Düsseldorf. Von Couscous über halal-Fleisch bis Moschus-Duft, das Maghreb-Viertel hat so einiges zu bieten. Trotzdem bleiben Kunden aus. Das sagen Händler.
Die Morgenluft ist vergleichweise kühl an diesem Tag, trotzdem sitzen Männer vor einem Café, gestikulieren mit den Händen und unterhalten sich. Auf den Tischen vor ihnen stehen Espresso-Tassen und große, durchsichtige Gläser mit Minzblättern. Die benachbarten Gemüsehändler legen ihre Ware vor den Läden aus. Rote Wassermelonen-Hälften, blaue Trauben und grüne Artischocken färben das unscheinbare Viertel bunt. Der Geruch nach orientalischen Gewürzen und parfümierter Seife kriecht aus den Läden. Ein neuer Tag beginnt im marokkanischen Viertel auf der Ellerstraße in Düsseldorf-Oberbilk.
Halal-Fleisch zieht Kunden in die Ellerstraße
Vor einer Metzgerei parkt ein Lkw. In dessen Frachtraum steht ein Mann, der ein geschlachtetes Rind herausträgt und seinem Kollegen reicht, der unten mit einem Einkaufswagen das Fleisch entgegennimmt. Ein paar Meter weiter betritt ein Kunde eines der Geschäfte und macht mit einem hörbaren „Assalam Alaikum“ (Friede sei mit Euch) auf sich aufmerksam. Er läuft zur Fleischtheke des Ladens, wo der Fleischer ihn mit einem Lächeln empfängt und in Berbersprache nach seinem Befinden fragt, bevor der Kunde die gewünschte Fleischware bestellt.
Weltreise durch NRW
Wir nehmen Sie im Sommer mit auf Weltreise. Dafür müssen Sie das Bundesland gar nicht verlassen. In Nordrhein-Westfalen gibt es Orte, an denen Sie sich wie in einem nordamerikanischen Nationalpark oder in einem japanischen Großstadtviertel fühlen. Lassen Sie sich überraschen.
Und das Beste: Von unseren Besuchen vor Ort bringen wir Geschenke mit, die am Ende der Ferien verlost werden. Den Anfang macht ein Lavendel-Roll on, aus dem Sri Kamadchi Ampal Tempel haben wir zudem Räucherstäbchen mitgebracht, aus dem marokkanischen Viertel in Düsseldorf ein silbernes Teekesselchen und einen Moschus-Duft, von den Kaldenkirchener Mammutbäume kommen Zapfen in den Koffer. Und aus „Little Tokyo“ packen wir nun handgefertigte Essstäbchen ein. Teilnehmen am Gewinnspiel können Sie (unter Angabe Ihrer Adresse) online, per E-Mail an seitedrei@nrz.de oder per Postkarte an NRZ Chefredaktion, Jakob-Funke-Platz 1, 45127 Essen.
Viele Marokkaner, viele Muslime würden vor allem wegen des Fleisches in die Ellerstraße kommen, denn das sei koscher, also „halal“, erklärt einer der Händler. Er und sein Mitarbeiter, die beide ihre Namen nicht in einem Artikel lesen wollen, seien hier in Deutschland aufgewachsen. Sie erinnern sich an die Anfänge des marokkanischen Viertels: Als in den 1960er Jahren Marokkaner nach Deutschland kamen, habe es in deutschen Metzgereien kein koscheres Fleisch gegeben.
Die Geburtsstunde der Ellerstraße in Düsseldorf
Einige Marokkaner hätten es sich daraufhin zur Aufgabe gemacht, selbst zu schlachten und andere Muslime mit halal-Fleisch zu versorgen, erzählen sie. Damals habe lediglich ein Lkw auf der Straße gestanden, von dem aus die Ware verkauft worden sei, erinnert sich einer der Händler. Sein Gesichtsausdruck verrät, dass er soeben realisiert hat, was für eine Entwicklung die Ellerstraße gemacht hat, und lächelt. Dass es hier halal-Fleisch gibt, habe sich über die Jahre herumgesprochen, wodurch die Ellerstraße irgendwann zur Anlaufstelle für marokkanische und vor allem muslimische Kunden wurde. Heute bietet dort fast jeder Gemüsehändler auch Fleisch an.
Das größte Angebot hat jedoch die Metzgerei Alhoceima Royal. Mit ihrem Fleischsortiment ist sie nicht nur bei Muslimen, sondern auch bei Juden – die ebenfalls koscheres Fleisch aus religiösen Gründen essen –, aber auch bei Christen sehr beliebt. Die Mitarbeiter haben alle Hände voll damit zu tun, die wartenden Kunden zu bedienen. Von Wurst über Innereien, bis hin zu Schafsköpfen ist alles dabei. Im Hintergrund ist eine Koranrezitation zu hören.
