Essen. Das neue Album „Ride“ von Singer-Songwriter Nico Santos hat keinen roten Faden. Im Interview verrät er den Grund dafür.

Der Terminplan von Nico Santos („Rooftop“) ist gut gefüllt. Am gestrigen Freitag ist das neue Album des Bremers erschienen. Außerdem steht die „Ride“-Sommertour in den Startlöchern und auch für nächstes Jahr gibt es schon Pläne. Mit Kirsten Gnoth sprach der 30-jährige Singer-Songwriter darüber, wie er bei all dem Stress mit seiner Work-Life-Balance zurecht kommt. Außerdem gibt er Einblicke hinter die Kulissen von der neuesten Staffel „Sing meinen Song“.

Ihr neues Album trägt den Titel ­„Ride“. Was war Ihr bisher wildester Ritt?

Nico Santos: Das ist eine gute Frage. Ich glaube generell das Leben an sich. Ich hatte als Kind den Wunschgedanken Sänger zu werden und den habe ich erfüllt. Die letzten sechs Jahre meines Lebens hätte ich mir nie so erträumen können. Aber ich freue mich auch, endlich eine Balance zwischen Arbeit und Privatleben gefunden zu haben.

War das nicht immer so einfach?

Definitiv nicht. Die ersten Jahre konnte ich nur sehr schwer „Nein“ sagen. Dadurch hat das Private gelitten – sei es Freundschaft, Beziehungen, Familie. Aber mittlerweile pendelt sich das immer besser ein.

Klappt es nun auch mit dem „Nein“?

Ja, man muss einfach gucken, was gerade Priorität hat. Wenn man einen Musiker zum Freund hat, ist das nicht immer einfach für andere. Manchmal antworte ich ein paar Tage nicht oder bin mal unzuverlässig. Ich probiere immer so gut es geht für alle da zu sein und natürlich auch für mich selbst.

Eine Priorität dürfte das neue Album gewesen sein. Ihre letzte Platte landete auf Platz drei der Charts. War bei „Ride“ nun ein gewisser Druck da?

Tatsächlich gar nicht. Je mehr man drin ist und je länger man Musik macht, desto mehr vertraut man auf sich selbst. Das, was ich mache, muss in erster Linie mir selbst gefallen – und natürlich auch meinen Fans. Aber ich muss dazu einen Bezug haben und mich mit meiner Musik wohlfühlen. Das Album hat auch keinen roten Faden. Ich wollte das machen, worauf ich Lust hatte, und war eher spielerisch unterwegs.

Nico Santos arbeitete auf dem Album „Ride“ mit Künstlern wie Alvaro Soler und Topic zusammen.
Nico Santos arbeitete auf dem Album „Ride“ mit Künstlern wie Alvaro Soler und Topic zusammen. © Christoph Köstlin | Christoph Köstlin

Es ist eher eine gemischte Tüte.

Mal hatte ich Lust einen Song zu schreiben, der mich an meine Zeit als Skaterboy 2004 erinnert, als ich Punksongs auf meinem Bett gehört habe. Dann gibt es die klassische Ballade, die eher zeitlos ist. Und dann gibt es wieder andere Lieder, die mich an die Nächte erinnern, in denen ich mit meiner Familie zu irgendwelchen Festen unterwegs war. Ich wollte diese nostalgischen Momente einfach festhalten.

Insgesamt befinden sich 14 Songs auf „Ride“. Hat sich über die Pandemie so viel angesammelt?

In der Zeit habe ich viel über das nachgedacht, was früher normal war und was mir wichtig ist. Meine Familie wohnt noch auf Mallorca und ich hier in Deutschland. Ich denke sehr oft über die Zeit nach, die wir zusammen verbracht haben. Ich kann von Herzen sagen, dass ich die schönste Kindheit hatte, die man sich vorstellen kann.

Wie muss man sich das vorstellen?

Wir haben da gelebt, wo andere Urlaub machen, und genau so hat sich das auch angefühlt. Ich denke, dass ich irgendwann zu 50 Prozent hier und zu 50 Prozent in Spanien leben werde. Ich habe einfach unfassbar oft Heimweh, oder ist es Fernweh? Ich weiß gar nicht so recht, was es genau ist (lacht).

Es gibt auch einen spanischen Song auf dem Album. Den haben Sie zusammen mit Alvaro Soler aufgenommen. Woher kam der Wunsch, wieder gemeinsame Sache zu machen?

Alvaro ist neben Topic in der Musikwelt einer meiner besten Freunde. Wir haben quasi die gleiche Kindheit und einen ähnlichen Werdegang gehabt. Deswegen können wir uns unglaublich gut über unser Privatleben unterhalten. Wir verstehen uns in allen Belangen. Er ist wirklich einer der tollsten Menschen, die ich je kennenlernen durfte.

Ob es nun der spanische Song ist oder das elektrolastige Stück mit Topic, so recht lässt sich das Album nicht in ein Genre stecken. Wollten Sie sich nie festlegen?

Mein Vater war Jazz-Musiker und meine Mutter spielte Ende der 80er in einer Frauen-Grunge-Band. Ich bin also schon mit vielen verschiedenen Musikgenres um mich herum aufgewachsen. Ich habe gemerkt, wie unfassbar viel es gibt und dass ich mich nicht in eine Schublade stecken lassen wollte. Ich kann 1000 verschiedene Sachen ausprobieren und das liebe ich.

