Essen. Rival Sons klingen auf ihrem neuen Album „Darkfighter“ anders, aber immer noch nach Rock’n’Roll. Woran das liegt, erklärt Jay Buchanan persönlich.
Mit ihrem Retro-Rock, der an Ikonen wie Led Zeppelin erinnert, haben sich Rival Sons schon vor Jahren eine treue Fangemeinde erspielt, wachsen allerdings auch nur langsam darüber hinaus. Das sechste, Grammy nominierte Studioalbum „Feral Roots“ landete endlich in den Top-Ten der deutschen Albumcharts. Rock’n’Roll liefern die Kalifornier auch auf ihrer neuen Platte „Darkfighter“, die am 2. Juni erscheint. Warum das kaum noch an Zeppelin erinnert, wie es ist als Papa auf Tour zu gehen und warum er sich selbst nur schwer in der Rolle des Rockstars wiederfindet, erzählte Sänger Jay Buchanan im Interview mit Maxi Strauch.
Das neue Album erscheint am 2. Juni. Ist man nach sechs Platten überhaupt noch aufgeregt?
Jay Buchanan: Nein, aufgeregt bin ich nicht. Ich freue mich einfach wirklich, diese Platte zu veröffentlichen, dass die Songs draußen sind und wir sie spielen können. Wir waren gerade in den USA unterwegs und konnten viel vom neuen Material spielen. Es fühlt sich an, als wenn frisches Blut durch deine Adern fließt. Diese neuen Statements zu haben, neue Dinge zu erzählen und neue Geschichten zu teilen – das macht mich wirklich happy.
Wie haben die Fans auf die neuen Songs reagiert?
Es scheint jedem zu gefallen (lacht). Die Fans drehen immer durch. Ich verstehe, dass manche Leute zu einer Show kommen und einfach nur die alten, bekannten Lieder hören wollen. Aber ich muss neues Material spielen. Ich muss neue Songs schreiben und sie auch spielen.
Aber Rival Sons haben bereits ein beachtliches Repertoire …
Ich liebe all diese Songs. Aber ich bin ein Künstler, der ein Performer geworden ist. Nicht andersherum. Ich performe, weil es eine Notwendigkeit geworden ist, die Kunst zu leben und neue Wege zu erkunden, neue Orte zu entdecken. Musikalisch gesehen. Das kommt alles an erster Stelle. Erst danach steht die Unterhaltung.
Es ist ein waschechtes Rival-Sons-Album geworden, aber es klingt trotzdem anders als seine Vorgänger. Was ist passiert?
„Darkfighter“ ist sicherlich ein Produkt seiner Zeit. Ich denke, dass das Album ein Produkt von Dingen ist, die ich persönlich während der Pandemie erlebt habe. Wir haben ein paar Jahre erlebt, die anders waren als alles, was wir vorher erlebt hatten. Deshalb hat die Musik natürlich einen anderen Sound, das Schreiben ging von einem anderen Ort aus, weil unser Leben ein bisschen auf den Kopf gestellt wurde und es ist viel passiert.
Welchen Einfluss hatte das auf die neue Musik?
Das ist jetzt unsere achte Platte – ich zähle die EPs mit, deshalb acht – und Rival Sons versuchen immer, ehrliche Musik zu machen, authentisch zu sein. Aber wir machen das jetzt schon ungefähr 13 Jahre und ich habe den starken Wunsch verspürt, unsere eigenen Grenzen zu überschreiten, sie kreativ und künstlerisch zu verschieben. Das heißt nicht, dass „Darkfighter“ eine Neuerfindung ist, das ist es sicherlich nicht. Wir haben die Grenzen innerhalb unseres Vokabulars ausgereizt.
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Ging es Ihnen langsam auf die Nerven, ständig mit Rockbands wie Led Zeppelin verglichen zu werden? Wollten Sie daraus ausbrechen?
Das ging uns vor allem anfänglich so. Das war bei den ersten paar Platten eine korrekte Einschätzung. Wir mussten damals unsere Stimmen und unseren eigenen Stil noch herausarbeiten und entwickeln. Aber wir wollten unsere musikalischen Helden auf diese Weise reproduzieren. Und Led Zeppelin sind eine der größten Rockbands aller Zeiten. Aber wir haben von all unseren Helden abgekupfert. Aber das ist es, was Bands eben tun.
Ach ja?
Das haben schon die Stones, Zeppelin und The Kinks gemacht. Led Zeppelin hat vielleicht ein bisschen mehr als andere geklaut (lacht). Das haben wir eben früher auch gemacht. Daraus haben wir versucht mehr und mehr herauszustechen, unseren eigenen Stil durchzusetzen. Und mit „Darkfighter“ haben wir uns von unserer Vergangenheit getrennt, um etwas Neues zu schaffen, einen neuen Weg zu finden.