Von Pfefferminztee über Bastilla bis zu Hamoud Boualem
Ein paar Meter die Straße hoch, sitzen Kunden im Café und Patisserie Andalous am Fenster und unterhalten sich. Hinter dem gläsernen Tresen sind hauchdünne Fladenbrote (Msemen) und mit Meeresfrüchten gefüllte Blätterteig-Taschen (Bastilla) ausgelegt. Der Geruch nach Frittiertem und Pfefferminztee steigt in die Nase. Hier finden die marokkanischen, algerischen und tunesischen Kunden leckere Spezialitäten aus der Heimat.
Abgesehen von Fleisch ist auch Limonade des algerischen Getränkeherstellers Hamoud Boualem sehr begehrt. Kartonweise steht sie in den Läden zum Verkauf bereit: Selecto (vergleichbar mit Cola) und Hamoud Blanche (vergleichbar mit Zitronenlimo). Unter der Woche hält sich die Anzahl der Kunden in Grenzen. Den größten Ansturm haben die Händler am Wochenende.
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Restaurants wie Al Baraka oder das das Palmen Restaurant schicken die Geschmacksknospen ihrer Gäste mit Tajin (Fleischeintopf), Couscous und Harira (Tomaten-Suppe) auf eine Reise durch Nordafrika. Auch wenn die marokkanische Küche der algerischen und tunesischen ähnelt, gibt es kleine, aber feine Unterschiede. Marokkaner mögen es oft salzig-süß. So bereiten sie ihren Couscous mit Rosinen und Honig gesüßten Zwiebeln zu, während das nordafrikanische Nationalgericht in Algerien eher salzig gegessen wird.
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Die Harira darf in der nordafrikanischen Küche auch nicht fehlen. Die Suppe besteht überwiegend aus Gemüse und pürrierten Tomaten. Sie wird hauptsächlich zum Fastenbrechen an Ramadan serviert. Oft befindet sich darin Rind- oder Hähnchenfleisch – halal versteht sich. Abgesehen von Fleisch, wird auch Fisch gern verspeist. Da sind Sardinen oder Garnelen der Klassiker.
Das Maghreb-Viertel hat ein Imageproblem
Vor der Corona-Pandemie seien Kunden aus Litauen, Dänemark und sogar aus Australien in das marokkanische Viertel gekommen, erzählen die Händler vor Ort. Davon ist heute kaum etwas zu spüren. Nach der Silvesternacht in Köln 2015/16, in der es am Kölner Bahnhof sexuelle Übergriffe auf Frauen gab, die von Männern aus den Maghrebstaaten (Marokko, Algerien, Tunesien) ausgeübt worden sein sollen, seien Menschen aus diesen Ländern in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, erzählen die beiden Gemüsehändler auf der Ellerstraße.
Seit dem sei das „Maghreb-Viertel“ in Düsseldorf in den Medien als „Kriminalitätsschwerpunkt“ gebrandmarkt. Das schrecke oft Kunden ab, die sich vor der Anreise im Internet über das Viertel informieren wollen. Dabei habe ihrer Erfahrung nach bisher kein Besucher nachvollziehen können, dass es hier auf der Ellerstraßen besonders kriminell zugehe. Dass es dort hin und wieder Diebe und Kleinkriminelle gibt, bestreiten sie jedoch nicht, doch diese würden nicht die Mehrheit ausmachen.
Ähnliches bestätigt auch die Düsseldorfer Polizei auf Nachfrage: „Die Ellerstraße sticht als Kriminalitätsschwerpunkt nicht besonders heraus“, heißt es von der Pressestelle. Der Stadtteil Oberbilk sei zwar für Kriminalität bekannt, aber im Vergleich sei das Maghreb-Viertel ziemlich ruhig. Ausnahmen bilden Kleindelikte, wie Beleidigungen oder kleine Diebstähle. Die Händler hoffen, das Vertrauen der Leute zurückgewinnen zu können und dass zukünftig wieder mehr Menschen die Ellerstraße besuchen.
Ein Zeichen für kulturelle Vielfalt
Die Stadt Düsseldorf hat Anfang März 2024 in Oberbilk ein Zeichen für kulturelle Vielfalt gesetzt. Nun steht die Ellerstraße, die als marokkanisches Viertel gilt, dort auch auf Arabisch geschrieben. Bereits vor einem Jahr gab es eine ähnliche Aktion auf der Immermannstraße in Düsseldorf, wo an einem Straßenschild ein Zusatz mit japanischen Schriftzeichen angebracht worden ist. Zukünftig sei es geplant, an zehn Straßenschildern in der Stadt eine zweisprachige Bezeichnung anzubringen, heißt es vom Integrationsrat. Die Geste der Stadt schien aber nicht bei allen gut anzukommen. Vor allem in den sozialen Netzwerken hat es negative Kommentare dazu gegeben. Auf der Ellerstraße berichten Händler davon, nicht vorher über die Aktion informiert worden zu sein. Es wurde einfach gemacht.