Ähnlich sieht das bei den Sprachen aus, in denen Sie singen. Spanisch hatten wir schon, in Englisch ist der größte Teil Ihrer Songs und nun treten Sie in der TV-Show „Sing meinen Song“ auch mit deutschen Liedern auf. In welcher Sprache fühlen Sie sich besonders wohl?

In Englisch fühle ich mich am wohlsten. Das liegt daran, weil ich schon so lange Texte auf Englisch schreibe. Darin bin ich einfach geübt. Und dann kommt auch schon Spanisch – einfach wegen der Einflüsse aus der Schule, durch Freunde und so weiter. Deutsch kam erst dazu, als ich nach Deutschland gezogen bin.

Hat man Hemmungen, radikal an die Lieder der „Sing meinen Song“-Kollegen und Kolleginnen ranzugehen?

Manchmal ja und manchmal eher weniger. Nehmen wir „Das Beste“ von Silbermond. Das gehört ja schon zum deutschen Kulturgut. Auf dem Song liegt so unglaublich viel Gewicht, da tut man sich schwer ihn komplett umzukrempeln. Er ist perfekt, wie er ist. Und dann gibt es andere Songs, die man sich schon eher zu eigen machen kann. Und bei „37 Grad im Paradies“ von Clueso habe ich mir gedacht, da würde was im Stil von Motown passen.

Worauf sind Sie bei Ihrem eignen Abend gespannt?

Ich habe den Abend ja tatsächlich schon erlebt und muss sagen, dass es mich umgehauen hat. Ich bin ein Riesenfan all der Versionen und habe nach dem Dreh die anderen Künstler und Künstlerinnen gefragt, ob sie mir ihre Proben schicken können. Ich möchte die Nummern immer und immer wieder hören. Für mich war es ein unfassbar heilsamer Abend.

Weiß man vorher, was die anderen gewählt haben?

Nein, und genau darum geht es. Man läuft schon ab dem Frühstück die ganze Zeit mit Kopfhörern rum und bekommt nichts mit. Aber das ist voll ok, man will sich das auch nicht selbst kaputt machen. Also ich zumindest möchte überrascht werden (lacht). Die Reaktionen am Abend sind deshalb auch nicht gespielt, sondern echt. Bei „Sing meinen Song“ mitzumachen, war eines der schönsten Dinge, die ich je gemacht habe.

Nico Santos hat die Zeit in der aktuellen Staffel von „Sing meinen Song“ sehr genossen.
Nico Santos hat die Zeit in der aktuellen Staffel von „Sing meinen Song“ sehr genossen. © Christoph Köstlin | Christoph Köstlin

Was sind so Gedanken, die einem während der Show durch den Kopf gehen?

Wenn man selber auftreten muss: Text üben. Man muss sechs neue Songs zum ersten Mal performen – sogar sieben, wenn man den eigenen mitzählt. Außerdem finden am Tag Interviews statt, man möchte sich aber auch noch mit den Kollegen und Kolleginnen über Gott und die Welt unterhalten. Es schwirrt einem schon eine ganze Menge im Kopf herum.

Und wenn dann der eigene Abend kommt und man nur Zuhörer ist?

Einfach genießen. Das habe ich auch allen Neuen gesagt. Solche Momente sind einzigartig und man muss sie einfach genießen. Es gibt so viel Kraft und man denkt über vieles nach. Clueso habe ich zum Beispiel auf dem Schulweg gehört und nun performt er einen Song von mir. Das hätte ich mir nie vorstellen können. Jeder hat sich so viel Mühe gegeben – es ist ein Privileg dabei zu sein.

Was hat Sie in der Staffel besonders berührt?

Es war eine wirklich schöne Zeit, die ich nicht mehr vergessen werde. Wir haben uns so gut verstanden, dass wir nach der Drehzeit sogar alle noch ein bisschen länger in Kapstadt geblieben sind und uns dort ein Haus gemietet haben. Wir haben zusammen gegessen und gequatscht bis schließlich jeder wieder seiner Wege gehen musste.

Bei Ihnen steht nun auch noch einiges auf dem Programm – die Tour zum Album zum Beispiel.

Richtig, jetzt kommen erstmal die Sommershows. Da freue ich mich unendlich drauf. Seit zweieinhalb Jahren haben wir eine komplett neue Show. Wir gehen mit geballter Brust in den Sommer.

Was müssen Sie immer auf einer Tour dabeihaben?

Ganz viele Halspastillen (lacht) und einen Steamer. Alles, was für die Stimme wichtig ist. Das 70er-Jahre Rock’n’Roll-Leben ist es bei mir also nicht so ganz (lacht). Man nimmt schon ein paar Partys mit, aber muss auch auf die Stimme aufpassen.

Was dürfen die Fans erwarten?

Ganz viele Specials – auch mit der Band. Es wird auch Choreografie-Momente geben. Erstmal war die Band skeptisch, was ich denn jetzt mit den Tanzeinlagen möchte, aber es vereint uns. Das wird wirklich toll und da kann man sich drauf freuen.