Duisburg. Er stach in Marxloh auf Daria (9) und Alberto (10) ein. Ron S. wird zum Schutz der Allgemeinheit untergebracht. Prozess deckt Details aus seinem Leben auf.
Er griff Daria und Alberto (damals und 9 und 10 Jahre alt) mit Messer und Hammer an, als sie in Marxloh auf dem Heimweg waren. Jetzt steht fest: Ron S. wird dafür dauerhaft in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht. Der Prozess um die brutale Tat offenbarte, wie der heute 22-Jährige in eine andere Welt abdriftete.
Schon in der Schule wird der extrem schmächtige Junge zum Mobbing-Opfer. Später zieht er sich immer mehr zurück. Er wohnt abwechselnd bei seinen getrennt lebenden Eltern. Sein Zimmer verlässt er dort so gut wie nie. Freunde hat er keine. Eine Perspektive auf einen Job hat er nicht, lebt so vor sich hin.
Ron S. taucht dabei immer tiefer in eine Parallelwelt ein: Gewaltspiele und Internetchats bestimmen seinen Alltag. Dabei verroht er immer mehr. Mit seinen Chatpartnern schreibt er über besonders brutale Mordmethoden. Auf seinem TikTok-Kanal stellt er eine Liste mit Mörderinnen zusammen, die er besonders verehrt. Im Gegensatz zu seinen Eltern: Seine Mutter ist in seinem Handy unter der Bezeichnung „Hurensohn“ abgespeichert, sein Vater als „Hund“.
Sie ringen mit den massiven Problemen ihres Sohnes: Mehrfach wird dieser kurzzeitig stationär therapiert. Außerdem ist er im Polizeiprogramm „Periskop“, mit dem risikoträchtige Personen frühzeitig erkannt werden sollen. Ein Betreuer besucht ihn einmal monatlich. Doch alles hilft nichts, es kommt zur Eskalation: Der Waffenliebhaber, der mit einem Messer unter dem Kopfkissen schläft, kündigt in einem Video auf Instagram einen Mord an. Hintergrund ist eine Wette mit Chatpartnern. Ron S. will allen beweisen, wozu er fähig ist.
Angriff auf Kinder in Duisburg-Marxloh: „Eine krasse, erhebliche Messertat“
Deshalb verlässt er am Mittag des 28. Februar 2024, die Wohnung seines Vaters. Die beiden Kinder werden auf der Dahlstraße zu seinen Zufallsopfern. Die Beweislage und Aussagen skizzieren den Tathergang ziemlich lückenlos: Ron S. rennt auf die Kinder zu, zückt aus seiner Jacke das Messer mit einer 19,5 Zentimeter langen Klinge und sticht erst sechsmal auf die Grundschülerin ein. Ihr fügt er Verletzungen an Schulter, Hals, Brust und Fingern zu. Ihr Cousin Alberto möchte sie schützen, drängt sich mit seinem bunten Schultornister dazwischen und wird so selbst zum Ziel. Ihn verletzt der Angreifer mit acht Stichen am Kopf und an den Händen.
Die Gewaltorgie endet erst, als der Vater von Ron S. seinen Sohn entwaffnet. Der soll nach der Tat ganz ruhig gewirkt haben, macht noch Fotos von dem blutüberströmten Jungen und lädt diese über sein Handy ins Internet hoch – als Beweis.
Staatsanwalt Martin Mende spricht in seinem Plädoyer von einer „krassen, erheblichen Messertat“ – und hebt hervor, dass es sehr viel Glück brauchte, dass die Kinder den Angriff überlebten. Mediziner retten ihre Leben in Notoperationen.
In dem sehr detailliert geführten Prozess ging es nicht um eine Haftstrafe wegen des versuchten heimtückischen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Von Beginn an stand im Fokus, ob Ron S. zum Schutz der Allgemeinheit dauerhaft in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht werden soll. Denn zum Zeitpunkt der Bluttat war er wegen seiner Schizophrenie schuldunfähig. Hinzu kommt nach Erkenntnissen aus dem LVR-Klinikum, in dem Ron S. seit der Tat behandelt wird, eine diagnostizierte Autismus-Störung. „Es könnte wieder passieren“, unterstrich Mende seiner Meinung nach die Gefahr, die von dem jungen Mann ausgeht.
Ron S. sagt: „Ich brauche eine Therapie“
Von Verteidigerseite gab es keinen Widerspruch. Sie stellte „ganz bewusst“ in ihrem Plädoyer keinen Antrag. Deshalb war es am Mittwochmittag keine Überraschung, als die Kammer die Unterbringung verkündete. Sie ist überzeugt, dass der Marxloher aufgrund seiner psychischen Erkrankungen für andere Menschen eine Gefahr darstelle. Beim Vater des 22-Jährigen flossen in den Momenten vor dem Urteil Tränen, gerade als es um die Verletzungen der beiden Kinder ging.
Anders als in vielen Fällen wird das Urteil sofort rechtskräftig. Denn ganz am Ende des Prozesses meldete sich Ron S. erstmals aktiv zu Wort. Sein Geständnis hatten noch seine Anwälte vorgetragen. Jetzt erklärte er, dass er auf Rechtsmittel verzichte, „weil ich die Therapie brauche“.
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Nach Paragraf 63 wird der 22-Jährige zunächst unbefristet in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Anders als bei einer Freiheitsstrafe kommt er nicht nach einer festgesetzten Zeit wieder auf freien Fuß. Die Maßnahme wird jedoch in regelmäßigen Abständen überprüft. Dazu werden Stellungnahmen der Klinik und Gutachten hinzugezogen.
>>Wie geht es den Kindern nach der Tat?
- Daria und ihr Cousin Alberto gehen mittlerweile wieder zur Schule. Sie befinden sich in psychologischer Behandlung. Ihre Eltern berichteten, dass sie schlecht schlafen würden, Angst hätten und zur Schule hin- und zurückgebracht werden müssten. Darias Mutter beschrieb ihre Tochter als „gestresst“. Alberto sagte aus, dass er immer wieder an den 28. Februar denken müsse.
- Körperlich klagt der heute Elfjährige weiter über Schmerzen an der Hand.