Mönchengladbach/Essen. Die Mönchengladbacherin hat eine „BRCA-Mutation“. Und die Amputation ist nicht der einzige Schicksalsschlag, den sie zu verkraften hat.
Sarah Kobs ist 27. Vor drei Jahren hat sie sich beide Brüste amputieren lassen. Vorsorglich. Denn sie ist „BRCA1-Mutationsträgerin“. „Ohne die Operation läge mein Risiko, irgendwann an Brustkrebs zu erkranken, bei 90 Prozent“, erklärt die Mönchengladbacherin. Heute berät sie andere Betroffene, bei der Info-Veranstaltung „Brustkrebs – Neue Therapieansätze und vererbter Brustkrebs“ am 26. September in Essen wird sie neben anderen Experten auf dem Podium sitzen. FUNKE und die Selbsthilfegruppe „yeswecan!cer“ laden dazu ein (s. Info).
Es war das Mammakarzinom ihrer Cousine, das die Ärzte hellhörig werden ließ, erzählt Sarah Kobs. „Mit 24 ist sie an Brustkrebs erkrankt – viel zu früh.“ Ein Gentest bestätigte die vermutete Veränderung des Erbguts, eine Mutation des „Breast Cancer“-Gens BRCA. Die Cousine, zeigten weitere Tests, hat sie von ihrer Mutter, die von ihrem Vater – und der hat sie auch an seinen Sohn weitergegeben: Sarahs Vater. „Ich war das letzte Glied in der Kette. Es dauerte fast ein Jahr, bis das Ergebnis meines Gentests vorlag“, erinnert sich die junge Frau.
„Ich hatte Angst zu sterben“
Am 31. Mai 2021, einem sonnigen Montag in der Corona-Hochphase, informierte eine Ärztin des Kölner Klinikums sie telefonisch: „Wir haben auch bei Ihnen die BRCA-Mutation gefunden“. Für die Studentin stand die Welt plötzlich still.
Hallo Doc: Brustkrebs-Forum
Am kommenden Donnerstag, 26. September, 17 bis 20 Uhr, laden die FUNKE-Mediengruppe und die Online-Selbsthilfeorganisation „yeswecan!cer“ zu einer neuen (hybriden) Folge der „Hallo Doc“-Reihe ein. Es geht um Austausch und Aufklärung. Der Titel der Veranstaltung lautet: „Brustkrebs – neue Therapieansätze und vererbter Brustkrebs“. Durch die Veranstaltung führt die TV-Moderatorin Tanja Bülter. Auf dem Podium sitzen:
- Prof. Sherko Kümmel, Direktor des Brustzentrums der Kliniken Essen-Mitte (KEM);
- Prof. Juliane Hörner-Rieber, Direktorin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Uniklinikum Düsseldorf;
- Ilka Meißner, Betroffene und „Onko-Lotsin“ an den KEM;
- Hanna Ermakov, Patientin aus Düsseldorf
- Sarah Kobs vom BRAC-Netzwerk
Neben kurzen Vorträgen des Experten und der Expertinnen wird es viel Raum für Fragen und Antworten geben. Die Veranstaltung kann vor Ort, im Essener Funke Media Office, oder als Livestream oder über die YES!APP verfolgt werden. Fragen können zudem bereits vorab gestellt werden, an: hallodoc@yeswecan-cer.org. Die Teilnahme ist kostenlos. Anmeldungen sind möglich telefonisch unter der Nummer 0152 126 89 355 oder online über „Eventbrite“.
Das BRCA-Gen zählt zur Gruppe der Tumorsuppressor-Gene. Es hilft eigentlich zu verhindern, dass sich bösartige Zellen ausbreiten können. Die Veränderung des Gens stört diese Reparatur-Funktion und erhöht so das Erkrankungsrisiko – insbesondere für Brust- und Eierstockkrebs. Laut Krebsinformationszentrum weist eine von 20 Mammakarzinom-Patientinnen eine BRCA-Mutation auf (auch Männer können im übrigen betroffen sein). Im Schnitt – das Risiko wird allerdings individuell berechnet – erkranken 70 Prozent der Betroffenen an Brust- und 45 Prozent an Eierstockkrebs. Und sie erkranken in der Regel 20 Jahre früher als andere, die Verläufe sind oft deutlich aggressiver.
