Duisburg. Ladeninhaber und Anwohner schildern ihre Angst in Meiderich. Ein Wirt will das Problem mit den Jugendbanden im Stadtteil auf eigene Weise lösen.
Der Hilferuf erreichte Karim Bouguerra an Halloween: Seit Jahren gibt es in Duisburg rund um Allerheiligen Probleme mit randalierenden Jugendlichen. Böllerwürfe, Vandalismus, Ruhestörung und Polizeieinsätze. Auch in Meiderich sind gewalttätige Jugendbanden am Bahnhof und rund um die Einkaufsstraße ein wachsendes Ärgernis neben Drogen und illegaler Prostitution.
Aus Angst vor Überfällen schließen einige Geschäftsleute ihre Läden neuerdings früher. Der Edeka-Markt lässt gerade Sicherheitstüren einbauen, und die Bezirksvertretung hat ein umfangreiches Handlungskonzept beschlossen, einschließlich einer Messerverbotszone. Derweil hat die Polizei ihre Präsenz verstärkt und prüft aktuell Polizeikameras wie nach der Schießerei am Hamborner Altmarkt.
„Das wird nicht reichen“, weiß Karim Bouguerra, „die Leute sind verzweifelt.“ Jetzt habe sich jemand hilfesuchend an ihn gewandt, sagt der Wirt des Meidericher Treffs und verweist auf ein anonymes Mitglied der Stadtverwaltung. Bouguerra befürwortet „Messerverbotszonen und Waffenverbotszonen“ sowie Polizeikameras, doch er kenne auch die Jugendlichen, über die sich viele seit Jahren beschweren.
Angst vor Jugendbanden: „Das sind keine schlechten Menschen, die haben nur viel zu viel Power“
Vor seiner Kneipen sammeln sich demnach häufig 20 bis 30 Jugendliche zwischen zwölf und 16 Jahren, bepöbeln Passanten an und stehlen sicherlich auch ab und zu. „Das sind keine schlechten Menschen, die haben nur viel zu viel Power“, ordnet der 44 Jahre alte Gastronom ein, der Erfahrung aus der Sicherheitsbranche mitbringt und im Meidericher Treff zunächst als Rausschmeißer arbeitete, bevor er selbst der Chef wurde.
Früher habe der gebürtige Kölner selbst „viel Mist gemacht auf der Straße“ und daher „verstehe“ er die Jungs, derentwegen sich viele Meidericherinnen und Meidericher abends nicht mehr in die Kneipen und Geschäfte trauen oder im Dunkeln nicht mehr in Busse oder U-Bahnen einsteigen wollen.
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Die Jugendlichen, von denen längst noch nicht alle strafmündig sind, seien „schon verdammt frech“, räumt Bouguerra ein. Besonders gegenüber jungen Frauen. Doch der Gastronom sei für die Jugendlichen eine Respektsperson. Sie nennen ihn „Karim abi“, sagt er. Auf Deutsch bedeutet das etwa „großer Bruder“. Einige seien sogar regelrechte Fans, die zu seinen Boxkämpfen kommen. Er kämpft im Ring mal mit, mal ohne Boxhandschuhe.
Box-Unterricht soll randalierende Jungs von der Straße in Duisburg-Meiderich holen
Daher hat er einen Plan für seine jungen Fans gefasst. Karim Bouguerra will mit allen Jungs („In der Gruppe sind keine Mädchen“) zunächst ein klärendes Gespräch führen und ihnen dann Boxtraining in seiner Oberhausener Boxschule anbieten. Das sollte, so hofft er, die Langeweile der randalierenden und pöbelnden Jugendlichen vertreiben und sie von der Straße holen. „Es muss sich jetzt endlich was bewegen. Aber nur zu meckern, hat noch nie jemandem geholfen“, betont der Wirt, der dieses Angebot als „Ehrensache“ betrachtet. Seine Gäste sollen sich natürlich nicht nur in seiner Kneipe wohlfühlen, sondern auch abends sicher dorthin und wieder nach Hause kommen. Dafür könnten Gespräche und Boxstunden aber nur der Anfang sein.
„Ich bin Meidericher, und ich lebe gerne hier“, bekräftigt Karim Bouguerra. Deshalb ist er an einer langfristigen Lösung für das Gewaltproblem am Meidericher Bahnhof und rund um die Von-der-Mark-Straße interessiert. Einer Bürgerwehr, wie es manche Anwohner und Geschäftsleute bereits fordern würden, erteilt er eine entschiedene Absage. „Wir wollen nicht den Job von Polizei und Ordnungsamt übernehmen.“ Auch Gewalt gegen die „kleinen Jungs“ hält er für völlig falsch. Doch er fordert mehr Zusammenhalt unter den Gastronomen und Kaufleuten. „Wir haben ein Problem auf der Straße und das müssen wir gemeinsam beheben“, so der Wirt vom Meidericher Treff.
Dass nicht allein Polizei, Ordnungsamt, Messerverbotszonen und Polizeikameras helfen werden, ist längst auch aus der Bezirksvertretung Meiderich/Beeck zu hören. So möchte der SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Winkler neuerdings zusätzlich zum einstimmig beschlossenen Handlungskonzept deutlich mehr Jugendangebote im Stadtteil. Noch fehlen konkrete Ansätze.
Stadt und Polizei sollen die Gewerbetreibenden rund um die Einkaufsstraße nicht im Regen stehen lassen
Eine ähnliche Stoßrichtung schwebt auch Karim Bouguerra mit seinem Sportangebot vor. Allerdings mahnt der boxende Gastronom, dass die Polizei und die Stadt Duisburg die betroffenen Wirte, Kaufleute und ihre Kundschaft nicht alleine im Regen stehen lassen dürfen. „Wenn wir keine Lösung finden“, sagt Karim Bouguerra und schließt künftige Gespräche und Boxstunden ein, „dann muss der Big Boss ran. Dann muss der Oberbürgermeister die Probleme lösen.“
Bevor er im Rathaus bei Sören Link anruft, glaubt der 44 Jahre alte Gastronom aber zunächst an den Erfolg der geplanten Aussprache mit den gewaltbereiten Jugendlichen und an den Erfolg der Trainingseinheiten. Bis zum Jahresende erhofft sich Karim Bouguerra eine Lösung. Dann möchte er nämlich mit den Menschen aus Meiderich in seiner Kneipe Silvester feiern und möchte möglichst mit dem stadtweit größtem Neujahrsfeuerwerk locken. Das Partyvolk soll natürlich nicht aus Furcht wegbleiben, weil randalierende Jugendliche, Gewalt, Drogen und Prostitution die Feierlaune trüben.