Duisburg-Ruhrort. Erst Rathaus, dann Museum, nun Bürogebäude: Die Haniel-Villa mit Rheinblick hat eine besondere Geschichte – und birgt mindestens ein Geheimnis.

Ihre Lage ist einzigartig, ebenso ihre Historie: Keine Frage, die prächtige Villa in der Dammstraße 11 in Duisburg-Ruhrort, direkt am Rhein, ist nicht irgendein Haus. Sondern ein Gebäude, das Geschichte(n) erzählt. Denn die Villa war erst Wohnhaus, dann Rathaus, dann Museum. Heute ist sie ein modernes Bürogebäude, das gerade für eine geheime Summe an einen privaten Investor verkauft wurde.

Villa mit Rhein-Blick hat eine einzigartige Geschichte

Blick nach draußen: Christian Bruckermann vom Ingenieursbüro Dörpinghaus, Divisek und Partner ist einer der Mieter, die an der Dammstraße 11 in Ruhrort arbeiten. Wenn Bruckermann aus dem Fenster guckt, sieht er direkt aufs Wasser und die Rheinorange.
Blick nach draußen: Christian Bruckermann vom Ingenieursbüro Dörpinghaus, Divisek und Partner ist einer der Mieter, die an der Dammstraße 11 in Ruhrort arbeiten. Wenn Bruckermann aus dem Fenster guckt, sieht er direkt aufs Wasser und die Rheinorange. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Aber beginnen wir von vorne: Erbaut haben soll die neobarocke Villa ein Nachfahre aus der bekanntesten Ruhrorter Familiendynastie: Max Haniel. Da sind sich alle Archivare einig. Allerdings: Max Haniel lebte nur von 1813 bis 1887. Das Haus an der Dammstraße, das offenbar als Familiensitz dienen sollte, wurde aber erst 1887 fertiggestellt.

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Hat Haniel seine Villa also nie selbst bewohnt? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Das jedenfalls bestätigt Haniel-Experte Dr. Bernard Weber auf Nachfrage dieser Redaktion. Im Archiv habe er einen Text gefunden, in dem geschrieben stehe, dass Max Haniel „in seinem Ruhrorter Hause am 10. Juni 1887“ verstarb. Bislang sei das niemandem aufgefallen, sagt Weber, der 18 Jahre lang das Haniel-Museum leitete und bis 2019 Direktor des Museums der Deutschen Binnenschifffahrt war. „Wenn wir davon ausgehen, dass die Villa in der Dammstraße gemeint ist, dann hat Max Haniel die Villa quasi erbaut, um darin zu sterben!“ Lange könne der Industrielle jedenfalls nicht darin gewohnt haben.

Letztes Ruhrorter Rathaus beherbergt nun moderne Büros

Blick nach innen: In der früheren Haniel-Villa befinden sich heute mehrere moderne Büros.
Blick nach innen: In der früheren Haniel-Villa befinden sich heute mehrere moderne Büros. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Nur ein Jahrzehnt später wurde die Villa dann ohnehin verkauft – und zwar an die Stadt Ruhrort, die das Gebäude in großem Stile umbaute. In den Bauplänen, die im Stadtarchiv eingesehen werden können, wird erwähnt, dass neben einem Trau- und einem Sitzungsaal auch ein Steueramt mit Tresorraum, ein Gesundheits- und ein Standesamt eingerichtet wurden. Kein Wunder, schließlich wurde die Villa ab 1899 als Rathaus genutzt – als letztes Ruhrorter Rathaus, um es ganz genau zu sagen. Denn nur sechs Jahre später wurde die ehmals selbstständige Stadt nach Duisburg eingemeindet.

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Nach 1905 benötigte Ruhrort damit kein eigenes Rathaus mehr. Wie ein Artikel in dem Buch „Oortszeit. Stadtentwicklung in Duisburg Ruhrort“ aus der Edition Haniel beweist, diente die Villa aber weiterhin als Verwaltungsgebäude – und an das erinnern sich viele im Stadtteil bis heute mit einem Lächeln.

Trauzimmer blieb noch Jahre erhalten

Ein altes Foto aus seiner Familie hat der Ruhrorter Dirk Grotstollen hervorgekramt: „Auf dem Bild sind in der Mitte meine Eltern Mechthild und Hans zu sehen.“ Das Foto sei im Eingangsbereich im Erdgeschoss des Hauses an der Dammstraße 11 entstanden. „Unmittelbar nach der Trauung im Juli 1966. Zu diesem Zeitpunkt war das Standesamt noch hier beheimatet“, so Grotstollen.
Ein altes Foto aus seiner Familie hat der Ruhrorter Dirk Grotstollen hervorgekramt: „Auf dem Bild sind in der Mitte meine Eltern Mechthild und Hans zu sehen.“ Das Foto sei im Eingangsbereich im Erdgeschoss des Hauses an der Dammstraße 11 entstanden. „Unmittelbar nach der Trauung im Juli 1966. Zu diesem Zeitpunkt war das Standesamt noch hier beheimatet“, so Grotstollen.

Denn obwohl das Rathaus geschlossen war – das Trauzimmer in der ersten Etage blieb noch lange in Betrieb. Davon kann auch Dirk Grotstollen berichten. Der Notar hat eine ganz besondere Beziehung zu der Haniel-Villa: Er arbeitet heute im Erdgeschoss des Hauses an der Dammstraße 11, und damit genau dort, wo 1966 seine Eltern geheiratet haben.

Dass sich seine Eltern quasi direkt über der Kanzlei das Ja-Wort gegeben hätten, sei nur durch Zufall herausgekommen, erzählt Grotstollen. Seine Mutter habe ein Foto von der Zeremonie hervorgekramt, als er sein Büro in der alten Haniel-Villa eröffnete. „Ich wusste bis dahin nicht, dass meine Eltern hier geheiratet haben.“ Man könne aber noch heute erahnen, wie es damals im Trausaal ausgesehen haben müsse.

„Vollvermietetes Multi-Tenant-Objekt auf einem 1.500 Quadratmeter großen Grundstück in exklusiver Wasserlage mit Blick auf den Rhein“: So heißt die Haniel-Villa im Maklerdeutsch.
„Vollvermietetes Multi-Tenant-Objekt auf einem 1.500 Quadratmeter großen Grundstück in exklusiver Wasserlage mit Blick auf den Rhein“: So heißt die Haniel-Villa im Maklerdeutsch. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Einige Jahre später war‘s dann allerdings auch mit den Trauungen vorbei: 1979 zog das Binnenschifffahrtsmuseum in den Altbau und blieb bis 1996. An der Dammstraße wurde fortan immer wieder kräftig renoviert und umgebaut. Der Umbau zum Bürogebäude in seiner heutigen Form erfolgte dann im Jahre 2002. Zuletzt sei im gesamten Haus ein modernes Luft-Wärmepumpensystem zur Kühlung und Beheizung installiert worden, erklärt Sascha Kiupel, Immobilienberater Invest beim Essener Immobilienbüro Brockhoff, das im Juni den Verkauf der Ruhrorter Villa an einen Investor verkündete.

Im Maklerdeutsch ist die Villa an der Dammstraße nun ein „vollvermietetes Multi-Tenant-Objekt auf einem 1.500 Quadratmeter großen Grundstück in exklusiver Wasserlage mit Blick auf den Rhein“. Für die Ruhrorter aber wird sie wohl immer die Haniel-Villa bleiben, die erst Rathaus und dann Museum war.