„Ich hatte Angst zu sterben, Angst, meine Brüste zu verlieren, Angst, nie mehr unbeschwert sein zu können“, erinnert sich Sarah Kobs, die damals nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau gerade ihr Medien- und Kommunikationsmanagement-Studium begonnen hatte. „Ich war wie im Schock.“
„Wir haben uns gesagt: Wir schaffen das, gemeinsam“
Ihr Freund Holger habe die Nachricht zunächst gar nicht fassen können. „So jung, hat er immer wieder gesagt, sollte man solche Probleme nicht haben.“ Er werde sie unterstützen, versprach er aber sofort. Egal, ob sie sich für oder gegen die Amputation entscheiden werde. Holger und sie hätten an jenem Nachmittag sehr viel zusammen geweint, sagt Sarah Kobs. „Aber dann haben wir gesagt: Wir schaffen das gemeinsam.“
Als sich zehn Tage später noch herausstellte, dass der kleine Knoten, der gleich beim ersten MRT nach der Mutations-Diagnose in ihrer rechten Brust gefunden worden war, entgegen aller Erwartung gutartig war, sagte sich das Paar erleichtert: „Das Leben geht doch weiter“.
Zwei Tage später war Holger tot. „Er fiel einfach so in der Bahn um“, erzählt Sarah Kobs, und die Tränen treten ihr in die Augen. „Plötzlicher Herztod, wir hatten keine Ahnung.“
„Ich habe getrauert um meine Brüste“
Am 6. Dezember 2021, am Nikolaustag, lag sie dennoch auf dem OP-Tisch, ließ sich beide Brüste entfernen. „Die Entscheidung dafür ist dann relativ schnell gefallen“, sagt sie. Obwohl ihr ihre Brüste immer wichtig gewesen seien. Ihr Leben sei ihr wichtiger. Sie verstehe aber, dass sich andere betroffene Frauen anders entscheiden, lieber auf eine intensivierte Vorsorge setzen – was die Alternative zur Amputation gewesen wäre. Auch sie habe getrauert um ihre verlorenen Brüste.
Die Mastektomie genannte, vierstündige Operation verlief komplikationslos. Die Ärzte setzten der Patientin im selben Eingriff schon die Implantate zum Brustaufbau ein. Das Ergebnis überraschte Sarah Kobs, positiv. Die Narben, seitlich der Brüste, seien kaum zu sehen, die Brustwarzen noch immer die alten. „Optisch fast ein kleines Upgrade“, tröstet sie sich heute, „meine Attrappen sind schön.“
Entzündung – dann der Austausch des Implantats
Nach fünf Tagen durfte die junge Frau die Klinik verlassen – anfangs schimmerten ihre Brüste da noch „in allen Regenbogenfarben“. Doch die Hämatome verschwanden – genau wie das anfängliche Fremdkörpergefühl. „Heute“, sagt die 27-Jährige, „fühlen sie sich ganz normal an. Meine Entscheidung habe ich nie bereut.“ Ab sie wird nie stillen können und als erogene Zone taugen ihre Brüste nun nicht mehr. „Das Gefühl ist total weg“, räumt Kobs ein. „Das ist der Preis, den ich zahlen musste und den ich bereit war zu zahlen.“
Es gab Rückschläge, eine schwere Entzündung in der Brust, in deren Folge ein Implantat sogar ausgetauscht werden musste. Und ob sie Kinder haben will oder nicht, ob sie ihre Eierstöcke ebenfalls entfernen lassen wird – all das hat die 27-Jährige noch nicht entschieden. Doch „unterm Strich“ bucht sie das Erlebte heute tatsächlich als „positive Erfahrung“ ab. Sie sei achtsamer geworden, genieße intensiver, schätze es mehr als zuvor, gesund zu sein. „Mutationsträgerin zu sein, ist kein Weltuntergang“, versichert sie.
Inspiriert durch Angelina Jolie
Diese Erkenntnis ist ihr so wichtig, dass sie sie an andere weitergeben will. Neben ihrem neuen Job als Leiterin des Online-Marketing-Bereichs einer Kölner Kommunikationsagentur, engagiert sie sich deshalb im BRCA-Netzwerk, moderiert Online-Gesprächskreise zum Thema und einen Podcast „Familiensache Krebs“, auch ein Buch („Zwischen DNA und Schicksal“, erhältlich bei Amazon) hat sie geschrieben. Als „yeswecan!cer“ sie um Teilnahme am Krebs-Forum in Essen bat, sagte sie sofort zu. „Ich nehme alle Möglichkeiten wahr, Awareness zu schaffen“, erklärt die 27-Jährige. „Nicht, um jemanden zu irgendetwas zu drängen. Sondern, um zu informieren und Mut zu machen.“
Inspiriert habe sie dazu womöglich Angelina Jolie. Die amerikanische Schauspielerin machte schon 2013 öffentlich, dass sie Trägerin des veränderten BRCA1-Gens sei und sich deswegen prophylaktisch die Brüste habe abnehmen lassen. Ihr Artikel in der New York Times fand weltweit Beachtung. Das BRCA1-Gen kennen manche heute nur als „Angelina-Jolie-Gen“.
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