Düsseldorf. Die umjubelte Kinopremiere des Dokumentarfilms „Aufstieg 2012 – Normal aufsteigen kann jeder“ über Fortuna Düsseldorf begann und endete am Freitagabend mit Aufregern: Erst sagten Fortuna-Profis ihren Besuch auf Empfehlung des Vereins kurzfristig ab, später provozierten zündelnde Premierenbesucher einen Polizeieinsatz.

Als Videoblogger Mathias Brühl Mitte Juli ankündigte, dass er seinen fünften Film über Fans der Düsseldorfer Fortuna im Kino vorführt, waren alle 740 Eintrittskarten binnen dreier Stunden verkauft. Das liegt am Thema – „Aufstieg 2012 – Normal aufsteigen kann jeder“ –,mehr noch aber an Brühls Videoblog Fortuna-Videos.de. Die Clips genießen nicht nur unter Ultras seit vielen Saisons Kultstatus, weil die Helden des Spiels darin auf den Rängen agieren, nicht auf’m Platz. Bei der Kinovorstellung von Brühls „Nie mehr Oberliga“ waren darum Ende 2011 gleich drei Säle im Cinestar Oberkassel ausverkauft. Bei der Aufstieg-2012-Premiere am Freitagabend im Savoy Theater aber blieben überraschend einige Plätze leer: die der Fortuna-Spieler und -Funktionäre, die sich angekündigt hatten.

Für den 27-jährigen Filmemacher war der kurzfristige Rückzieher der Profis „der Beweis, dass wir in der ersten Bundesliga angekommen sind“. Denn der Verein, so erklärte er es dem Premierenpublikum, habe seinen Angestellten geraten, die Vorführung nicht zu besuchen. Die Zuschauer im altehrwürdigen Savoy buhten, Brühl lächelte tapfer. Und ergänzte mit einem Augenzwinkern, dass er die brenzligsten Szenen von der Aufstiegsfeier in der Nobel-Disco Nachtresidenz doch gar nicht eingebaut habe in sein Werk...

Zeitzeuge Jens Langeneke geht verbal in die Offensive

740 Zuschauer besuchten am Freitagabend die ausverkaufte Kinopremiere von Mathias Brühls Dokumentarfilm „Aufstieg 2012 – Normal aufsteigen kann jeder“ über Fortuna Düsseldorf. Gegen Mitternacht provozierten einige Fortuna-Fans einen Polizeieinsatz vor dem Savoy Theater.
740 Zuschauer besuchten am Freitagabend die ausverkaufte Kinopremiere von Mathias Brühls Dokumentarfilm „Aufstieg 2012 – Normal aufsteigen kann jeder“ über Fortuna Düsseldorf. Gegen Mitternacht provozierten einige Fortuna-Fans einen Polizeieinsatz vor dem Savoy Theater. © Philipp Wahl | Unbekannt

Das stutzte er für die Kinoversion von 170 auf 137 Minuten.  In die Produktion investierte der Student zwei Monate Arbeit. Das Ergebnis wagt einen Spagat: Es liefert einerseits Fortuna-Videos-Fans und Ultras, was sie sehen wollen: sich selbst, und zwar singend und hüpfend, grölend und jubelnd, auf Zäune kletternd und mit dem bengalischen Feuer spielend, obendrein den rasenden  Auswärtsreporter Frederic „Freddy“ Broszat im Nahkampf mit Althauern und Szenehelden. Die Kameraaufnahmen von Brühl, Broszat, Daniel Tomas, Saskia Gehrisch, Marc Hasler, Simon und Tobias Langer – die Höhepunkte aus 50 Stunden Rohmaterial – erzählen die Geschichten der wichtigsten Saisonspiele, ohne auch nur einen Spielzug zu zeigen. Über dieses Best-of an Fangesängen und Choreografien hinaus ist „Aufstieg 2012“ aber ein echter Dokumentarfilm geworden, für den Brühl sogar die „Zeitzeugen“Norbert Meier und Vize-Kapitän Jens Langeneke interviewte.

