Duisburg. Dass die Bahn aus Sicherheitsgründen nicht mehr durch den Stadtteil fahren kann, macht unübersehbar: Hochfeld ist unkontrollierbar geworden. Ein Kommentar.

„Nach mehreren Angriffen auf unsere Fahrzeuge müssen wir Maßnahmen ergreifen, um unsere Fahrgäste, das Fahrpersonal und die Fahrzeuge zu schützen.“ Das schreibt die Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) am Freitag gegen kurz nach 20 Uhr und verkündet, dass an diesem Abend keine Straßenbahnen mehr durch Hochfeld fahren werden (wir berichteten). Zuvor hatten Jugendliche Steine und Böller auf die Bahnen der Linie 903 geworfen, Haltestellen komplett zerstört. Die Ereignisse und die Entscheidung der DVG machen unübersehbar, was viele nicht hören wollen: In einigen Teilen ist der Problemstadtteil trotz aller Bemühungen unkontrollierbar geworden. Die öffentliche Sicherheit ist dort an Abenden wie am Freitag nicht mehr gewährleistet.

Der inflationär gebrauchte Begriff „No-go-Area“ ist hier Realität. Wer etwas anderes behauptet, bewegt sich auf irgendwelchen anderen Ebenen, aber in der Dunkelheit eben nicht rund um die Wanheimer Straße. Denn dort trauen sich schon längst viele Duisburger im Dunkeln nicht mehr hin. Der Stadtteil wird gemieden. Dabei geht es vor allem um das tatsächliche Sicherheitsgefühl der Menschen und nicht um den schlechten Ruf, den Hochfeld längst bundesweit hat.

Problemstadtteil Hochfeld: Furcht vor Randale war da

Vorweg: Die Entscheidung der Verantwortlichen bei der DVG ist absolut richtig. Sie tragen schließlich die Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und die sprechen immer offener über das „mulmige Gefühl“, wenn sie durch den Stadtteil fahren. Am Halloween-Abend konnten Polizei und das Verkehrsunternehmen den Straßenbahnbetrieb noch mit einem enormen Personaleinsatz aufrechterhalten. 24 Stunden später folgte dann die Randale, die schon am Donnerstagabend befürchtet worden war.

Und um das mal ganz klar zu sagen: Die Schuldigen sind die, die ihrer Zerstörungswut da freien Lauf lassen – und das Umfeld, in dem sie aufwachsen. Nicht die Lokalpolitik, nicht die Polizei und erst recht nicht die DVG. Für sie alle sind die Randalierer kaum greifbar. Die Probleme in Hochfeld sind vielfältig und müssen auf höchster Ebene angegangen werden: prekäre Wohnverhältnisse, (Bildungs-)Armut, ein sehr hoher Migrationsanteil (81 Prozent) und Überforderung bei der Integration. Hier hat sich eine Parallelgesellschaft gebildet.

Randale mit Wiederholungseffekt: 2023 posierten Jugendgruppen nachher noch für die Kamera.
Randale mit Wiederholungseffekt: 2023 posierten Jugendgruppen nachher noch für die Kamera. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Und in dieser Parallelgesellschaft ist für viele Jugendliche Gewalt die Antwort auf fehlende Zukunftsperspektiven. Es sind junge Menschen mit Migrationshintergrund, die die Regeln der Gesellschaft genauso wenig respektieren wie den deutschen Staat. Im vergangenen Jahr posierten die Randalierer nach der Eskalation sogar noch stolz vor der Kamera.

Ein Beispiel aus diesem Jahr: Ein etwa 14 Jahre alter Junge lacht und scherzt am Donnerstagabend, während ihn drei bewaffnete Polizisten auf Böller durchsuchen.

Für Verbesserungen braucht es Geld und einen Masterplan

Was kann getan werden? Klar ist: Aufgeben ist keine Option, auch wenn sich die Randale nun schon mehrfach wiederholt hat. Polizei und Stadt arbeiten in Duisburg im Kampf gegen organisierte Kriminalität immer enger zusammen. Können sie so verhindern, dass Jugendliche ihre einzige Perspektive in diesen Strukturen sehen? Gleichzeitig brauchen sie aber auch eine Handhabe. Personen unter 14 sind in Deutschland nicht strafmündig. Große Hoffnungen ruhen auf dem Haus des Jugendrechts, das zeitnah an den Start gehen soll. Die Ziele: Verfahren gegen junge Straftäter sollen beschleunigt und Intensivtäter enger begleitet werden. Außerdem soll die Präventionsarbeit durch bessere Zusammenarbeit zwischen den Institutionen verbessert werden.

Darüber hinaus gibt es weitere Bemühungen in Duisburg, etwa die der Projektgesellschaft „Urbane Zukunft Ruhr“. Sie will unter wissenschaftlicher Begleitung einen besseren Zugang zu Bildung und Ausbildung schaffen. Auch das Thema Wohnen steht dort auf der Prioritätenliste.

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Wichtig ist aber vor allem, dass die massiven Probleme deutlich benannt und bei entsprechenden Stellen in der Landes- und Bundespolitik adressiert werden dürfen – faktenbasiert und ohne populistische Stimmungsmache. Innerhalb der Duisburger Stadtgrenzen kennen die Menschen die Missstände. Aber ist das auch in Berlin und Düsseldorf so? Nur wenn dort bei den Entscheidern erfolgreich für finanzielle Mittel gekämpft wird, können zum Beispiel die Bildungschancen verbessert werden. Es braucht einen echten Masterplan, und zwar schnell. Das haben die vergangenen Tage leider mehr als deutlich gemacht.