Voerde. Der Tulpensonntagszug in Voerde fällt in Folge der Pandemie erneut aus. Anders als 2021 gibt es dieses Mal keine digitale Ersatzveranstaltung.
In sechs Wochen ist Tulpensonntag – und der ist in Voerde traditionell fest in närrischer Hand. Tausende Besucher tummeln sich am Wegesrand, wenn der Karnevalszug mit vielen Wagen, Fuß- und Musikgruppen durch die Innenstadt zieht. Normalerweise. Schon 2021 musste der Zug in Folge der Pandemie ausfallen, und auch für dieses Jahr wieder sagt der Veranstalter den jecken Lindwurm ab: Dies erklärte Martin Scholz, erster Vorsitzender des 1. Voerder Karnevalsvereins (VKV), am Donnerstag auf Anfrage der NRZ.
Aktuell wäre es der Stadt in Anbetracht der Vorgaben der Coronaschutzverordnung nicht möglich, eine Veranstaltung mit vielen Tausend Zuschauern zu genehmigen. Zwar wisse man nicht, wie die Infektionszahlen, die zurzeit erneut rasant ansteigen, in etwa sechs Wochen, zum Tulpensonntag am 27. Februar aussehen werden und wie sich die Pandemielage dann darstellt – der VKV müsse jedoch irgendwann in die konkrete Planung einsteigen, erklärt Scholz.
Martin Scholz: Teilnehmende Vereine reagieren „sehr verständnisvoll“
Spätestens jetzt würde der Verein das Wurfmaterial bestellen, die gesamte Organisation der Logistik mit Wasser- und Stromversorgung, Straßensperren etc. in die Wege leiten. Auch muss das Sicherheitskonzept an die Coronasituation angepasst werden, „die wir heute noch nicht kennen“, sagt der VKV-Vorsitzende. Müsste der Karnevalszug in dieser Vorbereitungsphase wegen der Pandemielage am Ende abgesagt werden, wären bereits „horrende Kosten“ angefallen. Mit der Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt wird dies vermieden, wie Scholz deutlich macht.
Über die Absage hat der VKV die an dem Zug teilnehmenden Karnevalsvereine aus Dinslaken und die Jecken des Männergesangsvereins (MGV) „Eintracht“ Spellen in Kenntnis gesetzt. Die Reaktionen auf die Nachricht seien sehr verständnisvoll gewesen, berichtet Scholz. Überrascht war über die Entscheidung keiner. Einer warf die Frage auf: Was wäre gewesen, wenn Voerde wegen des Karnevalszuges zum Corona-Hotspot geworden wäre – nicht auszudenken. Die Verantwortung dafür kann und will niemand übernehmen, wie der VKV-Vorsitzende betont.
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Eine Alternative zu der Präsenzveranstaltung, wie sie die Voerder und Dinslakener Karnevalsvereine im vergangenen Jahr auf die Beine gestellt haben, wird es 2022 nicht geben: Ein virtuelles Format, bei dem der „Zoch“ auf die Bildschirme der Närrinnen und Narren zu Hause „kütt“, ist diesmal „keine Option“. Die Situation sei heute eine andere als noch vor einem Jahr, als das Land im Lockdown war und die Impfungen gerade mal – und dies in einer bestimmten Reihenfolge – begonnen hatten. Der Tulpensonntag fiel im vergangenen Jahr auf den 14. Februar. „Es ging gar nichts“, erinnert Martin Scholz. Angesichts der heute anders gelagerten Situation glaubt er nicht, dass sich viele daheim an den Computer setzen würden, um ein mehrstündiges Karnevalsprogramm mitzuverfolgen. Die Menschen könnten keine virtuellen Meetings mehr ertragen. Auch hätten die Karnevalsvereine aus Voerde und Dinslaken mit dem digitalen Zug Maßstäbe gesetzt, die sie nicht wiederholen könnten, sagt Scholz.
Die zweite Alternative, den Zug wie andernorts in die wärmere Jahreszeit zu verschieben, ist für den VKV-Vorsitzenden keine. Scholz erklärt, Traditionen auch gerne aufzuweichen, wenn er sie für nicht mehr zeitgemäß hält, doch es gibt Bräuche, die gilt es seiner Ansicht nach zu bewahren: Am närrischen Kalender möchte er nicht rütteln. „Karneval ist Karneval und Aschermittwoch ist Aschermittwoch“, macht er klar. Den Zug wie in Düsseldorf auf den Frühsommer zu verlegen, das, sagt Scholz, „kommt für uns nicht in Frage“.
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Aus seiner Sicht erlebt der Voerder Karneval in diesem Jahr „seinen Tiefpunkt“. Denn „der Voerder Karneval steht für seinen Zug. Der ist etwas ganz Besonderes in der Region. Er hat eine Tradition, an der es festzuhalten gilt“. Doch schmollend in die Ecke wollen sich die Voerder Jecken auch in dieser Session nicht zurückziehen, sondern den Karneval im kleinen Rahmen der Möglichkeiten auf dem Radar halten, ihn sichtbar machen: Das Dreigestirn wird – wenn dies gewünscht ist – in der Altweiberwoche die Kitas und die unteren Klassen der Grundschulen besuchen. „Wir sind gerade dabei, die Einrichtungen abzutelefonieren, um zu fragen, ob sie das wollen“, erklärt Scholz. Es gebe erste positive Rückmeldungen.
Dem VKV-Vorsitzenden tut die Zugabsage vor allem für die Kinder leid. Auch die Seniorenheime stehen auf der Besuchsliste des Dreigestirns, das im Ornat auf Tour gehen wird. Darüber hinaus ist für den 12. Februar, 16.11 Uhr, eine ökumenische Karnevalsmesse in der Pauluskirche geplant, wie Martin Scholz ankündigt. Der VKV war mit der Idee an den Pastoralreferenten Markus Gehling herangetreten und bei ihm auf offene Ohren gestoßen. Unter welchen Bedingungen diese angesichts der Corona-Pandemie stattfinden kann, müsse noch erarbeitet werden.
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Ausfallen wird wie der Karnevalszug auch der Rathaussturm an Altweiber. Jungfrau Benny I. aus dem Dreigestirn, VKV-Damenwartin Lisa Hüsken und Pia Awater von der Karnevalsabteilung des MGV „Eintracht Spellen“ würden dennoch „dem Bürgermeister sehr gerne die Krawatte abschneiden“, sagt Scholz lachend. Dafür müsste das jecke Trio auch nicht ins Rathaus kommen – das Ganze könnte draußen stattfinden – und dafür könnte das Stadtoberhaupt auch eine Stellvertretung schicken, sollte er an diesem Tag verhindert sein. Dass von Altweiber bis einschließlich Veilchendienstag die Jecken im Voerder Rathaus das Zepter in der Hand halten, darauf sollen die am Gebäude gehissten VKV-Flaggen erinnern.