Dem Fan gelang dabei, was Fernsehreporter kaum noch leisten können: Er kitzelte authentische Antworten aus den Profis heraus. Vor allem Langenecke läuft im Doppelpass mit Freddy Broszat zu verbaler Topform auf, schont weder Gegner (Otto Rehhagel habe die Berliner „nur nach Körpergröße“ aufgestellt, und „die Bayern kriegen von uns auf’n Arsch“) noch Teamkollegen und Fans. Nach dem verfrühten Platzsturm, so der 35-Jährige, habe er „den ein oder anderen Fan auf dem Platz beschimpft, aber ich werde mich dafür nicht entschuldigen, wie Sascha Rösler es getan hat“. Die Gags bringt er so sicher ins Ziel wie seine Elfmeter – den Zuschauern im Savoy gefiel’s. Zur Pyroshow der Ultras in Braunschweig verbrennt sich Langeneke dann vielleicht sogar den Mund („ach, mir  gefällt’s“). Das kontrollierte Abbrennen bengalischer Fackeln dort „sah schon geil aus“.

Trainer Meier wusste nach zwei Whiskey-Cola: „Da kommt noch irgendwas“

Vorzeitige Beifallsstürme der Zuschauer während der laufenden Vorstellung provoziert aber ein anderer: Radiokommentator Olli Bendt. Seinen Live-Kommentar zum „Chaosspiel“ und das Leiden des parteiischen Beobachters hinterm nutzt Brühl, um sein einstündiges Finale zu ordnen. Auch Norbert Meier durchlebt noch einmal den wohl aufregendsten Abend seiner Trainerkarriere. Der Platzsturm? „Die waren alle einfach happy. Die wollten nur ein Foto mit mir machen. … Und ich wusste selbst nicht: Hat er denn abgepfiffen?“ Nach „zwei Whiskey-Cola“ in der Nachtresidenz habe er schon gewusst: „Da kommt noch irgendwas.“ In den Minuten und Stunden nach dem Chaosspiel sind Brühl und sein Team dann auch noch näher dran an den Aufstiegshelden als alle anderen Kamerateams: in den Katakomben, in der Kabine und im Kö-Club. Wie Maximilian Beister dort mit Bengalo feiert, zeigt der Film trotzdem nicht.

Mathias Brühl bei der Premiere im Savoy Theater. Foto: Nicole Brühl
Mathias Brühl bei der Premiere im Savoy Theater. Foto: Nicole Brühl © Unbekannt | Unbekannt

„Aufstieg 2012 – Normal aufsteigen kann jeder“ liefert also mehr als einen unkonventionellen Saisonrückblick: Der Film ist ein „Sommer-, Herbst- und Frühjahrsmärchen“ von und für 95er – eine unfreiwillige, aber gelungene Milieustudie, an der alle Fußballfans Spaß haben können. Kein Fußballwunder also, dass das Heimspiel im Savoy mit Fangesängen endete. Die Zuschauer erhoben sich zum Dauerapplaus von ihren Sitzplätzen und standen statt für Dauerkarten für DVDs Schlange. Gut möglich also, dass auch der junge Filmemacher Brühl den Sprung von den Amateuren zu den Profis schafft.

Polizei musste Graf-Adolf-Straße sperren

Wie beim Chaosspiel gegen Hertha misslang einigen Fortuna-Fans auch die Nachspielzeit vor dem Savoy Theater: Einige Knallköppe  zündeten auf der Graf-Adolf-Straße bengalisches Feuer und blockierten die Fahrbahn. So provozierten sie einige Autofahrer und einen kleinen Großeinsatz der Polizei. Die rückte mit zehn Einsatzwagen an und sperrte gegen Mitternacht aus Sicherheitsgründen die Graf-Adolf-Straße.