Dinslaken. Der Eigentümer des City-Hotels hat elf Geflüchtete untergebracht. Die sind dankbar und mit den Herzen aber bei ihren Familien in der Heimat.
Freitagfrüh zur Frühstückszeit im City-Hotel: Auch wenn in dem an das Hotel angegliederten Gaststättenraum gerade elf Menschen und auch ein Hund zusammensitzen und essen, ist es sehr ruhig, fast schon bedrückend still.
Als Daniel Kox-Kallipke, Besitzer der Immobilie am Bahnhof, hereinkommt, ändert sich das. Die Menschen – zehn von ihnen sind Frauen und Kinder, einer ein Mann über 60 – blicken auf, lächeln dem Hünxer zu und sagen „Guten Morgen“. Die Worte zur Begrüßung haben sie während ihrer ersten Tage schon gelernt. Vor rund einer Woche sind die Ukrainerinnen und der Ukrainer in Dinslaken angekommen, nachdem sie, wie so viele ihrer Landsleute, des Krieges wegen aus ihrer Heimat flüchten mussten.
Fragen auf Polnisch, Antworten auf Ukrainisch
„Wir kommen aus Kiew, Charkiw oder Saporischschja“, erzählt Olha (Olga) Dubinka der NRZ-Reporterin. Die hat die Frage, ob sie bereit wären etwas von sich, von ihrer Flucht und vom Ankommen hier zu berichten, auf Polnisch gestellt. Dubinka und alle anderen haben bereitwillig genickt, der Reporterin zugelächelt, einen Stuhl herbeigeschoben und ihr bedeutet sich zu setzen. „Natürlich erzählen wir etwas“, sagt die 61-Jährige auf Ukrainisch. Beide Sprachen sind slawische, sodass ein Austausch – notfalls eben mit Unterstützung der Übersetzungsapp – möglich ist.
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„Am 25. Februar habe ich mein Zuhause in Charkiw verlassen – sehr überstürzt“, erzählt Olha Dubinka. Das war einen Tag nach der von Putin initiierten Invasion auf die Ukraine. „Ich habe nur meinen Reisepass und mein Handy mitgenommen und die Kleidungsstücke, die ich gerade auch trage“, sagt sie. Ihre insgesamt fünf Tage dauernde Flucht führte sie über das im Südosten von Polen gelegene Przemyśl, weiter nach Berlin und schließlich nach Duisburg. Hier holten Helfende sie und weitere Geflüchtete, darunter auch Freundin Svetlana, ab und brachten sie nach Dinslaken.
Immer wieder laufen Tränen
Über das aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine zu sprechen, fällt allen Geflüchteten schwer, sie ringen um Worte, immer wieder laufen Tränen. „Die Nachrichten schauen wir alle nicht an, das schaffen wir nicht. Aber natürlich halten wir Kontakt in die Ukraine und bekommen es so mit. Mein Mann, mein 33-jähriger Sohn und auch mein fünf Jahre alter Enkel sind schließlich noch dort. Ich warte immer auf Kurznachrichten, in denen steht, dass es ihnen soweit gut geht, jeden Tag, ach jede Stunde oder Minute“, sagt Olha Dubinka schließlich. „Wir sind nun zwar hier in Deutschland, aber mit den Gedanken sind wir immer noch in der Ukraine.“
Dubinkas Freundin Svetlana nickt. Während des Gesprächs blickt sie immer wieder auf ihr Handy. Sie warte auf Nachrichten aus Berlin, erklärt die 67-Jährige. In der Hauptstadt seien ihre Tochter sowie die beiden Enkel aktuell noch. Der Achtjährige habe dort ins Krankenhaus gemusst, weil es ihm plötzlich sehr schlecht ging – es sei etwas mit dem Magen, das versteht die Reporterin noch, die Übersetzungsapp schlägt das Wort „Lebensmittelvergiftung“ vor. „Sie wollen auch bald nach Dinslaken kommen“, sagt Svetlana. „Ich warte nur darauf, dass endlich die Nachricht kommt, dass sie auf dem Weg sind. Damit wir wieder zusammen sind.“
