Duisburg. Aus Echtholz gefertigt und Handarbeit: Die Kicker aus einem Duisburger Gefängnis sind nicht nur zur Fußball-EM echte Hingucker. Was sie kosten.

Sie planen eine EM-Party und suchen noch nach einem extra Gag? Wie wäre es mit einem Kicker made in Duisburg – gefertigt in Handarbeit und aus unverwüstlichem Hartholz? Rund 90 davon verkauft eine Werkstatt im Duisburger Norden jedes Jahr an Fußballfreunde in ganz Deutschland. Einfach reinmarschieren und sich einen Fußballtisch aussuchen kann man in dieser Kicker-Schmiede allerdings nicht: Sie ist Teil der JVA Hamborn.

Kevin arbeitet hier und das freiwillig. Denn in Gegensatz zum normalen Knast gibt es in der U-Haft keine Arbeitspflicht. „Weil die Unschuldsvermutung gilt“, erklärt Werner Grothof, stellvertretender Leiter der JVA. Doch für Kevin ist es keine Frage, dass er etwas tun will. „Ich will aus meiner Zelle raus und bin es gewohnt, jeden Tag zur Arbeit zu gehen.“ Bevor der 33-Jährige wegen einer Drogengeschichte in der JVA gelandet ist, hat er 13 Jahre lang als Industriemechaniker gearbeitet.

JVA-Insassen in Duisburg bauen jedes Jahr 90 Kicker und haben Kunden in ganz Deutschland

Damit ist Kevin ein Vorzeige-Gefangener. „Viele unserer Insassen kommen instabilen sozialen Verhältnissen. Sie kennen keinen geregelten Arbeitsalltag. Da müssen wir sie mit viel Geduld hinbringen“, sagt Grothof. Und die wenigsten haben eine Ausbildung. Torben Neu, stellvertretender Werkdienstleiter, nennt die zweite große Schwierigkeit: „Verständigungsprobleme.“ Nicht jeder Häftling spricht Deutsch.

Wer möchte, kann die Trikotfarbe der Spieler selbst bestimmen.
Wer möchte, kann die Trikotfarbe der Spieler selbst bestimmen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Wer in den Kickerbau möchte, muss sich erst in anderen Abteilungen bewähren. „Erprobung“ heißt das hier und es gibt drei Varianten: Entweder putzt man die Büros, verteilt das Essen oder steckt die beiden Teile eines Kunststoffhenkels für Tragetaschen zusammen. Wer es bis zum Kickerbau geschafft hat, wird durch die Werkmeister angeleitet. Insgesamt zehn arbeiten in der Justizvollzugsanstalt an der Goethestraße, die neben dem Kickerbau noch eine Schlosserei betreibt.

Die Meister stellt der Job vor besondere Herausforderungen. „Man muss seinen Weg finden, mit den Gefangenen umzugehen“, erklärt Torben Neu. Jeder habe seine Strategie. Der eine macht mehr auf Kumpel, der andere ist „streng, aber fair“. Gefragt seien „Nerven, Geduld und Durchsetzungsvermögen.“

Der erste Kicker von 2006 steht noch immer in der JVA und ist voll funktionsfähig

Auch in der U-Haft spielt das Thema Resozialisierung eine Rolle. Das ist aber nicht ganz einfach, allein deshalb, weil es an Zeit fehlt. „Im Schnitt sind die Männer sechs bis acht Wochen hier“, so Werner Grothof. Kevin sitzt schon seit einem guten halben Jahr in der JVA Hamborn. Er ist nach seinem Prozess in Revision gegangen. Und die kann dauern. Seit vier Monaten baut er an den Kickern mit. Seine Arbeitszeiten: 6.30 Uhr bis 11.15 Uhr, dann zurück in die Zelle zum Mittagessen. Danach ist er von 12.25 bis 15.15 Uhr in der Werkstatt. „Ich bin in einer Einzelzelle. In der Werkstatt habe ich Leute zum Quatschen.“

Manche Inhaftierte sind echte Cracks: Dieser Mann baut gerade an einer Gitarre.
Manche Inhaftierte sind echte Cracks: Dieser Mann baut gerade an einer Gitarre. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Schon seit 2006 fertigen Gefangene der JVA im Werkdienst, wie es offiziell heißt, die Turniertische aus Buche. Nummer eins wurde nie verkauft. Der Kicker steht hinter dem ersten Gitter, das man passieren muss, um in den Werkstattbereich zu kommen. Dass er 18 Jahre auf dem Buckel hat, sieht man ihm nicht an.

Natürlich haben die vielen Spiele, die hier schon ausgefochten wurden, Gebrauchsspuren hinterlassen, mehr aber auch nicht. „Unsere Kicker bekommt man nicht kaputt“, sagt Torben Neu. Die Qualität hat ihren Preis: 598 Euro muss man für einen Tisch hinblättern. „Damit decken wir die Materialkosten und das Geld, das die Gefangenen verdienen.“ Viel ist das nicht. Die acht Insassen, die es im Kickerbau arbeiten, bekommen 160 Euro im Monat und sind damit die Spitzenverdiener im Knast. Bei den anderen, weniger anspruchsvollen Jobs geht es bei 50 Euro im Monat los.

Die Motivation vieler Häftlinge, in der Werkstatt zu arbeiten: Für ein paar Stunden aus der Zelle herauszukommen.
Die Motivation vieler Häftlinge, in der Werkstatt zu arbeiten: Für ein paar Stunden aus der Zelle herauszukommen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Kicker gibt es in verschiedenen Ausführungen. Man hat die Wahl zwischen einem geölten oder lackierten Korpus. Auch die Trikotfarbe der Kunststoffspieler kann der Käufer bestimmen. Neulich erst hat ein Kunde Spieler in orangefarbenen und weißen Shirts bestellt: Niederlande gegen Deutschland. Den Männchen echte Trikots zu verpassen, ist nicht erlaubt. Dann droht Ärger mit den Vereinen.

>> Die Knast-Kicker aus Duisburg werden im Internet angeboten

  • Die Fußballtische sind im Onlineshop knastladen.de erhältlich. Hier gibt es alles zu kaufen, was in NRW-Gefängnissen produziert wird. Das Angebot ist groß. Es reicht von Hundebetten über Fahrradständer und Notizbücher bis zu Schuhen.
  • Geliefert werden die Kicker per Spedition. Ein paar Tische hat die JVA meistens auf Lager. Wer Sonderwünsche hat, muss etwas Zeit einplanen. Auch Ersatzteile sind – falls nötig – erhältlich.