Düsseldorf/Dortmund. Ist der Rückzug von Ryanair aus Dortmund nur ein Anfang? Die Branche ist alarmiert. Die befürchteten Folgen für Standorte und Passagiere

Eurowings streicht 1000 Flüge in Dortmund und Hamburg, Ryanair flüchtet gleich ganz aus Dortmund, Dresden und Leipzig. Der ungarische Billigflieger WizzAir meidet ab sofort Köln/Bonn, Condor stutzt sein Angebot ab Hamburg massiv - und weniger Wettbewerb auf den Strecken bedeutet in aller Regel höhere Preise für die Kunden: Was ist los am Himmel über Deutschland?

In nicht völlig überraschender Einigkeit haben Airportchefs und Fluggesellschaften die Kosten als Killer für ihre Entwicklung ausgemacht. Luftverkehrssteuer und Sicherheitsabgaben hätten sich seit 2020 verdoppelt, moniert der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrssicherheit (BDL), das sei europaweit spitze. „Der Luftverkehrsstandort wird durch eine verfehlte Politik um eine Dekade zurückgeworfen“, poltert Ralph Beisel für die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen. (ADV).

Dortmund könnte jeden siebten Passagier verlieren

Für Dortmunds Flughafenchef Ludger van Bebber ist der Hieb von Ryanair und Eurowings besonders bitter. Den chronisch defizitären Airport, den Stadtwerke und Stadt jährlich mit Millionen pampern, steuerte er zum ersten Mal auf ein ausgeglichenes Ergebnis zu. Kommen keine neuen Airlines oder Strecken hinzu, verliert Dortmund jeden siebten Passagier. Anders als in Düsseldorf oder Köln hoben dort zuletzt mehr Passagiere ab als vor Corona.

Auch von Paderborn/Lippstadt und Münster/Osnabrück, das erstmals seit 2011 schwarze Zahlen meldet, starten derzeit wieder mehr Menschen. Der Beginn neuer EU-Beihilferegeln, wonach sich Regionalflughäfen mit bis zu drei Millionen Passagieren selber tragen müssen, wurde wegen der wirtschaftlichen Folgen des Corona-Dramas von 2024 bis 2027 verschoben.

Nachfrage nach innerdeutschen Flugverbindungen ist eingebrochen

Dass Eurowings Dortmund die Strecke nach München streicht, dürfte aber nicht nur mit Kosten, sondern auch mit ortsüblichem Verhalten zu tun haben: Die Nachfrage nach innerdeutschen Flugverbindungen ist bundesweit eingebrochen, sie liegt bei der Hälfte der Zeit vor Corona. Ein Effekt, den nicht jeder bedauern wird und der von einer politischen Mehrheit durchaus erwünscht ist. Bei internationalen Flügen sind es etwas mehr als 80 Prozent der Zahlen von 2019.

Sorgt sich: Lars Redeligx, Vorsitzender der Geschäftsführung des Flughafens Düsseldorf.
Sorgt sich: Lars Redeligx, Vorsitzender der Geschäftsführung des Flughafens Düsseldorf. © Mike Henning | mike henning

Düsseldorfs Flughafenchef Lars Redeligx warnt vor Konsequenzen

Van Bebbers Kollege Lars Redeligx ist in Düsseldorf vom Streichkonzert der Fluggesellschaften zwar nicht betroffen, warnt aber vor Konsequenzen. „Die aktuelle Situation ist ernst und hat nichts mit Muskelspielen der Airlines zu tun“, versichert der Flughafenchef im Gespräch. „Die hohen staatlichen Steuern und Gebühren veranlassen die Fluggesellschaften, ihre Maschinen zunehmend im Ausland einzusetzen.“

Dass die Nachfrage nach innerdeutschen Flügen stark sinkt, stellt Redeligx nicht in Abrede. „Die verbleibenden Inlandsverbindungen zeichnen sich nicht durch hohe Wirtschaftlichkeit aus, sondern sind quasi eine Art Grundversorgung mit stark reduziertem Flugplan.“ Natürlich spiele „die hohe Abgaben- und Gebührenlast“ dabei eine Rolle. Letztlich sei innerdeutsch aber „die veränderte Nachfrage der wichtigste Faktor“, räumt er ein.

„Wir exportieren das CO2 nur ins Ausland“

Die Forderung an die Politik sei allerdings eindeutig: „Die Luftverkehrssteuer muss abgeschafft werden, wie es Schweden bereits vorgemacht hat.“, sagt Redeligx. Deutschland sei das Schlusslicht bei der Erholung des Luftverkehrs in Europa. Darunter leide die Vernetzung von Wirtschaftsregionen wie Nordrhein-Westfalen. Die Konnektivität sei aber ein wichtiger Treiber für Wohlstand und ein bedeutender Standortfaktor für die Wirtschaft.

Redeligx bestreitet zudem, dass die Steuer eine lenkende Wirkung im Sinne der Nachhaltigkeit habe. „Die Flugzeuge werden nur im Ausland statt in Deutschland eingesetzt, wir exportieren das CO2 also.“ Die Abschaffung der Luftverkehrssteuer wäre aus seiner Sicht ein starker Wachstumsimpuls und ein Konjunkturprogramm, das auch dafür sorge, dass Ticketpreise wieder erschwinglicher würden.

