einige dieser Fälle vor. Auf Schaubildern zeigte Leon Philipp, in welchem Kindesalter welche „Hotspots“ am Körper besonders auffällig sind. „Bei einem Säugling, der sich nicht bewegt, ist jedes Hämatom auffällig“, betonte der Arzt.

Manches Handeln von Eltern ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht

Dass nicht jeder Fall eine Misshandlung ist, zeigte Philipp am Beispiel von Nico, dessen Eltern in die Notaufnahme kamen. Der Junge hatte Verletzungen an beiden Füßen, die deutlichen Abgrenzungen ließen auf den ersten Blick auf ein Eintauchen in heißes Wasser schließen. Mithilfe von Dolmetschern kam schließlich heraus, dass das Kind Fieber hatte, Ibuprofen nicht geholfen hatte und die Eltern die Temperatur ihres Kindes mit Essigwickeln bändigen wollten. Die dabei benutzte 25-prozentige Essigessenz sorgte auf der zarten Kinderhaut für Verätzungen.

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„Das war gut gemeint, aber nicht gut gemacht“, sagt der Kinderarzt. Hier habe man eine plausible Erklärung für die Verletzungen gefunden. Um den überfordert wirkenden Eltern unter die Arme zu greifen, habe das Jugendamt dann eine Familien-Hilfe installiert.

>>DAS KINDERSCHUTZZENTRUM IN DER HELIOS ST. JOHANNES KLINIK

  • Die Kinderklinik im Helios St. Johannes in Hamborn hält seit einigen Jahren ein interdisziplinäres Team vor, das die Gefährdung von Kindern gemeinsam einschätzt.
  • Das Kinderschutztelefon ist unter 0203 546-31222 zu erreichen, die Kindernotfallambulanz jederzeit unter 0203 5462175.

Dieser Artikel ist erstmals am 23. Januar erschienen.