Duisburg. Nach 60 Jahren lebt Christel Vogt wieder in Duisburg. Mit einem Klassenfoto von 1952 hat die einsame Seniorin alte Bekannte gesucht – mit Erfolg.
Für Frank Holthausen ist es wie nach Hause kommen. Der 61-Jährige aus Duisburg sitzt bei Kaffee und Kuchen im Wohnzimmer von Christel Vogt. Es ist gerade einmal das zweite Wiedersehen nach Jahrzehnten ohne Kontakt. Dabei gehörte die Seniorin früher fast schon zu Holthausens Familie. Über 60 Jahre – so lange lebte Christel Vogt, geborene Louven, in Köln. Der Liebe wegen. 1959 zog die gebürtige Duisburgerin in die Domstadt, die Heimat ihres Ehemannes Willy, den sie zuvor im selben Jahr geheiratet hatte. Trauzeugin damals: Regina, die Mutter von Frank Holthausen. Die beiden Frauen lernten sich Mitte der 1950er-Jahre bei ihrer Arbeit als Verkäuferin in der Herta-Metzgerei an der Kuhstraße kennen.
Als Witwe zieht Christel Vogt wieder nach Duisburg – doch hier plagt sie die Einsamkeit
Im Mai 2023 verstarb ihr Ehemann Willy jedoch. Da das Ehepaar keine Kinder hat und auch von der Seite ihres Mannes niemand mehr lebt, zog Christel Vogt im stolzen Alter von 86 Jahren wieder zurück in ihre Heimatstadt Duisburg. Jetzt wohnt sie in einer hübschen Wohnung in Wanheimerort, ganz in der Nähe ihrer Schwestern Anneliese und Marlene, die zusammen mit Marlenes Gatten Klaus heute ebenfalls beim Kaffeeklatsch dabei sind. Dennoch: Vogt fühlte sich trotz der im Umkreis lebenden Familie einsam und suchte den Kontakt mit alten Bekannten.
Mit einem Klassenfoto aus dem Jahr 1952 wandte sich die Senioren an unsere Redaktion. Vielleicht, so ihre Hoffnung, findet sich ja jemand aus ihrer Abschlussklasse der katholischen Grundschule an der Münchener Straße, heute KGS Böhmerstraße. Unsere Redaktion verbreitete den Aufruf.
Holthausen bemühte sich um den Kontakt: „Und dann rief die Christel an“
Zwar meldete sich niemand aus der Abschlussklasse, dafür aber Frank Holthausen. Der Name Christel Vogt, die Städte Duisburg und Köln – das kam ihm bekannt vor. „Ich erinnerte mich, sah Parallelen“, so der Meidericher. Das letzte Mal habe er „Tante Christel“ mit zehn oder elf Jahren gesehen, als er mit seinen Eltern das Ehepaar Vogt in Köln besuchte. Holthausen wendet sich an die WAZ und gibt seine Kontaktdaten durch. „Und dann rief die Christel an.“
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Im April trafen sich beide ein erstes Mal. Erst ein halbes Jahr später kommt es zum erneuten Wiedersehen. Terminlich habe es einfach nicht eher gepasst, sagt Vogt. Die 86-Jährige ist noch topfit und ist viel unterwegs, regelmäßig fährt sie noch alleine mit der Bahn nach Köln, um sich dort mit alten Arbeitskolleginnen zu treffen. Auch beim Köln-Marathon war sie als Zuschauerin dabei. Ehrenamtlich engagiert sie sich außerdem bei der Duisburger Awo.
Kontakt zwischen den beiden Ehepaaren verlief sich mit der Zeit
Holthausen hat alte Fotos mitgebracht. Bilder der Hochzeit seiner Eltern sind dabei, genauso wie gemeinsame Aufnahmen seiner Eltern bei Christels und Willys Trauung. Zusammen schwelgen sie in Erinnerung, auch die Schwestern haben Anekdoten von früher mitgebracht. Es wirkt, als wäre der Kontakt nie abgebrochen.
„Ich mein‘, ich komme nach Hause“
Früher sei die Verbindung zwischen seinen Eltern und den Vogts mal sehr eng gewesen, erzählt Holthausen. Doch nach dem Umzug nach Köln wurde es weniger. „Irgendwann verläuft es sich eben“, meint der bei der Caritas angestellte Pfleger. Vergessen hatte er Christel und Willy allerdings nie, als Kind habe sich Holthausen schließlich immer wohlgefühlt bei dem Ehepaar. „Ich mein‘, ich komme nach Hause“, habe er beim ersten Wiedersehen in ihrer neuen Wohnung gesagt, erinnert sich Vogt.
Auch ehemalige Klassenkameradin hat sich inzwischen gemeldet
Und siehe da, die Reunion bietet auch Gelegenheit, unbeantwortete Fragen zu klären. Holthausen blieb über all die Jahre besonders ein alter Schildkrötenpanzer in Erinnerung, der im Badezimmer des Ehepaars Vogt stand. Er habe sich immer gefragt, was es damit auf sich hatte. „Den haben wir aus Formentera mitgebracht“, löst Christel Vogt auf. Und siehe da: Der Panzer steht immer noch im Badezimmer.
Weitere Treffen, da sind sich beide sicher, werden jetzt folgen. Hoffentlich auch regelmäßiger. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, kommentiert der Meidericher die Terminabsprache und fügt hinzu: „So jung kommen wir halt auch nicht mehr zusammen.“ Einen Termin kann sich Holthausen aber bereits eintragen: Im November steht Christel Vogts Geburtstag an, bei dem er natürlich eingeladen ist.
Langweilig wird dem baldigen Geburtstagskind bis dahin übrigens nicht. Inzwischen habe sich tatsächlich jemand aus ihrer Abschlussklasse gemeldet, erzählt Vogt. In Huckingen wohnt eine alte Schulkameradin, die sie auch bereits getroffen habe. Gerne dürfen sich aber noch weitere melden. „Christel wartet“, sagt Holthausen und lacht.