Weeze. Parookaville-Mitorganisator Dicks spricht über Corona-Regeln, gestiegene Produktionskosten, DJ-Gagen-Forderungen und die Line-up-Zusammensetzung.
Nach zwei Absagen während der Corona-Pandemie laufen die Planungen für die sechste Ausgabe von Parookaville auf Hochtouren. Mit täglich 75.000 Besuchern auf dem Gelände neben dem Airport Weeze ist es das größte Festival für elektronische Musik in Deutschland. Unter den 300 Künstlerinnen und Künstlern sind Stars wie Armin van Buuren, Dimitri Vegas & Like Mike, Tiesto, Nervo, Amelie Lens, Scooter, Robin Schulz, Alle Farben, Felix Jaehn und Topic. Im Interview spricht Mitorganisator Bernd Dicks über den Stand der Planungen, mögliche Corona-Regeln, gestiegene Produktionskosten und die Zusammensetzung des Line up.
Lange war es unsicher, ob es im Sommer Festivals geben kann – seid Ihr optimistisch, dass die Festivalstadt Parookaville vom 22. bis 24. Juli 2022 wieder ihre Pforten öffnen wird?
Bernd Dicks: Unser Team arbeitet mit Vollgas an den Vorbereitungen für unsere Festivals Parookaville und San Hejmo. Wir wollen in diesem Sommer mit voller Kapazität und ohne Einschränkungen wieder feiern können. Alle Virologen sagen, im Sommer wird es - wie schon in den vergangenen zwei Pandemie-Jahren - kein großes Infektionsgeschehen und erst recht nicht volle Krankenhäuser geben. Deshalb haben wir keinen Zweifel, dass Parookaville in gewohnter Form stattfinden wird.
Parookaville 2022 plant mit voller Kapazität von täglich 75.000 Gästen
Mit welcher täglichen Besucherzahl plant Ihr?
Dicks: Wenn Parookaville wie schon bei den ersten fünf Ausgaben erneut ausverkauft wäre, hätten wir diesmal täglich 75.000 Bürgerinnen und Bürger in der Festival-Stadt. Wir freuen uns übrigens, dass wir sehr viele junge Ticket-Käufer haben, wovon einige durch Corona-Pandemie und der Festival-Pause wegen ihres Alters noch nie auf einem großen Event gewesen sind.
Wie groß ist die Nachfrage bei den Tickets für Parookaville?
Dicks: Wir haben in den letzten Wochen noch einen sehr guten Ticket-Vorverkauf gehabt, so dass jetzt 80 Prozent der Visa für das Wochenende vergeben und einige Kategorien nicht mehr erhältlich sind. Der Campingplatz ist fast ausgebucht und auch bei den Tages-Tickets wird es immer knapper. Speziell der Freitag hat durch die Bekanntgabe von Tiesto als Headliner noch einmal einen Schub bekommen. Tiesto ist aktuell durch seine Radio-Hits angesagter denn je und live ein echtes Erlebnis, auf das ich mich sehr freue.
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Rechnet Ihr damit, dass es noch Einschränkungen wie Masken-, Impf- oder Testpflicht für Besucher geben könnte?
Dicks: Nein, tägliche Schnelltests bei 75.000 Gästen wären logistisch gar nicht möglich. Wir würden uns mit allem auseinandersetzen, aber derzeit gehen wir ganz klar davon aus, dass es keine Einschränkungen geben wird. Wir sind ein Festival, das im Sommer draußen stattfindet und wo die Inzidenz voraussichtlich sehr niedrig liegen wird. Dann wäre es eine rein theoretische Diskussion, ob es da überhaupt zu Ansteckungen kommt oder nicht. Natürlich können die Leute gerne aus Eigenschutz eine Maske auf dem Gelände tragen. Zudem haben wir so viel Platz, dass sich jeder bei uns frei bewegen und somit wohl und sicher fühlen kann.