Hünxer könnte und würde weitere Geflüchtete unterbringen
Daniel Kox-Kallipke hält sich während des Gesprächs im Hintergrund. Für den Geschäftsführer von GJJ Liegenschaften, einer in Hünxe ansässigen Immobilgesellschaft, die Häuser und Wohnungen aber eben auch Gaststätten oder Hotels in der Umgebung besitzt, war sofort klar: „Wir wollen helfen. Ursprünglich wollten wir, wie so viele andere auch, mit Spenden in die Grenzregion fahren. Aber dann habe ich doch gesagt: Komm, wir helfen hier vor Ort und bieten dieses Hotel als Bleibe an. So lange es gebraucht wird, egal wie lange das auch sein mag, ich schmeiße die Leute hier nicht raus!“
Die elf Geflüchteten – es waren auch schon mal 17, einige sind weiter- oder auch zurück nach Polen gereist – sind seit vergangenem Freitag hier untergebracht. Angemeldet haben Kox-Kallipke und seine Mitarbeiter – darunter auch Stefan Banecki, der aktuell als Hausmeister mehrmals täglich im Hotel nach dem Rechten schaut – sie in Dinslaken schon. Im Stadthaus, das in unmittelbarer Entfernung liegt, war das möglich. „Das lief problemlos, recht unbürokratisch“, sagt er. Der 40-Jährige wäre auch bereit weitere Geflüchtete unterzubringen – bis zu 100 Menschen könnte er theoretisch in der Umgebung eine Bleibe bieten. Er habe diesbezüglich bereits das Gespräch mit der Bürgermeisterin gesucht, da für ihn noch einige Dinge zu klären sind.
Geflüchtete können Küche und weitere Räume des Hotels nutzen
Im City-Hotel sind die Geflüchteten entweder in einem der neun Doppel- oder einem der 21 Einzelzimmer untergekommen. „Sie haben alle eigene Badezimmer und die so wohl größtmögliche Privatsphäre. Damit sie erst einmal möglichst in Ruhe ankommen können. Das ist wichtig“, sagt Kox-Kallipke. Sein Mitarbeiter Stefan Banecki teilt diesen Eindruck. Trotz der Sprachbarriere – keiner der Helfenden spricht ukrainisch oder eine andere slawische Sprache, in dringenden Fällen können sie Kontakt zu einer Krankenschwester in Duisburg aufnehmen, die übersetzen kann, verständigen sich sonst aber gut auch mit „Händen und Füßen“ – merkt auch der Helfer immer wieder, dass die Geflüchteten mit den Gedanken noch in der Heimat sind. „Ich verstehe zwar vieles nicht, aber ich bekomme es schon öfter mit, wenn die Menschen hier zusammensitzen, sich austauschen und dann auch weinen“, sagt Banecki.
Die Geflüchteten dürfen aber nicht nur die Zimmer nutzen, sondern auch den eigentlichen Restaurantbereich. Hier können die Ukrainerinnen und der Ukrainer in der großen Küche kochen und machen das auch: Sie verpflegen sich selbst – zum Mittag gibt es heute unter anderem selbst gemachten Kartoffelauflauf und Salat – und halten auch die Zimmer selbst sauber. Das sei den Geflüchteten wichtig gewesen. „Die wollen sich nicht aushalten lassen“, sagt Daniel Kox-Kallipke.
Ein Raum neben der Küche fungiert nun als Spielzimmer mit Indianertipi und mehr. Hier liegen auch Kleidungsstücke in unterschiedlichsten Größen ordentlich zusammengefaltet und sortiert. „Wir haben die benötigten Dinge nach einem Aufruf über die sozialen Netzwerke wirklich schnell zusammengehabt. Was dann noch fehlte, haben wir einfach selbst gekauft“, sagt Kox-Kallipke. Dankbar sei er unter anderem der Betreiberin der Hünxer Tagespflege „Hand in Hand“. „Elma Bjelic hat uns wirklich besonders viel mit Sachspenden unterstützt.“