Duisburg. „Autos sind unsere Berufung“: Doch bevor der Traum der eigenen Werkstatt Wirklichkeit wurde, hatten Issam und Tarek mit Vorurteilen zu kämpfen.

Sie flüchteten 2015 vor dem Bombenhagel in Damaskus nach Deutschland. Dabei überlebten sie die lebensgefährliche Fahrt über das Mittelmeer in einem überfüllten Flüchtlingsboot und einen 15-tägigen Fußmarsch quer durch Europa. Neun Jahre nachdem Issam (36) und Tarek Arafeh (34) ihre Existenz in Syrien hinter sich gelassen haben, zeigen sich die Brüder froh über das, was sie sich in ihrer neuen Heimat Duisburg aufgebaut haben. Mittlerweile betreiben sie seit vier Jahren gemeinsam mit Klaus Pacynski (67) eine Kfz-Werkstatt in Obermeiderich.

Aussichtslose Lage in der Türkei: Zwei Menschen mit Berufung suchen Chancen in Duisburg

Doch der Weg zur eigenen Werkstatt war hart. Zunächst flüchteten die Brüder zusammen mit ihren Eltern in die Türkei. Dort seien die syrischen Flüchtlinge von den Behörden schlecht behandelt worden, berichten sie. Und auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt war aussichtslos. Deshalb entschloss sich die Familie, nach Deutschland zu gehen.

Stolzer Vater: Ziad Arafeh (m.) besucht seine Söhne Tarek (l.) und Issam gelegentlich in ihrer Kfz-Werkstatt in Duisburg.
Stolzer Vater: Ziad Arafeh (m.) besucht seine Söhne Tarek (l.) und Issam gelegentlich in ihrer Kfz-Werkstatt in Duisburg. © FFS | Marvin Kunkel

Für die beiden war von Anfang an klar, dass ihre Berufung das Arbeiten mit Autos ist. Das haben sie schon in Syrien gemacht. Ihre Familie betrieb seit Jahrzehnten mehrere Werkstätten und Autohäuser in Damaskus. „Arafeh war ein großer Name in unserer Stadt“, sagt Issam. „Ein bisschen wie BMW hier“, fügt Tarek augenzwinkernd hinzu. Doch bevor die Erfolgsgeschichte ihrer eigenen Werkstatt ins Rollen kam, mussten sie sich in der neuen Umgebung zurechtfinden.

Trotz aller Mühe: Schwerer Start in Deutschland

„Als wir hier angekommen sind, haben wir direkt einen Deutschkurs gemacht“, erzählt Issam. Nachdem sie ihre Arbeitserlaubnis bekommen hatten, haben die beiden sofort angefangen zu arbeiten. „Wir saßen Monate in der Wohnung rum. Wir haben uns richtig gefreut, als wir arbeiten durften und wieder etwas zu tun hatten“, sagt Tarek. Daraufhin folgten mehrere Teilzeitjobs und Praktika in verschiedenen Kfz-Werkstätten. Letztere waren teils unbezahlt. Um vollständig auf eigenen Beinen zu stehen, strebten die beiden aber eine Vollzeitstelle an.

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Doch diese Chance sei ihnen oft verwehrt worden. „Viele haben geglaubt, dass wir das nicht können oder unzuverlässig sind“, erzählt Issam. Sie wendeten sich auf der Suche nach dem passenden Job auch mehrfach an das Jobcenter. „So richtig konnten die uns aber auch nicht weiterhelfen“, sagt Issam. Erst als er bei einem seiner Praktika innerhalb von einem Tag alleine einen neuen Motor in ein Auto eingebaut hatte, bekam er ein Angebot für einen Vollzeitjob.

Der Traum von der eigenen Werkstatt wird wahr

Dann ergab sich für die Brüder die Möglichkeit, eine Kfz-Werkstatt an der Arnold-Dehnen-Straße 45 in Obermeiderich zu übernehmen. Weil sie seit ihrer Ankunft fast durchgehend gearbeitet haben, war genügend Geld übrig. Daher zögerten sie keine Sekunde. Mit der Eröffnung von „Kfz Arafeh” erfüllten sie nach einem schweren Start in Deutschland ihren Traum. Doch auch beim neuen Betrieb verlief es erst schleppend. Denn die fünfjährige Ausbildung zum Kfz-Meister, die Issam in Syrien absolviert hat, wird in Deutschland wegen fehlender Unterlagen nicht anerkannt. Deshalb durften sie anfangs nur eingeschränkt Arbeiten an Fahrzeugen durchführen.