Sie haben für Herbst noch ein Album angekündigt: „Lightbringer“. Beide gehören offensichtlich zusammen, was hat es damit auf sich?
Als wir uns ans Album gesetzt haben, hatten wir nicht geplant, dass es zwei Platten geben würde. Wir haben also Musik kreiert und geschrieben, bis wir das Gefühl hatten, fertig zu sein. Wir haben uns dann die Liste der Songs angeschaut und es war irgendwie nicht richtig, es fühlte sich zu schwermütig an. Wir haben dann überlegt und gesagt: Wir teilen die Songs auf zwei Alben auf, veröffentlichen sie aber nicht gleichzeitig. So hat man jetzt diese Erholungsphase. Wenn man „Darkfighter“ verdaut hat, kommt „Lightbringer“. Das Album liefert Kontext.
Inwiefern?
Es klingt vielleicht seltsam, aber selbst der Anfangstrack von „Lightbringer“ ergibt Sinn und hilft dabei, „Darkfighter“ besser einzusortieren. Zu entscheiden, mit welchen Songs wir weitermachen, war eine ziemlich offensichtliche Aufgabe. Es ist einfach so passiert. Und jetzt ergänzen sich die beiden Platten.
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Wie war es, ein bzw. zwei Alben während der Pandemie zu machen?
Geschrieben haben wir die meiste Zeit aus der Ferne, weil wir ja alle voneinander getrennt bleiben mussten. Ich lebte zu der Zeit in Tennessee und Scott (Holiday, Anm. d. Red.) lebte in Südkalifornien, also mussten wir aus der Ferne zusammenarbeiten. Da war dieses Gefühl, wirklich sehr tief graben zu wollen. Es gibt auf jeder Platte immer ein paar Tracks, bei denen ich wirklich versuche, mich intensiv mit mir selbst zu beschäftigen. Aber die Pandemie hat gerade hier in den Vereinigten Staaten so viele Probleme aufgeworfen.
Woran denken Sie?
Es gab so viele Leute, die keine Maske tragen wollten, sich nichts vorschreiben lassen wollten. Die Isolation, die damit einhergehenden Unruhen. Menschen haben ihre Jobs verloren. Auch wir Musiker hatten kaum bis keine Einnahmen. Theater-, Kunst- und Kulturgemeinschaften erlitten einen Sturzflug. Und dann haben wir den brutalen Mord an George Floyd, wodurch sich diese längst überfällige soziale Bewegung „Black Lives Matter“ entwickelte. Dann Unruhen, provoziert durch diese extrem konservativen Rechte. Die Gesellschaft spaltet sich immer wieder und immer weiter. Dann war auch noch Wahljahr und es gab diesen unsäglichen Aufstand in der Hauptstadt und all diese Dinge. Verschwörungstheorien ... Du telefonierst mit der Familie und sie fangen an, über all diese seltsamen Dinge zu reden. Ich hatte einfach mittendrin diesen starken Wunsch, so tief wie möglich zu gehen und nach meiner Identität zu suchen, weil alles andere so chaotisch war. Deshalb gibt es zum Beispiel Tracks wie „Bird In The Hand“, „Darkside“ und „Rapture“. Das sind Songs über Identität.
Aber mal etwas Positives: Sie sind während der Pandemie wieder Vater geworden. Hatten Sie dadurch auch mehr Zeit Vater zu sein?
Und das ist es halt: 2020 war schwierig, ‘21 wohl noch mehr. Aber es war eben auch fantastisch. Meine Frau und ich wussten im Februar 2020, dass wir noch ein Kind bekommen würden. Das war großartig. Aber ich musste auch zurück auf Tour, das war klar. Dann brach die Pandemie aus. Und wir dachten, okay, es wird alles gut, wir verschieben die Tour. Aber auch die nächste musste gecancelt werden. Meine Frau und meine Familie kannten mich so gar nicht. Sie kannten nur den Kerl, der ein halbes Jahr zuhause bleibt. Aber es war fantastisch während ihrer Schwangerschaft jeden Tag da zu sein, sich um sie zu kümmern. Ich war die ganze Zeit da, auch als unser Sohn geboren wurde. Und dann durfte ich das ganze nächste Jahr lang bei meiner Familie sein.
Ist es nach so einer Zeit noch schwieriger, wieder auf Tour zu gehen?
Es ist schwieriger. Weil ich jetzt weiß, wie es sich anfühlt, jeden Tag zu Hause bei meiner Familie zu sein, und ich liebe es. Ich liebe es aber auch zu touren und aufzutreten. Ich liebe beides sehr.
Wie bekommt man das Rockstar- und Vater-Dasein unter einen Hut?
