Duisburg. Auf erblich bedingte Tumor-Erkrankungen ist Prof. Dr. Gabriele Möslein spezialisiert. Auch für Auto-Immunerkrankungen bietet sie Lösungen an.

Menschen mit Krebserkrankungen in der Familie haben ein deutlich höheres Risiko, selbst an Krebs zu erkranken. Deshalb wirbt Prof. Dr. Gabriela Möslein für mehr genetische Prävention. „Leider testen wir noch nicht einmal alle, die früh an Krebs erkranken“, sagt die Leiterin des Zentrums für Hereditäre Tumore (ZHT) am Bethesda-Krankenhaus in Duisburg-Hochfeld.

Duisburger Chirurgin: Zu selten Gentest vor der Krebs-Operation

Die renommierte Chirurgin gilt als führende Expertin für erblich bedingte Tumorerkrankungen. Spezialisiert ist das ZHT auch auf chirurgische Lösungen für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa.

„Es sind die gleichen Operationen“, sagt Möslein über die Entfernung des Dickdarms, die auch bei Darmkrebs erfolgt. Bei der sogenannten Kock-Pouch-Operation formt die Chirurgin aus dem Ende des Dünndarms eine Tasche und schafft einen kontinenten künstlichen Darmausgang, der den Patienten das Tragen eines Beutels erspart.

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Bei deutlich weniger Patienten wären solche Organ-Entfernungen notwendig, wenn es einen genetischen Gesundheitstest gäbe, sagt Gabriele Möslein. „Wir erwischen die meisten nicht vor ihrer Krebsdiagnose. Das heißt, wir warten auf den Krebs.“

Wer unter 50 Jahren an Krebs erkrankt, sollte immer getestet werden

Dessen Ursache sei stets eine Mischung aus Veranlagung und äußeren Einflüssen (Umwelt, Ernährung, mangelnde Bewegung). „Bei Darmkrebs zum Beispiel gibt es in bis zu 20 Prozent der Fälle eine erblich relevante, veränderte genetische Grundlage.“

Jeder, der unter 50 Jahren an Krebs erkrankt, sollte auf eine erbliche Veranlagung getestet werden, wünscht sich die Medizinerin. Denn dann sei das Risiko besonders groß, erneut zu erkranken. „Es gibt ein bestimmtes Muster für genetische Veränderungen, vor allem bei Patienten, die mehrfach erkranken.“

Es geht ihr dabei zunächst um die Betroffenen selbst: „Wenn eine Frau mit Anfang 40 an Darmkrebs erkrankt, ist es möglicherweise sinnvoll, sich bei Operation von der Gebärmutter zu trennen wegen des hohen Risikos, das man nicht mit Vorsorge mindern kann.“ Um zu entscheiden, müsse der Gentest vor der OP stattfinden: „Das geschieht leider viel zu selten.“

Wissen um genetisches Risiko hilft Kindern von Tumor-Patienten

Auch für Kinder von Krebskranken sei das Wissen um ein genetisch bedingtes Risiko wichtig. „Sie können sich testen lassen, aktiv etwas tun, um Krebs zu vermeiden und rechtzeitig zu erkennen.“ Der Test, betont die Ärztin, könne den Krebs zwar nicht verhindern, ermögliche es aber, die Wahrscheinlichkeit zu senken.

Immer sei Aufklärung und eine gute Beratung wichtig: zu den möglichen Folgen einer genetischen Veränderung, zur medizinischen Strategie und vorbeugendem Verhalten des Patienten. „Es kommt auf den Gen-Fehler und das Organ an“, erläutert Gabriele Möslein, „die Auswirkungen sind sehr verschieden“. Auch gebe es Menschen, „die möchten lieber nichts von ihrem Risiko wissen.“

Bei Darmkrebs etwa könne die Entfernung der Polypen, eine Vorstufe, wirksam sein. Bei Schilddrüsen-Krebs führe der betreffende Gen-Fehler unweigerlich zu Krebs. „Deshalb wird in diesem Fall das Organ vorsorglich entfernt.“ Bei erblichen Krebserkrankungen gebe es einen Fehler in jeder Körperzelle, der sich unterschiedlich auswirken könne. „Deshalb sollte auch ein Mann mit vielen Brustkrebs-Fällen in der Familie hellhörig werden.“

Vorsorge: Auf der Magnetresonanz-(MR)-Mammographie ist ein winziger Tumor in der Brust einer Patientin zu sehen. Prof. Dr. Gabriele Möslein wirbt für moderne Gentests, um das Krebsrisiko von Patienten besser einschätzen zu können und Tumor-Bildungen durch Vorsorge möglichst früh zu erkennen.
Vorsorge: Auf der Magnetresonanz-(MR)-Mammographie ist ein winziger Tumor in der Brust einer Patientin zu sehen. Prof. Dr. Gabriele Möslein wirbt für moderne Gentests, um das Krebsrisiko von Patienten besser einschätzen zu können und Tumor-Bildungen durch Vorsorge möglichst früh zu erkennen. © picture alliance / dpa | Jan-Peter Kasper

Zu wenig Bewusstsein bei Ärzten, keine Beratungsstruktur

Warum werden nur so wenige Patienten getestet? „Die Genetische Prävention ist eine neue Medizin“, sagt Dr. Gabriele Möslein, „die Bedeutung sickert bei Chirurgen, Urologen und Gynäkologen nur langsam durch.“ Es sei aber nicht der Test allein: Es gibt keine Beratungsstruktur. Wir haben wenige genetischen Berater, nur Genetiker. Die haben aber kein Interesse, das Thema in die Breite zu tragen.“

Letztlich stünden auch das deutsche Gendiagnostik-Gesetz und das Abrechnungssystem einer breiteren Testung von Risiko-Patienten entgegen. Der Test müsse ärztlich verordnet werden, „aber das Abrechnungssystem ist so gestrickt, dass es meistens nur über die Genetik möglich ist“, erläutert Gabriele Möslein.

Patienten müssen hohe Gentest-Kosten häufig selbst tragen

Die Folge: In den meisten Fällen müssen die Patienten die in Deutschland besonders hohen Laborkosten von rund 3000 Euro selbst tragen. „In den USA bekommen sie einen Test gleicher Qualität für weniger als 200 Euro.“

Mit langfristigem Blick auf die Kosten sei das nur schwer nachvollziehbar. Schließlich sei rechtzeitige Vorsorge deutlich günstiger, als schwerkranke Krebspatienten zu operieren. „Aber wir sind leider auch im EU-Vergleich in Deutschland in der Genetik besonders kompliziert aufgestellt“, bedauert Prof. Dr. Gabriele Möslein.

>> VERSTÄRKUNG FÜR DAS TURMOR-ZENTRUM IM BETHESDA

  • Das Zentrum für Hereditäre Tumore (ZHT) ist Teil des Onkologischen Zentrums am Bethesda Krankenhaus in Hochfeld, das auf die Behandlung von Krebspatienten spezialisiert ist.
  • ZHT-Leiterin Prof. Dr. Gabriele Möslein freut sich jetzt über Verstärkung für ihr Fachgebiet: Mit Indra Özelli ist eine erfahrene Operateurin aus dem chirurgischen Team der Hochfelder Klinik als Oberärztin ins ZHT gewechselt.
  • Mit Rozan Marjiyeh, die nach ihrer Facharzt-Ausbildung in Israel zunächst für ein Jahr am Bethesda arbeitet, ist eine weitere Chirurgin zum Team gestoßen.

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