Duisburg. Die Wasserstoff-Euphorie scheint verflogen. Muss die grüne Transformation vertagt werden? Das sagen Fachleute beim „Duisburger Zukunftsgespräch“.
In seiner Analyse zum Stand der Energiewende ist DBI-Chef Rasmus C. Beck klar: „Das versprochene Job- und Wachstumswunder ist nicht eingetreten.“ Grund genug, in einer Expertenrunde beim „Duisburger Zukunftsgespräch“ der Duisburger Wirtschaftsförderung die Frage zu diskutieren: „Grüne Transformation – zu früh gefreut?“
Dekarbonisierung durch Deindustrialisierung in Duisburg?
Zwar habe das Ruhrgebiet auch weiterhin beste Voraussetzungen, Modellregion für die Wasserstoff-Wirtschaft zu werden, allerdings drohe mittlerweile auch die Dekarbonisierung durch Deindustrialisierung, konstatierte Moderator Björn Finke in seinem Impulsvortrag. „45 Prozent der energieintensiven Unternehmen fahren ihre Produktion zurück“, so der SZ-Korrespondent in NRW.
Der Netzausbau zum Transport von Grünstrom führe zu höheren Netzentgelten und in der Folge zu anhaltend hohen Strompreisen. Das drücke auf die Rentabilität heimischer Produktion von grünem Wasserstoff und treibe dessen Preis. Der werde statt bei drei eher bei sieben Euro pro Kilo liegen, so Finke weiter: „Die meisten Elektrolyseur-Projekte existieren nur auf dem Papier.“
Auch positive Signale für die Versorgung der deutschen Industrie
Die Ziele für den Wasserstoff-Hochlauf seien daher „völlig unrealistisch“. NRW wird 90 Prozent seines Bedarfs importieren müssen. Investitionen und Infrastruktur-Ausbau werden zudem durch eine „zunehmend erratische (undurchsichtige, d. Red.) Wirtschafts- und Energiepolitik“ gebremst, konstatiert Beck. Schnell sei nun mehr Perspektive, Verlässlichkeit und weniger Bürokratie erforderlich.
„Ein harter Fall nach dem Hype ist normal“, sagt Achmed Junusov. „Der Optimismus ist nicht ganz weg, aber wir müssen uns jetzt auf die wichtigen Themen fokussieren“, so der COO von H2UB, Innovationsplattform und Thinktank der Wasserstoff-Wirtschaft.
Eine gute Nachricht sei die nun erfolgte Beantragung des Wasserstoff-Kernnetzes, so Astrid Menze, Strategie-Chefin beim Fernleitungsnetz-Betreiber OpenGridEurope (OGE). Das rund 10.000 Kilometer lange Netz vernetzt im Schwerpunkt das Ruhrgebiet mit der Rhein-Main-Region, zum großen Teil werden dabei bestehende Erdgas-Leitungen genutzt. Menze: „Das kann die Transformation ankurbeln. Bei uns ist die Stimmung positiv.“ Der Zeitpunkt der Inbetriebnahme, angepeilt ist das Jahr 2032, sei aber „abhängig von der Dauer der Genehmigungsverfahren“, so Menze weiter.
Hovenjürgen (CDU): Deutschland-Geschwindigkeit statt Schneckentempo
Auf zuletzt gute Nachrichten verweist Jörg Kemna. Der Geschäftsführer der Business-Metropole Ruhr nennt die Verabschiedung der nationalen Wasserstoff-Importstrategie und das H2-Beschleunigungsgesetz, das vor der Verabschiedung steht. Gebremst werde die Entwicklung weiterhin von langen EU-Genehmigungsverfahren für Förderprojekte. Dabei, so Kemna, brauche es „ein EU-Kernnetz für die Menge, die wir benötigen“. Da gebe es Pläne für den „European Hydrogen Backbone“ – bisher nur auf dem Papier.
„Wir tun uns schwer in der Umsetzung, müssen schneller werden, Flächen bereitstellen und Produktion ermöglichen“, konstatiert Josef Hovenjürgen (CDU). Die Erklärung, was denn Politik leisten muss, damit aus dem von ihm kritisierten „Schneckentempo“ eine „Deutschland-Geschwindigkeit“ wird, blieb der Staatssekretär im NRW-Heimatministerium und ehemalige Generalsekretär der NRW-CDU, allerdings schuldig.
Der Abschied von der Schuldenbremse sei für ihn nicht das Mittel der Wahl, betont Hovenjürgen. „Sie ist durch die Sondervermögen bereits aufgeweicht. Der Staat allein wird es nicht richten können. Was mehr fehlt als Geld ist Planungssicherheit.“
Mehr Tempo durch Schulterschluss zwischen Politik und Industrie
Braucht die Dekarbonisierung mehr Zeit, wecken Jahreszahlen nur Erwartungen, die immer wieder enttäuscht werden müssen? „Nein“, sagt nicht nur Jörg Kenma, sondern auch Philipp Wesemann. „Wir dürfen nicht zögern und abwarten, damit wir nicht den Anschluss verlieren“, mahnt auch der Projektmanager Klimaschutz bei der Stiftung Mercator.
Um die gleichermaßen immense wie kostspielige Herausforderung zu bewältigen, brauche es den „Schulterschluss zwischen Industrie und Politik“, damit sie verlässliche Voraussetzungen schafft für die Umsetzung.
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Wichtig ist das in Duisburg nicht nur für Thyssenkrupp Steel, das mit einem Jahresbedarf von rund 150.000 Tonnen für die neue DRI-Anlage pro Jahr ab 2027 zum größten Abnehmer für grünen Wasserstoff werden will. „Beim Hochlauf von Wasserstoffmarkt und Infrastruktur brauchen wir maximales Tempo“, sagt TKSE-Vorstandschef und DBI-Beirat Bernhard Osburg vor dem Wasserstoff-Kongress Hy.Summit.Rhein.Ruhr, der vom 16. bis 18. September wieder Politik, Industrie und Forschung in Duisburg, Essen und Dortmund zusammenbringt.