Düsseldorf. Oberbürgermeister Keller schreibt an Bahnvorstand, Bürgerinitiative wittert Trickserei der Bahn, die ihre Planungen früher als geplant einreicht.
Den Vorwurf, dem vereinbarten Fahrplan voraus gewesen zu sein, muss die Deutsche Bahn sich eher selten gefallen lassen. In Düsseldorf jedoch geschieht gerade genau das. Dort ist man im Rathaus wie bei der Bürgerinitiative Angermund verärgert darüber, dass die Bahn die Unterlagen zum Bau der RRX-Strecke in Angermund schon im Dezember eingereicht hat beim Eisenbahnbundesamt (EBA). Es sei vereinbart gewesen, dass dies erst im ersten Halbjahr dieses Jahres geschehe.
Hat die Bahn bewusst den Machtwechsel an der Stadtspitze ausgenutzt, um die Planungen für den Rhein-Ruhr-Express zwischen Düsseldorf und Duisburg schneller aufs Gleis zu setzen? Statt wie angekündigt, die Planungen für den umstrittenen Bauabschnitt in Angermund nahe der Stadtgrenze zu Duisburg im ersten Halbjahr 2021 bei der Aufsichtsbehörde einzureichen, hat die Bahn dies schon im vergangenen Dezember getan. Mitgeteilt hat die Bahn das der Stadtspitze eher beiläufig in einem Gratulationsschreiben an den neuen OB Stephan Keller. Der ist sauer: „Ein Schreiben ersetzt nicht die Herstellung einer Einvernehmlichkeit.“
„Beiläufiger Hinweis auf eine Planungsbeschleunigung“
„Ein umfangreiches Schreiben der mittleren Führungsebene der Bahn von Ende Oktober an den Oberbürgermeister ging zwei Tage nach seinem Amtsantritt im Rathaus ein und enthielt neben Gratulationen zum Dienstantritt auf der zweiten Seite beiläufig den Hinweis auf eine „Planungsbeschleunigung“, heißt es aus dem Rathaus. Dass damit vor der Einreichung der Pläne beim EBA kein Gespräch mit der neuen Stadtspitze mehr gesucht wurde, sorgt im Rathaus genauso für Stirnrunzeln wie der Umstand, dass auf Fachbereichsebene, wo die wolkige Formulierung vielleicht Nachfragen ausgelöst hätte, keine Information einging.
Die Bürgerinitiative Angermund wird in ihrer Interpretation deutlicher: Die Bahn habe „offensichtlich das temporäre Machtvakuum bei der Landeshauptstadt“ nutzen wollen. Es dränge sich die Frage auf, ob die DB Netz AG den Willen der Landeshauptstadt auf diesem Weg untergraben wolle. „Noch Anfang Dezember wurde mir in einem persönlichen Gespräch von der zuständigen RRX-Projektleiterin bestätigt, dass die Planeinreichung für Angermundnicht vor Frühjahr 2021 erfolgen wird“, so die Sprecherin der Initiative, Elke Wagner.
Bei der Bahn ist man sich keiner Schuld bewusst. Drei Jahre – von 2014 bis 2017 – habe man im Planungsprozess pausiert, Bürgerdialoge, Planungswerkstätten und einen umfangreichen Faktencheck durchgeführt und sogar einen Gutachter finanziert, der das Thema „Einhausung“ der Bahn untersucht habe. Und als Ergebnis habe man die Planung noch einmal verändert und verbessert. Der Lärmschutz werde noch einen Meter höher als zunächst angedacht, fünf statt vier Meter Wand werden beiderseits der künftig sechs Gleise errichtet. Jetzt sei man „nur“ ins offizielle Verfahren gewechselt. Bedeutet: Demnächst, wenn das EBA sie genehmigt hat, werden die Planungsunterlagen öffentlich ausliegen.
Es bleibt nur der Klageweg
Dann bliebe den Betroffenen allerdings nur der Klageweg und ein sehr kurzer Instanzenzug. So eilig man es bei der Bahn „im Sinne der Pendler*innen“ nun hatte, „den Ausbau der vielbefahrenen Strecke voranzutreiben zu können“ – man hat klugerweise die Rechtskraft des jüngsten Investitionsbeschleunigungsgesetzes abgewartet und die Unterlagen erst eine Woche danach eingereicht. Das sorgt dafür, dass nach der Offenlage der genehmigten Pläne zur Änderung direkt das Oberverwaltungsgericht bemüht werden muss – und die Klage zudem keine aufschiebende Wirkung hat.
Die Bahn ist überzeugt, nach Jahren der Debatte in Angermund mit zum Teil bizarren Gerichtsverfahren eine akzeptable Lösung gefunden zu haben. „Mit RRX und Lärmschutz wird es für die Menschen in Angermund jedenfalls deutlich leiser als jetzt“, so Michael Kolle, technischer Projektleiter des RRX-Baus von Köln bis Dortmund.
„Der Zeitpunkt der Planeinreichung wurde von der Bahn einseitig gewählt“
Doch dass man so aufs Tempo drückt, kommt überraschend für alle -- außer der Bahn. Die präsentiert auf Nachfrage einen Zeitplan von März 2019. Da ist „Planeinreichung im Jahr 2021“ vermerkt. Die Stadt Düsseldorf kontert mit einer Ratsvorlage von Januar 2020, in der festgehalten ist: „Die DB plant, den Antrag auf Einleitung des Planfeststellungsverfahrens für den PFA3.1. Kalkum - Angermund beim EBA im 1. Halbjahr 2021 einzureichen.“
Die Schlussfolgerung des neuen Oberbürgermeisters: „Der Zeitpunkt der Planeinreichung wurde von der Bahn einseitig gewählt und ist nicht mit uns abgestimmt“, so Stephan Keller (CDU). Er hat jetzt einen Brief an den Bahnvorstand auf den Weg gebracht. „Wir bedauern, dass damit der Konflikt um die bekanntermaßen noch diskutierte Frage des Lärmschutzes für Angermund ins Verfahren hereingetragen wird und dort zu Verzögerungen führen kann – zumal die Möglichkeit der Einhausung aus unserer Sicht nicht ausreichend geprüft wurde“, so Keller.
Zwischen „Alles fertig“ und „Wir planen noch mal von vorne“
Zwischen „Alles fertig“ bis „Wir fangen mit den Planungen noch einmal ganz von vorne an“ ist alles dabei: Weitgehend grünes Licht fürs Bauen hat die Bahn zwischen Köln und Düsseldorf gegeben. „Bis zur Europameisterschaft 2024 müssen wir hier fertig sein“, sagt Projektleiter Michael Kolle. Danach geht es weiter zwischen Essen und Bochum – da darf man schon, will aber noch nicht, weil parallel zu den Bauarbeiten ja auch noch die Züge irgendwie durchkommen müssen.
Neu nachgedacht wird über die Bahnhofsausfahrt Dortmund – der geplante Deutschlandtakt wirft seine Schatten voraus. Auch der Südkopf des Duisburger Hbfs wird noch einmal überplant: Man will bessere Verbindungen Richtung Wedau und Ratingen möglich machen. Erstens, um Züge während der Bauphase (u. a. in Angermund) besser umleiten zu können und zweitens im Vorgriff auf eine geplante Reaktivierung der Ratinger Weststrecke für den Personenverkehr.