Duisburg. Tarik S., bekannt als „Osama, der Deutsche“, soll in Duisburg Anschläge geplant haben. Die Vorwürfe beantwortet der 30-Jährige mit einem Grinsen.
Spezialeinheiten öffnen seine Wohnungstür am Abend des 24. Oktober 2023 mit einer Ramme. Nach dem Hinweis eines ausländischen Geheimdienstes nehmen sie Tarik S. an dem nasskalten Herbstabend in dem Zwölf-Parteien-Haus an der Ecke Cecilienstraße/Mercatorstraße im Duisburger Dellviertel fest. Die Behörden sprechen von „Terrorgefahr“. Am Donnerstag ist der Prozess gegen den Mann gestartet, der besser unter dem Namen „Osama, der Deutsche“ bekannt ist.
Der 30-Jährige ist ein vorbestrafter Islamist. Jetzt geht es um Pläne zu Anschlägen, die Tarik S. im September und Oktober des vergangenen Jahres umgetrieben haben. Der Anhänger der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) soll geplant haben, möglichst viele Menschen in den Tod zu reißen. Menschen, die er nur als „Ungläubige“ sieht.
Wegen des Bereiterklärens zu einem Verbrechen, nämlich heimtückischem Mord aus niederen Beweggründen, muss sich der 30-Jährige verantworten.
In Syrien wird Tarik S. aus Duisburg zu „Osama, dem Deutschen“
Das Medieninteresse beim Prozessauftakt vor der 5. Großen Strafkammer ist groß. Der Angeklagte mit den großen dunklen Augen, den kurzgeschorenen Haaren und dem Rauschebart präsentierte sich den Kameras mit einem verhaltenen Lächeln. Er trägt einen dünnen olivgrünen Pullover und Jeans.
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Immer wieder grinst Tarik S. an diesem ersten Verhandlungstag. Wer seine Lebensgeschichte nicht kennt, könnte ihn leicht für einen harmlosen Zeitgenossen halten. Seine Biografie spricht jedoch eine andere Sprache.
Was zu seinem Leben bekannt ist: 2013 verlässt der gebürtige Bielefelder mit deutschem Pass Deutschland. Sein Ziel ist Syrien. Dort schließt er sich dem IS an.
Im Nahen Osten sollen ihm zumindest theoretische Waffenkenntnisse verschafft worden sein. Und: Tarik S. soll sich als Selbstmordattentäter gemeldet haben. 2014 bis 2016 soll er für den IS in Syrien und im Irak aktiv gewesen sein, Kämpfer auf deren Missionen begleitet und eine Zeit lang auch „Polizeidienst“ verrichtet haben.
Immer öfter taucht er in diesem Zeitraum in Propaganda-Videos auf. In einigen hält er die Köpfe enthaupteter Männer in die Kamera. Er macht sich einen Namen als „Osama al Almani“ – Osama, der Deutsche.
Tarik S. soll mehrere Anschläge geplant haben
2016 reist Tarik S. gemeinsam mit einer aus den Niederlanden stammenden Frau, die er in Syrien geheiratet hat, in die Türkei ein und stellt sich den Behörden. Wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf den deutschen Islamisten nach 19 Verhandlungstagen im Hochsicherheitscherheitstrakt im April 2017 zu einer fünfjährigen Jugendstrafe.
Was folgt dann? Nach der Entlassung soll es so ausgesehen haben, als habe sich Tarik S. von radikal-islamistischem Gedankengut distanziert. Die Teilnahme an einem Aussteigerprogramm soll zunächst erfolgreich gewesen sein. Aber: Der Verlust einer Arbeitsstelle könnte der Auslöser dafür gewesen sein, dass sich der kantige Mann erneut radikalisierte.
Die Anklage geht davon aus, dass der 30-Jährige spätestens im September 2023 in Duisburg konkret Pläne für Anschläge schmiedete. Mit einem im Ausland befindlichen Kontaktmann namens „Thomas“ soll er sich darüber ausgetauscht haben.
Als erstes soll Tarik S. an einen Anschlag auf das Duisburger Polizeipräsidium gedacht haben. Es liegt nur wenige Hundert Meter Luftlinie von seiner Wohnung entfernt. Der Plan: Auf einem Parkplatz der Dienststelle sollten möglichst viele Beamte sterben und verletzt werden.
Dann soll der IS-Kämpfer andere Ziele ins Auge gefasst haben. Etwa Veranstaltungen sexuell unterschiedlich orientierter Menschen, der „LGBTQIA+-Bewegung (englische Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transpersonen/Transgender, Queer, Intersexuelle, Asexuelle und andere). Auch einen öffentlichkeitswirksamen Anschlag auf die rechte Szene soll der 30-Jährige ins Auge gefasst haben.
Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll Tarik S. aber nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober ein neues Ziel angepeilt haben. Er soll geplant haben, mit einem Lastwagen in eine pro-israelische Demonstration zu fahren. Die Polizei kam ihm jedoch zuvor.
30-Jähriger schweigt im Gerichtssaal
Was sagt Tarik S. zu den schweren Vorwürfen? Zunächst einmal gar nichts. Er schweigt. „Mein Mandant wird keine Angaben zur Person oder zur Sache machen“, erklärt dafür sein Verteidiger Mutlu Günal, der bereits mehrfach Angeklagte vertrat, die ebenfalls der radikal-islamistischen Szene zugerechnet wurden.
Die ersten Zeugenvernehmungen verlaufen am Donnerstag extrem kurz. Verwandte, darunter die Mutter und ein Halbbruder von Tarik S., der nach eigenen Angaben ab 1. August juristisch eine Halbschwester sein wird, machten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. (mit mas)
>>Beweisaufnahme könnte sich hinziehen
Die Kammer rechnet für den Prozess inzwischen offenbar mit einer längeren Beweisaufnahme als bei der ursprünglichen Planung.
Zusätzlich zu den drei bereits bestehenden Fortsetzungsterminen wurden bis Ende August noch zwei weitere Verhandlungstage bestimmt.