Duisburg. Die alte A40-Rheinbrücke in Duisburg ist fast verschwunden. Der Abriss geht in die finale Phase – doch eine böse Überraschung bremst das Projekt aus.
Die einst längste Schrägseilbrücke der Welt hat ihren Namen nicht mehr verdient. Die riesigen grauen Pylonen sind geköpft, zerteilt und verschrottet, die gelben Schrägseile verschwunden und aus einer meterbreiten Lücke ist ein Freiraum über den ganzen Fluss geworden. Von der alten A40-Rheinbrücke Neuenkamp ist nur noch wenig übrig.
Seit einem Jahr quert der A40-Verkehr den Rhein in Duisburg über eine neue Brücke. Ihre marode Vorgängerin aus dem Jahr 1970 wird seitdem zurückgebaut. Ist sie verschwunden, entsteht an derselben Stelle ein Zwilling der bereits freigegebenen Brücke. Beide Bauwerke werden zu einem vereint – fertig ist Duisburgs neue Rekordbrücke.
A40-Rheinbrücke in Duisburg: Neubau wird doch erst 2028 fertig
Auto- und Lkw-Fahrer freuen sich darauf, dass Ruhrgebiet und Niederrhein bald über acht A40-Spuren miteinander verbunden sind. Doch das zuständige Straßenbauunternehmen Deges muss die Euphorie bremsen, zumindest was den Zeitplan angeht.
„Die neue Brücke wird wohl nicht wie geplant Ende 2026, sondern erst 2028 fertig“, sagt Projektleiter Knut Ewald. Schon die Südbrücke sei sechs Monate später freigegeben worden. Dies sei aber weniger aufgefallen, weil die Deges zumindest das Jahresziel von 2023 halten konnte. Jetzt wird die Verzögerung auch an der Jahreszahl deutlich.
A40-Brücke: Corona, Krieg und Lieferwege verzögerten Arbeiten
Dass es beim Bau von Deutschlands größter Schrägseilbrücke mehrere Hürden gibt, ist schon länger klar. „Dass die Werke unter Corona-Bedingungen produzieren mussten, hat uns zurückgeworfen“, sagt Ewald. Zudem kommen manche Bauteile aus der Ukraine, andere aus Russland. Der Krieg, der nun schon über 1000 Tage dauert, erschwert dementsprechend die Lieferketten.
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Auch die fertigen Brückenteile müssen einen langen Weg bis ans Duisburger Rheinufer zurücklegen. Die Segmente rücken per Schwertransport aus dem Osten Ungarns, Tschechien sowie aus Zwickau und Plauen in Sachsen an.
Immerhin werden sie nicht nach Bedarf geliefert („just in time“), sondern direkt, wenn sie fertig sind. „Wir lagern die Teile dann hier in der Nähe der Brücke, um das Risiko zu minimieren, dass wir auf sie warten müssen“, erklärt Ewald.
Dieser Überraschungsfund warf den Zeitplan durcheinander
Ein Überraschungsfund in der alten Brücke habe aber am meisten Zeit gekostet. „Wir konnten die Brücke erst auf Herz und Nieren überprüfen, als der Verkehr herabgenommen wurde. Dann haben wir festgestellt, dass bei einer Sanierung in den 80ern Asbest eingebaut wurde, was aber nirgendwo in den Bauwerksbüchern auftauchte.“
In Absprache mit den Duisburger Behörden musste die Deges erst genau untersuchen, wie die gefährlichen Abfälle entnommen und entsorgt werden können. Der Rückbau habe dadurch deutlich länger gedauert – acht bis neun Monate, schätzt der Projektleiter.
Abriss: Die Pylonen und Seile sind weg
„Nach den Anlaufproblemen hat der Rückbau dann aber gut funktioniert.“ Ein Highlight für den Projektleiter und seine Kollegen war der „Königsmoment“ im April, als die Brücke in der Mitte durchtrennt wurde. Damit das Bauwerk nicht einkracht, haben die Arbeiter Hilfsseile gespannt.
