Duisburg. Hunde einer Mantrailing-Staffel spüren in Duisburger Altenheimen im Notfall demente Senioren auf. Wie Hundehalter dabei helfen können.
Mogli schnüffelt am Sitz. Ganz in Ruhe, kein Stress. Bis Frauchen Vanessa Hinte das Wort „Koffer“ spricht. Der Boxer-Rüde spannt die Muskeln an und schießt los, die Nase im Wind, die gelbe Schleppleine bis zum Anschlag gespannt. 36 Kilo auf der Suche nach einer Seniorin, dement, Bewohnerin des Casa-Mia-Altenheims in Duisburg-Hamborn, die nach einem kleinen Spaziergang nicht mehr nach Hause findet. Der ausgebildete „Mantrailer“ Mogli nimmt die Fährte auf.
Die demente Seniorin heißt Andreas. Und ist weder dement noch Seniorin. Hundetrainer Andreas Kühm hat sich im Gebüsch versteckt, das ganze Szenario rund um das Altenheim ist bloß eine Übung für Mogli – für eine Situation aber, die in Altenwohnanlagen beinahe täglich Realität wird. „Das muss auch gar nicht nach einem Spaziergang sein, dass die Bewohner nicht mehr nach Hause finden“, erklärt der Hundetrainer und Gründer der Mantrailer-Staffel, die mit den Casa-Mia-Altenheimen in Duisburg kooperiert. „Manchmal fahren die Senioren auch aus Versehen mit dem Aufzug in den Keller und wissen dann nicht mehr, wo sie sind.“
Mantrailer hatten schon zwei Einsätze an Duisburger Altenheimen
Grund genug für Kühm, Leiter der Hundeschule Baruta, die feinen Näschen seiner „Schüler“ einzusetzen, um demente Senioren wieder sicher nach Hause zu bringen. „Ich habe mich mit einem Freund, der Regionalleiter der Casa-Mia-Altenheime ist, vor einem Jahr über Mantrailing unterhalten. Nach einer kleinen Vorführung war er überzeugt, so kam die Kooperation zustande.“ Zweimal ist die Staffel bisher ausgerückt, beide Male wurden die Bewohner glücklicherweise gefunden, bevor die Hunde aktiv werden mussten. „Umso besser“, sagt Andreas Kühm. „Aber im Ernstfall sind wir zur Stelle. Deswegen üben wir auch direkt hier an der Wohnanlage. Damit die Hunde das Areal kennenlernen.“
„Manchmal fahren die Senioren auch aus Versehen mit dem Aufzug in den Keller und wissen dann nicht mehr, wo sie sind.“
Zurück zu Mogli, der gerade mit der Nase voran durchs Gestrüpp am Altenheim marschiert. Woher weiß der Rüde überhaupt, was zu tun ist? „Bei Andreas in der Hundeschule beginnt das mit ganz kleinen Schritten“, erklärt Vanessa Hinte, und meint das wortwörtlich. „Man geht mit Minischritten über den Waldboden, weil der Gerüche besonders gut auffängt. Dabei sollen möglichst viele Schuppen und Hautpartikel abfallen, die der Hund dann verfolgen kann.“ Dazu kommen Leckerchen in der Spur, selbstverständlich. Mit der Zeit verschwinden die Leckerchen, die Strecken werden komplizierter – bis der Hund „echte“ Senioren aufspüren kann, so wie Mogli es gerade übt.
Nicht alle Hunde erkennen den speziellen „Demenzgeruch“
Das Tier indes weiß von der Fallhöhe seiner Aufgabe natürlich nichts, für den Rüden ist es Spaß, Sport, quasi „Nasenarbeit“. Deswegen auch das ungewöhnliche Kommando „Koffer“ übrigens, mit dem Vanessa Hinte die Spurensuche eröffnet. „Zu Beginn der Ausbildung sollten wir uns ein Kommando aussuchen, das im Alltag in der Regel nicht vorkommt.“ Apropos Ausbildung: Jede Rasse, jeder Hund kann Mantrailer werden, die Aufgabe stimuliert die Tiere geistig wie körperlich. Für den Einsatz in und um Altenheime indes kommen nicht alle Vierbeiner infrage. „Bevor ich mit Mogli die Ausbildung begonnen habe, gab es eine Art Test“, erinnert sich Frauchen Vanessa. „Es gibt einen speziellen ‚Demenzgeruch‘. Mogli hat diesen Geruch erkannt, deswegen sind wir jetzt hier im Einsatz.“
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Abseits der Übungen für den Ernstfall verbindet die Mantrailer-Staffel von Andreas Kühm ihre monatliche Übung am Altenheim mit Vergnügen für die Bewohner. Während Mogli vor dem Haus die demente Seniorin Andreas sucht, besuchen drei der 14 Hunde der Mantrailer-Staffel im Garten die Bewohner. Es wäre kitschig, wäre es nicht so herzerweichend schön, wenn die drei Tiere sich im Rollstuhlkreis der Senioren Streicheleinheiten und Leckerchen abholen und dabei vor Freude aus dem Schwanzwedeln gar nicht mehr herauskommen. Für die Altenheimbewohner ist das Treffen indes genauso schön, mindestens. Davon zeugen die leuchtenden Augen, die vor der Ankunft der Hunde noch trüb ins Leere starrten.
>> MIT DEM EIGENEN HUND DUISBURGER SENIOREN RETTEN: SO KÖNNEN SIE MITMACHEN
- Mantrailing ist für jeden Hund geeignet, unabhängig von Rasse, Größe und Alter.
- In der Hundeschule „Baruta“ von Andreas Kühm wird Mantrailing in drei Kursen unterrichtet: Anfänger (135 Euro), Fortgeschritten (145 Euro) und Profi (155 Euro).
- Mehr Informationen und das Anmeldeformular gibt es im Internet unter baruta.eu.