Duisburg. Ein Träger ist es Leid: Vom Duisburger Jugendamt nimmt er keine Aufträge mehr an, weil es so schleppend zahlt. So reagiert der Amtsleiter auf Vorwürfe.

Vom Duisburger Jugendamt will er vorerst keine Aufträge mehr annehmen, zu schlecht sei die Zahlungsmoral: Michael Brendt, Geschäftsführer des Jugendhilfeträgers Tacheles aus Unna, hat in diesem Jahr bereits drei Inkassoverfahren in Gang gesetzt, um an sein Geld zu kommen.

Die Stadt Duisburg stand bei ihm mit über 60.000 Euro in der Kreide, sagt er. Rechnungen seien mehr als ein halbes Jahr lang nicht beglichen worden und die Kosten liefen immer weiter auf. Tacheles hat sich auf individualpädagogische Intensivmaßnahmen spezialisiert, hier sind Tagessätze von 600 Euro üblich.

Der Träger vermittelt herausfordernde Kinder „mit einer dicken Akte“ in Profi-Familien, bei denen die bisherige Tournee durch verschiedenste Maßnahmen beendet werden kann. Systemsprenger nennt man diese Kinder mitunter, ein Begriff, den Brendt nicht benutzen würde. Im vergangenen Jahr habe er über 3000 Anfragen aus ganz Deutschland bekommen. Die allermeisten lehnt er ab, der Fachkräftemangel schränkt auch seine Möglichkeiten ein.

Träger beklagt „Zahlungsverschleppung“ beim Jugendamt Duisburg

Das Duisburger Jugendamt konnte bei ihm zwei Kinder unterbringen, die bestellte Leistung zahlte es dann aber nicht. Brendt legt Unterlagen vor, in denen seine Mitarbeiter seit Dezember 2023 dokumentiert haben, wie oft sie mit der Wirtschaftlichen Jugendhilfe (WJH) Kontakt aufnahmen, wie oft sie erinnerten, mahnten, erneut die Rechnungen stellten und wie dann aus Duisburg Dokumente nachgefordert wurden, „immer was anderes, das ist schon sehr unüblich, haben wir aber alles angereicht.“

Im Juni sei das in eine „Zahlungsverschleppung ohne Begründung gekippt“. Und die Kosten kumulierten weiter. „Die beiden Kinder haben gute Plätze, ihre Entwicklung ist sehr vielversprechend“, berichtet Brendt. Prozesse mit solch verhaltensauffälligen jungen Menschen könne man aber nicht einfach abbrechen. „Wir würden sie nie auf die Straße setzen.“ Deshalb ging er den eher ungewöhnlichen Weg des Inkassoverfahrens.

Kein Lernprozess nach dem ersten Inkassoverfahren

Nach dem ersten Verfahren habe es jedoch keinen Lernprozess im Jugendamt gegeben, sagt Brendt, weshalb er das Anwaltsbüro ein zweites, schließlich ein drittes Mal damit beauftragte, die ausstehenden Zahlungen beim Duisburger Schuldner einzutreiben.

Bei der Begleichung habe das Jugendamt nicht mal die gesetzlich vorgeschriebenen Wege eingehalten. Man habe in allen drei Fällen die geforderten Zahlungen an Tacheles überwiesen, nicht wie von den Anwälten eingefordert auf ein Anderkonto. „Ist das ignorant oder dilettantisch?“, fragt sich der Geschäftsführer.

Mit Gebühren, Auslagenpauschalen und Umsatzsteuer seien jedes Mal mehrere tausend Euro auf die Rechnungssumme draufgeschlagen worden. „Das sind doch vermeidbare Kosten“, ärgert sich Brendt, auch als Steuerzahler. Dass er als einer der wenigen Träger diesen Weg gegangen sei, liege daran, dass die meisten am Tropf der Jugendhilfe hängen, viele lokal gebunden seien und es sich nicht mit ihrem Hauptauftraggeber verscherzen wollen, glaubt Brendt.

