Duisburg. Tarik S. (30), bekannt als „Osama, der Deutsche“, soll in Duisburg Anschläge geplant haben. Sein Verteidiger macht vor Gericht überraschende Aussagen.

Drei Anschläge soll Tarik S. aus Duisburg im September und Oktober 2023 geplant haben (wir berichteten). Für seine radikale Überzeugung soll der ehemalige IS-Kämpfer bereit gewesen sein, zu töten und zu sterben. Nach 17 Verhandlungstagen wurden vor dem Landgericht Duisburg die Schlussvorträge gehalten.

Für den Staatsanwalt ließ die Beweisaufnahme keinen Raum für Zweifel: Der 30-Jährige habe zunächst vorgehabt, auf dem Parkplatz einer Polizeiwache möglichst viele Beamte in die Luft zu sprengen. Dann soll er sein Augenmerk auf Veranstaltungen sexuell unterschiedlich orientierter Menschen (LGBTQIA+) gerichtet haben. Zuletzt soll Tarik S. einen Anschlag mit einem Lastwagen auf eine der Pro-Israel-Kundgebungen geplant haben, die nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 stattfanden.

Marokkanischer Geheimdienst lieferte Hinweise auf Anschlagpläne von Tarik S. aus Duisburg

Hinweise auf die Pläne des groß gewachsenen Mannes hatte der marokkanischen Geheimdienst an das Bundeskriminalamt weitergegeben. Spezialkräfte stürmten dann die Wohnung in dem Eckhaus an der an der Ecke Cecilienstraße/Mercatorstraße, in dem der 30-Jährige lebte. Der Chatverkehr des Duisburgers mit einem IS-Kontaktmann und andere Internetaktivitäten hätten den Verdacht bestätigt, so der Anklagevertreter.

Bis zu seiner Festnahme im Oktober 2023  lebte Tarik S. in dem Eckhaus im Duisburger Dellviertel.
Bis zu seiner Festnahme im Oktober 2023 lebte Tarik S. in dem Eckhaus im Duisburger Dellviertel. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Einen Hauptbelastungszeugen, der mit Tarik S. im Gefängnis saß, hält der Anklagevertreter für glaubhaft. Zwar sei der Mann ein mehrfach vorbestrafter Krimineller, habe sich aber von sich aus an die Behörden gewandt und – ohne Zusicherung von Gegenleistungen – den Angeklagten schwer belastet.

Der Staatsanwalt wies zudem auf die Lebensgeschichte von Tarik S. hin. In jungen Jahren war der für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Syrien und im Iran im Einsatz gewesen – und hatte sich dort einen Namen als „Osama al Almani“ (Osama, der Deutsche) gemacht. 2017 war er in Deutschland wegen Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung zu fünf Jahren Jugendhaft verurteilt worden. Nach seiner Entlassung habe sich der Angeklagte zunächst unauffällig verhalten, seine radikale Überzeugung aber nie abgelegt.

Staatsanwaltschaft fordert deutliche Strafe, der Verteidiger will einen Freispruch

Mit Blick auf die Vorstrafe und die beabsichtigte Tötung möglichst vieler Menschen forderte die Staatsanwaltschaft eine deutliche Strafe. Für das Sichbereiterklären zu einem Verbrechen, nämlich eines heimtückischen Mordes aus niederen Beweggründen und mit gemeingefährlichen Mitteln, beantragte sie zehn Jahre Gefängnis.

Dieses Bild stammt aus dem ersten Verfahren gegen Tarik S., der auch als „Osama, der Deutsche“ bekannt ist.
Dieses Bild stammt aus dem ersten Verfahren gegen Tarik S., der auch als „Osama, der Deutsche“ bekannt ist. © picture alliance / Roland Weihrauch/dpa | Roland Weihrauch

Der Verteidiger sah überhaupt keine Beweise. Es gebe einen einzigen verdächtigen Satz im Chat-Verkehr von Tarik S.: „Ich warte darauf, meine Wohnung endlich zu verlassen, um zu kämpfen, bis zum Sieg Gottes oder zum Tod.“ Daraus lasse sich ebenso wenig eine konkrete Absicht erkennen wie eine fünfminütige Internetrecherche über Pro Israel-Demos die Vorbereitung eines Anschlags sei.

Das Bundeskriminalamt habe bei seinem so genannten Behördenzeugnis nichts anderes getan, als die Informationen der marokkanischen Kollegen weiter zu geben, bemängelte der Anwalt. Zudem gab er zu bedenken, dass die Beweisaufnahme ein verblüffendes Detail offenbarte: „Thomas“ chattete gar nicht aus Syrien, sondern aus Marokko mit dem Angeklagten.

„Dem Hauptbelastungszeugen darf man kein Wort glauben“, so der Anwalt. Der habe sechs verschiedene Versionen zum Besten gegeben. Es sei seltsam, dass sich der Angeklagte, der sich nach 2022 wie ein gut getarnter Schläfer verhalten haben soll, ausgerechnet einem Mitgefangenen anvertraut haben soll, den er kaum kannte.

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Der Verteidiger beantragte Freispruch. Und schloss drei Hilfsbeweisanträge an. In ihnen forderte er für den Fall, dass die Kammer den Angeklagten verurteilen will, die Verlesung des Vorstrafenregisters des Hauptbelastungszeugen, der bereits mehrfach wegen Aussagedelikten verurteilt worden sei, sowie die Vernehmung weiterer Zeugen.

>>Details zu den überraschende Hilfsbeweisanträge

Ein Kölner Staatsanwalt soll bekunden, dass der Zeuge inzwischen doch eine Gegenleistung für seine Aussage in Duisburg verlangte und zudem zugab, dass er log. Ein Beamter des BKA soll darüber aufklären können, dass sich hinter dem angeblichen IS-Kontaktmann „Thomas“ ein Mitarbeiter des marokkanischen Geheimdienstes verbarg.

Am 30. Januar soll die Verhandlung fortgesetzt werden. Es ist gut möglich, dass die Kammer statt eines Urteils den Wiedereintritt in die Beweisaufnahme verkündet.