Danach ging es den gelben Seilen an den Kragen. Mit einer speziell entwickelten Konstruktion wurden die Seile zusammengezerrt, getrennt, von den Pylonen heruntergehoben und verschrottet. „Das war eine Meisterleistung“, meint Knut Ewald. Zwar werde alles gründlich geplant und mit Modellen berechnet. „Aber weil ein Bauwerk dieser Größe so noch nie zurückgebaut wurde, ist es ein spannender Moment, wenn es wirklich funktioniert.“
Seitdem werden die Hohlkästen in mundgerechte Stücke geschnitten und abtransportiert. Die alte Brücke verschwindet immer weiter und steht mittlerweile schon nicht mehr über dem Wasser. Passanten sehen also nur noch das Brett der Vorlandbrücke. Auch die Pylonen sind abgerissen. „Die Schrägseilbrücke ist damit Geschichte“, fasst Ewald zusammen.
Änderung beim Abriss: Brücke wird von zwei Seiten zurückgebaut
Der Abriss geht jetzt in die finale Phase. In der gibt es eine entscheidende Änderung. Die Arbeiter bauen die Brücke nicht mehr nur vom Rhein aus Richtung Ufer zurück, sondern greifen auch von der Landseite an. So entsteht auf beiden Rheinseiten jeweils eine Insel aus Brückenteilen, die dann von unten abmontiert wird.
Geplant war das so ursprünglich nicht. Eigentlich sollte die alte Brücke komplett Richtung Land zurückgebaut werden. Der Vorteil des neuen Verfahrens: Es spart Zeit. So werden nämlich die Widerlager früher frei. Sie sind das Fundament, auf dem der Überbau inklusive Fahrbahnplatte später liegt.
Die Widerlager werden ab der nächsten Woche abgerissen und neu gebaut. Deswegen wird auch die Duisburger Straße ab Montag gesperrt. Außerdem lässt die Deges die neue Brücke an Land vormontieren. „Auch dadurch sparen wir Zeit, weil wir die Brücke direkt vorschieben können, wenn die Widerlager fertig sind.“ Dafür wurde die Montagegrube nach hinten verlängert. Die gelben Montagekräne stehen schon bereit.
Die weiteren Schritte: So wird eine massive Brücke verschoben
Im Frühjahr 2025 soll das 54 Jahre alte Bauwerk verschwunden sein. Dann ist der Weg frei und die nördliche Brücke wird von beiden Ufern aus vorgeschoben, bis sie 55 Meter über dem Rhein steht. „Das ist der Punkt, bis zu dem sie sich alleine trägt“, erklärt Knut Ewald.
Danach wird das Verfahren umgestellt: Die 30 Meter langen neuen Brückenteile werden nicht mehr hinten, sondern vorne über dem Rhein angeschweißt. Neue Pylonen werden aufgebaut und die neuen Seile verbaut. Ein Element folgt dem nächsten, bis sich beide Enden in der Mitte des Rheins treffen.
Im letzten Schritt wird die südliche Brücke, die seit einem Jahr befahrbar ist, an ihren nördlichen Zwilling herangeschoben. „Klingt einfach, ist aber hochkomplex“, meint der Deges-Projektleiter. Etwas detaillierter, aber immer noch stark vereinfacht: „Wir haben provisorische Verschubpfeiler gebaut, auf die eine Gleitbahn gesetzt wird. Die Brücke wird leicht angehoben, auf die Bahn gelegt und mit hydraulischen Pressen kontrolliert herübergezogen.“
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>> A40-Rheinbrücke Neuenkamp: Das passiert mit alten Brückenteilen
- Zurzeit liegen noch viele Teile der alten A40-Brücke an der Baustelle herum. Die Elemente des maroden Bauwerks werden vor Ort in kleine Stücke zerschnitten, damit sie leicht abtransportiert werden können.
- Sowohl Stahl als auch Beton sollen wiederverwertet werden. Der Stahl wird zum Beispiel nach Georgsmarienhütte gebracht und dort im Hochofen recycelt.
- Künstler und Sammler hätten mehrfach angefragt, ob die Deges Teile der alten Brücke wie zum Beispiel die gelben Seile herausgibt. Beispielsweise beim Abriss des Karl-Lehr-Brückenzugs gab es wenige Einzelteile zu ergattern.
- Doch Projektleiter Knut Ewald muss Technik-Fans enttäuschen. Die Seile hätten unter so hohem Druck gestanden, dass sie beim Durchtrennen sofort aufgespleißt seien. „Sind wie ein wirres Wollknäuel unten angekommen.“ Der Rest der Brücke werde komplett verschrottet.