Zudem müsse die Regierung ihr Versprechen einlösen, nachhaltige Kraftstoffe zu fördern. Die zwei Milliarden aus der Luftverkehrsabgabe seien stattdessen einfach in den Haushalt geflossen. Wie die Politik in Berlin auf die Forderungen reagieren wird, ist völlig offen.

„Abgaben spiegeln nicht einmal die Kosten wider, die entstehen“

Martin Metz, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im NRW-Landtag, hält es für „legitim, dass die Flughäfen und Airlines ihre Interessen vertreten. Aber die Abgaben spiegeln nicht einmal die Kosten wider, die entstehen. Es wird also immer noch subventioniert“, sagt er im Gespräch.

Martin Metz (Grüne) hält die Höhe der Abgaben für gerechtfertigt.
Martin Metz (Grüne) hält die Höhe der Abgaben für gerechtfertigt. © HO | lichtgeschichten

Kerosin, so Metz, werde zudem immer noch nicht besteuert. Das wird es allerdings europaweit bislang nur auf Inlandsflügen in der Schweiz und in Norwegen. Eine Einführung, erinnert der Grünen-Politiker, sei im Haushaltspaket der Ampel-Regierung ursprünglich vorgesehen gewesen und dann durch eine Erhöhung der Luftverkehrsabgabe ersetzt worden. „Und sie ist innereuropäisch nur um drei Euro je Ticket erhöht worden.“

„Da haben wir dann in Deutschland das Nachsehen“

Das mag Düsseldorfs Flughafenchef so nicht stehen lassen. „Oft wird kolportiert, es seien ja nur ein paar Euro Unterschied pro Passagier, doch das summiert sich schnell. Für einen europäischen Flug mit einem A320 können sich die zusätzlichen Steuern und Gebühren auf bis zu 4000 Euro belaufen“, so Lars Redeligx. Rechne man das auf drei Abflüge pro Tag und auf das Jahr hoch, liege die Kostenbelastung pro Flugzeug in Millionenhöhe. „Das berücksichtigen die Airlines bei der Entscheidung, wo sie die Kapazität einsetzen. Und die ist gerade knapp. Da haben wir dann in Deutschland das Nachsehen.“ Mit Blick auf deutlich gestiegene Flugpreise drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass Fluggesellschaften wachsende Belastungen, soweit möglich, an die Kundschaft durchreichen.

Kritik am Verhalten von Ryanair

Das Verhalten von Ryanair die Dortmund nun verlassen, kritisiert Martin Metz: „Das Spielchen, dass sie seit Jahrzehnten immer wieder massiv Druck aufbauen, kennen wir ja.“ In der Tat gelten die Iren bei der Verteidigung ihrer Interessen nicht als zimperlich. Schweden, das auf eine Luftverkehrsabgabe nun verzichtet, „mag bei dem Druck eingelenkt haben, aber will man das jedes Mal tun?“, fragt Metz rhetorisch.

Die Existenz des Flughafens Weeze am Niederrhein, wo Ryanair vier Flugzeuge stationiert hat, hängt seit Anbeginn mehr oder weniger vom Wohlwollen der Iren ab. Dort gibt man sich noch gelassen: Man sei von den aktuellen Ankündigungen ja nicht betroffen.

Ryanair liebt plakative Auftritte: Hier stellt CEO Eddie Wilson die Abbaupläne für deutsche Flugverbindungen seiner Airline vor.
Ryanair liebt plakative Auftritte: Hier stellt CEO Eddie Wilson die Abbaupläne für deutsche Flugverbindungen seiner Airline vor. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

„Wohlstand und Kaufkraft sind hier auch höher“

Dass die Kosten fürs Fliegen in Deutschland höher sind als anderswo, bestreitet Metz indes nicht. „Natürlich sind sie hier höher, aber Wohlstand und Kaufkraft sind hier auch höher. Ein Sicherheitskontrolleur verdient am Dortmunder Flughafen mehr als am Prager Flughafen. Das muss man doch einordnen.“

Was man gerade erlebe, sei die Normalisierung des Marktes vor allem beim Inlandsflugverkehr. Metz: „Der war hier ausgeprägter als in anderen Ländern. Das passen die Airlines jetzt an.“ Bei normalen Prozessen in einem dynamischen Markt bräuchte es nicht immer gleich die Intervention der Politik. „Dass die Nachfrage zurückgeht, zeigt doch nur, dass durch die viel zu niedrigen Preise der letzten Jahre eine eigentlich nicht vorhandene Nachfage künstlich angeheizt wurde, die sich jetzt wieder etwas normalisiert“, urteilt der Essener Verein „Bürger gegen Fluglärm“.

Flug-Träume von Regional-Politikern in Kassel-Calden

Apropos Nachfrage: Wohin indes die Flug-Träume von Regional-Politikern und ortsansässigen Geschäftsleuten zuweilen führen, kann man in Kassel-Calden beobachten. Der Airport dort wurde 2013 eröffnet, Kosten etwa 270 Millionen Euro. Land und Stadt erhalten ihn jährlich mit Steuer-Millionen am Leben. Klimakleber protestieren gegen ihn derzeit lieber in der Innenstadt als auf der Rollbahn. Denn auf der Piste könnten sie niemanden stören: In Kassel-Calden steht nicht ein einziger Flug im Winterplan.

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