Ich bin sehr jung Vater geworden, zum ersten Mal mit 22. Also war ich irgendwie schon immer Vater, auch, als alle meine Freunde noch keine Kinder hatten. Ich konnte nicht einfach groß ausgehen. Ich glaube, meine wilden Jahre sind etwas verkümmert wegen der ganzen Verantwortung. Wobei ein paar wilde Jahre hatte ich bestimmt schon (lacht). Rockstar und Vater sein, ich sehe da keinen Unterschied. Ich bin ein Künstler! Ich bin auf der Bühne und mache mein Ding, aber allein die Idee, dass ich ein Rockstar sein könnte, erscheint mir total verrückt.
Wieso das?
Das ist etwas, das andere Leute tun. Wenn ich an Rockstars denke, dann denke ich an viele, die wie selbstsüchtige, hedonistische Idioten wirken. Ich denke, ich habe nicht viel gemeinsam mit diesen Typen. Aber ich verstehe es, ich bin eben auch auf der Bühne. Ich bin ein Sänger und ich ziehe mich gerne cool an und mache mein Ding. (lacht) Aber wenn ich an diese Bezeichnung „Rockstar“ denke, denke ich auch gleichzeitig: Echt jetzt? Aber wenn ich mit meinen Kindern, Freunden oder meinen Eltern rede, sagen sie: „Oh ja, du bist ein f***ing Rockstar.“ (lacht)
Wenn Sie kein Musiker geworden wären, was wäre wohl aus Ihnen geworden?
Diese Frage wurde mir schon ein paar Mal gestellt, aber ich finde es schwer, sie zu beantworten. Es ist schwierig für mich, mich von der Musik getrennt zu betrachten. Musik war schon immer ein wichtiger Teil von mir, schon seitdem ich ein Kind war. Daher würde ich nicht auf die Idee kommen, ein Leben ohne zu führen. Ich glaube nicht, dass ich auch nur annähernd so sein würde wie ich jetzt bin. Aber um die Frage spaßeshalber zu beantworten: Ich wäre wahrscheinlich Maler. Ich würde Kunst machen. Ich hätte ja immer noch diesen Geist.
Ist es wahr, dass Sie in einer Punkband angefangen haben?
Oh, da war ich ein Teenager, ungefähr 13 Jahre alt. Aber Punk war nichts für mich. Ich mag Melodien, und es gibt zwar melodischen Punk … Aber es hat einfach nicht gepasst. Ich versuche Songs zu schreiben, die das sind, was ich hören möchte. Ich habe ein paar Nebenprojekte, in die ich viel Zeit investiere, aber ich versuche, Musik zu machen, die meine Wünsche widerspiegelt. Und Punk war einfach eines dieser Dinge, die ich als junger Teenager kennengelernt habe, Skateboards und Snowboarden, und alle meine Freunde mochten Punkmusik. Punk war nie meine wirkliche Identität. Es war etwas, was ich tat, weil es das war, was meine Freunde taten. Es hat nicht sehr lange gehalten.
Offensichtlich. Aber Punk- und Rockmusik teilen das gleiche Schicksal. Sie sind nicht (mehr) sehr populär. Die große Frage: Woran liegst? Ist Rockmusik irrelevant geworden?
Hip-Hop regiert die Welt, da gibt es keinen Zweifel und ich denke, dass es auch verdient ist, denn Hip-Hop ist sehr, sehr innovativ. Überall tauchen neue Stile auf, überall gibt es neue Trends und so überlebt man eben. Rockmusik hat etwas Nostalgisches, sie wird mit einer ganz bestimmten Zeit assoziiert, es ist Vergangenheit. Led Zeppelin, Black Sabbath, die Rolling Stones, Aerosmith … Das waren alles vor langer Zeit mal junge Männer.
Fällt Ihnen keine zeitgenössische Band ein?
Queens of the Stone Age zum Beispiel pushen sich immer selbst. Das ist eine großartige Band, die ihr Soundmaterial selber schreibt. Jack Whites Ansatz, als er mit den White Stripes um die Ecke kam, war innovativ. Das ist eine Innovation im Genre. Wenn du aber Bands aus der aktiven Rockszene hast, und ich möchte keine Namen nennen, die immer wieder das Gleiche machen, wenn es da keine Innovation gibt, dann fällt es den Leuten leicht, dem ganzen Genre überdrüssig zu werden. Wenn ich mir Rockmusik angucke und dann die Charts, da sind eine ganze Menge Bands drin, die ich für schrecklich halte. Ich finde die Musik nicht besonders gut, damit kann ich mich nicht identifizieren. Ich höre viele Rockstars, aber ich höre keine Rockmusik. Ergibt das Sinn?
In jedem Fall. Wie sieht die Zukunft der Band aus?
Wir werden noch mehr Songs machen. Wir werden diese beiden Platten veröffentlichen und auf Tour gehen. Wir werden im Oktober und November durch Europa touren. Und wir kommen 2024 wieder und gehen mit beiden Platten auf Tour. Du wirst eine Menge von uns sehen in nächster Zeit.
>>> Info:
Rival Sons - The Darkfighter Tour, 10.11. Köln (Kantine). Tickets ab ca. 46 €.