Duisburg. Zum Abschluss spielen die Duisburger Philharmoniker unter Leitung von Kent Nagano „Unerhörte Romantik“: Kein Luxus-Sound in Samt und Seide.

Mit einem ehrgeizigen Experiment verabschieden sich die Duisburger Philharmoniker erfolgreich in die Sommerpause. Selbst die Lücken im Parkett der Mercatorhalle hielten sich am Freitagabend trotz der rund um den grünen Rasen noch lautstärkeren Konkurrenz in Grenzen. Und auch das Motto des 12. Philharmonischen Konzerts „Unerhörte Romantik“ versprach nicht zu viel. Anton Bruckners Urfassung der 4. Symphonie in historischem Klanggewand war in Duisburg, und nicht nur dort, tatsächlich noch nie zu hören.

Ein Projekt, dem eine zweijährige Planung vorausgegangen ist und für das man den prominenten Gastdirigenten Kent Nagano gewinnen konnte, der mit dem „Concerto Köln“ schon Wagner-Opern entsprechend aufbereitet hat. Mitglieder des mit historischen Aufführungspraktiken vertrauten „Concerto Köln“ saßen gemeinsam mit den Philharmonikern auf dem Podium und haben die Duisburger Kolleginnen und Kollegen in diversen Workshops mit den Besonderheiten des Unternehmens vertraut gemacht. Was barocke und frühklassische Musik angeht, haben unsere Philharmoniker in den vergangenen Jahren zwar schon reiche Erfahrungen sammeln können. Aber eine Bruckner-Symphonie auf Darmsaiten ohne Vibrato mit Ventilposaunen und spezifischen Wiener Hörnern zum Klingen zu bringen, ist eine andere Hausnummer.

„Interessante Erfahrung“ für das Duisburger Publikum

Dass man zudem auf die zwar mittlerweile nicht mehr unbekannte, aber immer noch selten zu hörende Urfassung aus dem Jahre 1874 zurückgriff, durchkreuzte manche gewohnte und liebgewonnene Hörerwartung zusätzlich. Wobei man Bruckner zugehalten muss, dass etliche seiner späteren Revisionen dem Werk zugutegekommen sind, indem er manchen Leerlauf, manche Wiederholung oder irritierende Pause ausmerzte und die ohnehin groß dimensionierten Formen effektiv straffte. Der mit ,„Andante quasi Allegretto“ recht zügig betitelte langsame Satz wirkt in der Urfassung unnötig langatmig, zumal Kent Nagano den Satz recht spannungslos zelebrierte und auch sonst, selbst im kantig-aggressiven Scherzo, durchweg zurückhaltend agierte.

Was das Klangbild betrifft, darf man von der authentischen Besetzung keinen Luxussound in Samt und Seide erwarten. Darmsaiten klingen zwar gedämpfter als Stahlsaiten, aber nicht unbedingt weicher. Im Gegenteil: Das vibratoarme Spiel führt zu schroffen, bisweilen klirrenden Härten, die deutlich von den weichgespülten Mischklangidealen abweichen, wie man sie von konventionellen Aufführungen gewohnt ist. Das alles garantiert interessante Erfahrungen und Eindrücke, die die Diskussionen um den Fassungs-Salat und etliche Interpretationsfragen rund um den „richtigen“ Bruckner nicht beenden, sondern noch anregen dürften.

Ein Konzert voller Experimentierfreude

 Das Publikum feierte die Philharmoniker mit begeistertem Beifall.
 Das Publikum feierte die Philharmoniker mit begeistertem Beifall.

„Unerhörte Romantik“ gab es auch vor Pause zu hören. Und zwar charmante Raritäten des 19. Jahrhunderts wie die „Ouverture romantique“ des Ungarn Béla Kéler oder das „Concerto romantique“ für Violine und Orchester des Franzosen Benjamin Godard. Das knapp geformte Violinkonzert gefällt durch seinen verspielten Esprit und seine dankbaren solistischen Vorlagen, die der als Konzertmeister dem „Concerto Köln“ eng verbundene Geiger Shunske Sato souverän und elegant nutzte. Dass Sato seine virtuosen Fähigkeiten in dem Konzert nicht ganz ausschöpfen konnte, bewies er mit seiner Zugabe, einem bravourösen Vortrag von Eugène Ysaÿes berühmter und feuriger „Obsession“ an dessen Hausgott Johann Sebastian Bach.

Begeisterter Beifall für ein Konzert voller Experimentierfreude, das die Duisburger Philharmoniker zu weiteren Taten dieser Art beflügeln sollte.

>> Im September beginnt die neue Konzertsaison

Das erste Philharmonische Konzert in der neuen Saison findet am 11. und 12. September statt. Unter der Leitung von Axel Kober wird der Blick auf zwei Anfänge und ein Ende von großen Musik-Schöpfern gelegt. Etwa auf den noch jungen Felix Mendelssohn Bartholdy, der mit 20 Jahren seine erste große Reise nach England und Schottland wagte. Mit dem Dampfschiff besuchte er die mythische Fingalshöhle auf den Hebriden – und war schrecklich seekrank von der stürmischen Überfahrt. Dennoch machte die wellenumtoste Meeresgrotte einen derart großen Eindruck auf ihn, dass er sogleich ein paar Takte Musik notierte: Es war der Anfang der tonmalerischen „Hebriden“-Ouvertüre.

Robert Schumann hingegen stand am Ende seines Lebens, als er sein Violinkonzert komponierte. Nur wenig später war er tot, gestorben in einer Nervenheilanstalt in der Nähe von Bonn. Gerade die Nähe zu diesem tragisch-traurigen Ende hat lange auf das Werk zurückgewirkt.

Tickets gibt es ab sofort ab zehn Euro.