Ein Herz für Autos, und für Menschen: Klaus Pacynski hat Tarek und Issam geholfen, endlich ihre eigene Werkstatt in Duisburg führen zu können.
Ein Herz für Autos, und für Menschen: Klaus Pacynski hat Tarek und Issam geholfen, endlich ihre eigene Werkstatt in Duisburg führen zu können. © FFS | Marvin Kunkel

Als Klaus Pacynski in ihr Leben trat, sollte sich jedoch einiges ändern. Er wurde durch einen befreundeten Autoteile-Händler auf Issam und Tarek aufmerksam. Pacynski, der ebenfalls eine Kfz-Werkstatt betrieb, wollte eigentlich in Rente gehen. Die Geschichte der beiden bewegte ihn. Als er sah, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen haben, entschloss er sich, ihnen zu helfen. Zunächst unterstützte er sie im Rahmen einer Chancenpatenschaft. Nachdem er seine eigene Werkstatt verkauft hatte, verwarf er seinen eigentlichen Plan, in Rente zu gehen und stieß zum Team von Kfz Arafeh dazu.

Jungen Menschen eine Chance geben: Kfz Arafeh bildet Geflüchtete aus

Ab diesem Zeitpunkt gab es bei Kfz Arafeh die Möglichkeit, vollumfassende Arbeiten an den Autos durchzuführen. Außerdem durfte der Betrieb nun junge Menschen ausbilden. Tarek und Issam nahmen ihre eigene Geschichte zum Anlass, in ihrer Werkstatt anderen Geflüchteten die Chance auf eine Ausbildung zu geben. „Wir verstehen es sehr gut, wenn man eine Wohnung sucht oder Papierkram zu erledigen hat, man mal keine Zeit für die Arbeit hat“, sagt Issam. Solange die Brüder merken, dass die Azubis und Praktikanten Lust auf den Beruf haben und die Perspektive wertschätzen, würden sie ihnen auch ihre volle Unterstützung anbieten.

„Coole Schraubertruppe“: Tarek und Issam Arafeh ermöglichen Menschen mit Migrationshintergrund Praktika und Ausbildungsstellen in ihrer Kfz-Werkstatt in Duisburg.
„Coole Schraubertruppe“: Tarek und Issam Arafeh ermöglichen Menschen mit Migrationshintergrund Praktika und Ausbildungsstellen in ihrer Kfz-Werkstatt in Duisburg. © FFS | Marvin Kunkel

Aktuell arbeiten neben den Brüdern und Pacynski zwei Gesellen, zwei Azubis sowie zwei Praktikanten in der Werkstatt. Alle haben Migrationserfahrungen gemacht. „Wir sind hier zu einer richtig coolen Schraubertruppe zusammengewachsen“, sagt Pacynski. „Man merkt, dass Issam und Tarek ein richtig gutes Vorbild für die jüngeren Mitarbeiter sind.“

>> KOOPERATION FÜR INTEGRATION: BÜRGERSTIFTUNG, BILDUNGSZENTRUM HANDWERK UND KFZ ARAFEH

  • Das „Bildungszentrum Handwerk Duisburg“ vermittelt Praktikanten im Rahmen des Projekts „Berufliche Orientierung für Zugewanderte“ an Kfz Arafeh. Der ehemalige Projektleiter und Sozialarbeiter Samet Yetim schätzt, dass Issam und Tarek sowohl Wert auf gute Fachkenntnisse legen als auch Verständnis für das Psychosoziale zeigen. „Auch die Lehrer, die hier zu Besuch kommen, sind durchweg begeistert“, sagt er.
  • Jeden Dienstag um 14 Uhr bietet Jürgen Simeth, Projektleiter des Chancenpatenschaftsprojekts der Bürgerstiftung Duisburg, eine offene Sprechstunde für Geflüchtete an, die Unterstützung benötigen. „Durch positive Mundpropaganda ist das hier ein bekannter Treffpunkt der syrischen Community“, erzählt er.