Berlin. Eine frühe Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen ist extrem wichtig. Eine Expertin erklärt neue Möglichkeiten der Therapie.

  • Über 300.000 Menschen in Deutschland sind von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa betroffen; moderne Lebensgewohnheiten könnten zur Zunahme der Erkrankungen beitragen
  • Neue Therapieansätze, darunter monoklonale Antikörper und Januskinase-Inhibitoren (JAK), bieten verbesserte Behandlungsmöglichkeiten für CED
  • Die Auswahl des richtigen Medikaments für CED-Patienten erfordert eine individuelle Betrachtung, da es derzeit keine Biomarker gibt, die eine spezifische Medikamentenwahl vorhersagen können

Mehr als 300.000 Menschen in Deutschland leiden an chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), die meisten davon an Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Die Therapieoptionen haben sich in den vergangenen Jahren extrem verbessert. Eine frühzeitige Behandlung bleibt dennoch extrem wichtig.

„Wir gehen davon aus, dass unsere moderne Lebensweise, hochprozessierte Lebensmittel etwa, Stress oder auch die häufige Einnahme von Antibiotika in der Kindheit dafür verantwortlich sind, dass die Zahl der CED-Erkrankungen zunimmt“, sagt Elena Sonnenberg, Oberärztin der Klinik für Gastroenterologie der Berliner Charité. Sie spricht von einem komplexen Zusammenspiel, bei dem sich viele Faktoren addierten.

„Weil Kortison in der Dauertherapie viele Nebenwirkungen hat, setzen wir langfristig auf Alternativen. Und davon haben wir sehr gute“, erklärt Sonnenberg weiter. Seit Beginn der 2000er-Jahre und noch einmal mehr in den vergangenen sechs Jahren seien eine ganze Reihe neuer Substanzen für die Behandlung von CED zugelassen worden.

Morbus Crohn: Antikörper wirken gegen Botenstoffe

Monoklonale Antikörper zum Beispiel, die als Infusion oder Spritze gezielt gegen Immunbotenstoffe oder deren Rezeptoren wirken, könnten das Entzündungsgeschehen durchbrechen. Darüber hinaus gebe es die Wirkstoffe aus der noch jungen Substanzgruppe der Januskinase-Inhibitoren, kurz JAK.

Diese werden in Tablettenform eingenommen und blockieren wichtige Signalwege des menschlichen Abwehrsystems, was die Entzündung ebenfalls eindämmen könne. Zugelassen seien JAK derzeit für mittelschwere und schwere Verläufe, die nur unzureichend mit konventionellen Mitteln behandelt werden können.

Ebenfalls vielversprechend nennt Sonnenberg die sogenannten S1P-Rezeptor-Modulatoren. Diese greifen im Lymphknoten an, blockieren die Lymphozyten und hindern sie daran in die Darmwand einzuwandern, um dort Entzündungsprozesse auszulösen. „Alle diese Wirkstoffe sollten möglichst früh im Krankheitsverlauf zum Einsatz kommen“, sagt Sonnenberg.

Langanhaltende Krämpfe und Durchfälle sind zwei von mehreren Symptomen einer entzündlichen Darmerkrankung.
Langanhaltende Krämpfe und Durchfälle sind zwei von mehreren Symptomen einer entzündlichen Darmerkrankung. © Shutterstock / Yavdat | yavdat

Umbauprozesse im Darm schnell aufhalten

Grund dafür sind die Veränderungen im Darm, die bei Entzündungen schnell beginnen. Gerade bei Morbus Crohn gebe es schnell narbige Umbauprozesse. „Je früher wir eingreifen, desto besser können wir diese aufhalten und die Patienten dauerhaft gut in Remission bringen.“ Remission bedeutet, dass ein Patient – üblicherweise mit der Hilfe von Medikamenten – aus dem Entzündungsschub in eine entzündungsfreie Situation gebracht wird.

Eine Priorisierung der neuen Wirkstoffe ist der Expertin zufolge aber aktuell weder möglich noch sinnvoll. „Es gibt leider noch keine Biomarker, anhand derer man vorhersagen könnte, welches Medikament für welchen Patienten geeignet ist. Da kommen wir nicht so recht weiter“, sagt Sonnenberg. Die Entscheidung für oder gegen einen der Wirkstoffe müsse deshalb stets individuell getroffen werden – anhand einer Vielzahl von Kriterien, dem Alter beispielsweise, der Schwere der Krankheit oder weiterer Vorerkrankungen.