Finanzgebaren der Stadt „bringt Träger in Gefahr“

Sein Unternehmen sei breit aufgestellt, arbeite für viele Jugendämter. Der gebürtige Rheinhauser hat zwar eine Verbindung zur Stadt, aber geschäftlich werde er darauf vorerst „gerne verzichten, Duisburg ist das grottigste Jugendamt“. Es sei in Trägerkreisen „berühmt-berüchtigt dafür, Zahlungen zu verzögern“.

Das Finanzgebaren bringe Träger in Gefahr, „das kann ihnen das Genick brechen“, betont Brendt. Mehrere weitere Quellen, die unerkannt bleiben wollen, bestätigen seine Einschätzung und berichten von Trägern, die Außenstände von über einer halben Million Euro haben. Wie berichtet, hat sich das Jugendamt kürzlich bekannt, seit über einem halben Jahr mit Rechnungen in Höhe von fast 40 Millionen Euro in Verzug zu sein. Ein Teil davon ist inzwischen beglichen.

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Schon häufiger habe Tacheles Zahlungsverzögerungen registriert. „Aber diese Renitenz, mit der immer neue Hürden aufgebaut wurden, das hatte eine neue Qualität“, bewertet Brendt. Dass das Amt unter Personalmangel leidet, glaubt er sofort. Die Branche ächzt deutschlandweit. „Aber anscheinend haben sie Zeit für Petitessen“, schimpft er, dabei arbeite man seit über zehn Jahren miteinander.

Jugendamtsleiter: Mehr Personal, Prozesse beschleunigen

Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke bestätigt die drei Inkassoverfahren, sowas sei nicht die Regel. Der Träger habe „damit recht gehabt, das akzeptieren wir“. Grundsätzlich erstellen Träger mit ihrem „Heimat“-Jugendamt eine Entgeltvereinbarung für die Leistungen, diese gelten dann bundesweit, auch in Duisburg. „Die akzeptieren wir ebenfalls“, sagt Köpcke. Wenn ein Kind von einem Träger außerhalb Duisburgs betreut werde, lasse man sich aber alle Vereinbarungen schicken, um sie zu prüfen. Dass es zu so vielen Nachfragen gekommen sei, hänge unter anderem mit Sonder-Vereinbarungen zusammen. Auch Zusatzleistungen müssten individuell nachverhandelt werden. „Ich halte das für verantwortlich, da geht es um viel Geld.“

 Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke / Stadt Duisburg
Hinrich Köpcke, der Leiter des Jugendamtes in Duisburg, hofft, dass die Rechnungsabwicklung durch weitere Stellenbesetzungen beschleunigt werden kann. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Die Personaldecke sei extrem knapp gewesen, inzwischen seien aber 22 von 25 Stellen besetzt worden. Um das zu erreichen, sei ein mittlerer Dienst eingezogen worden. Zudem ist eine Personalbemessung vorgesehen. Mit einem eigenen Einarbeitungsbüro sollen zusätzlich Prozesse beschleunigt werden. „Ich danke explizit allen Kolleginnen und Kollegen, die sich dafür engagiert haben“, so Köpcke.

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Jugendamt hilft Trägern mit „Liquiditätsbrücken“

Das Jugendamt habe wegen der ausstehenden Zahlungen „Liquiditätsbrücken“ angeboten, diese pauschalen Vorab-Zahlungen hätten elf Träger in Anspruch genommen. Insgesamt 6,7 Millionen Euro seien so bereits von den offenen Rechnungen abgetragen worden. Außerdem hätten 31 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freiwillig mit angepackt, um bei der Abwicklung der Rechnungen zu unterstützen. Das zeige das „sehr gute Miteinander“. Zusätzlich sei nun eine Clearingstelle eingezogen worden, die Unstimmigkeiten schneller klären soll.

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Für Tacheles und Michael Brendt kommen diese Maßnahmen zu spät. Er betont, dass die Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst immer einwandfrei und verlässlich gewesen sei. „Das sind richtig gute Leute!“ Die WJH hingegen „zerschlägt Porzellan“. Brendt hat früher selbst mal im ASD gearbeitet. Seine Prognose: „Die steigende Zahl der Anfragen können nicht im Ansatz bewältigt werden, wenn weitere bürokratische Hürden dazu kommen.“