Veranstalter liegt bei Planungen im Zeitplan
Der größte Teil des Parookaville-Geländes ist nicht überdacht, aber es gibt auch einige Bühnen in Hangars, und die Ansteckungsgefahr in Innenräumen ist ja doch um einiges größer…
Dicks: Der große Hangar ist an beiden Seiten mit acht Meter hohen Toren ausgestattet, die offen bleiben, die Shelter haben ebenfalls Tore, wo sogar Düsenjets ihre Triebwerke starten konnten und die Abluft hinten rauskonnte. Da braucht sich keiner Sorgen machen.
Wie ist der Stand bei den Planungen für Parookaville 2022?
Dicks: Wir liegen sehr gut im Zeitplan. Die Ideenfindung für die Mainstage war ja schon vor zwei Jahren abgeschlossen und die Produktion läuft gerade. Seit Anfang des Jahres sind alle aus unserem 30-köpfigen Kern-Team aus der Kurzarbeit raus und arbeiten mit voller Kraft daran, Parookaville auf die Beine zu stellen.
EDM - Elektronische Dance MusikFür das Festival-Wochenende braucht Ihr allerdings noch viel mehr Personal…
Dicks: Rund 6000 Menschen arbeiten für uns an einem Parookaville-Wochenende. Die müssen erstmal rekrutiert werden. Da ist es an einigen Stellen brenzlig: Zum Beispiel bei der Gelände-Reinigung. Da gibt es Firmen, die sich darauf spezialisiert haben und die Mitarbeiter aus Osteuropa für mehrere Monate im Sommer angeworben haben. Wegen der unsicheren Planungslage Anfang des Jahres und der aktuellen Krise ist dies ein schwierig zu lösendes Problem gewesen. Das gilt auch für den Security-Sektor. Viele Firmen sind personaltechnisch geschrumpft, so dass wir da jetzt auf mehrere Anbieter zurückgreifenund auch noch Ordner für gewisse Bereiche suchen. Für viele Jobs kann man sich aktuell auch über unsere Website direkt bei uns bewerben.
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Ihr arbeitet bereits im Vorfeld mit vielen Firmen aus der Region zusammen und vergebt dort speziell im Handwerker- und Logistik-Bereich Aufträge von mehreren Millionen Euro – habt Ihr die Partner nach der Pause wieder gewinnen können?
Dicks: Ja, das sieht sehr gut aus, auch weil wir die Kontakte während der Pandemie gepflegt haben. Wir haben das meiste zusammen, obwohl der Markt der mobilen Infrastruktur aktuell auch durch die dringend notwendige Unterbringung der Flüchtlinge sehr angespannt ist. Wer jetzt noch keine Container bestellt hat, wird es im Festival-Sommer schwer haben.
Mit welchem finanziellen Risiko geht Ihr nach den Ausfällen der letzten zwei Jahre in die Festival-Planung?
Dicks: Die Produktionskosten sind um ca. 20 Prozent gestiegen – speziell die Beschaffung von Holz und Material für unsere Deko ist deutlich teurer geworden. Dazu kommen die gestiegenen Kraftstoff-Kosten. Trotzdem mussten die Ticket-Besitzer der abgesagten Veranstaltungen jetzt nicht noch einmal etwas extra zahlen, weil sie uns die Treue gehalten haben. Und die aktuelle Preissteigerung im Schnitt von zehn Prozent war auch in dem Zusammenhang echt moderat.
Ein großer statt zwei getrennter Campingplätze in Weeze
Es wird diesmal wieder einen großen statt zwei getrennter Campingplätze geben – warum habt Ihr das verändert?
Dicks: Seit wir wachstumsbedingt zwei getrennte Campsites einrichten mussten, war ein Kritikpunkt immer, dass sich die Camper nicht gegenseitig auf den zwei Plätzen besuchen konnten. Jetzt hatten wir die Option, dass uns wieder genug Gelände für einen großen Campingplatz zur Verfügung steht. Als wir die Zusammenlegung zum Basecamp verkündet haben, sind die Ticket-Verkäufe mit Campsite sprunghaft gestiegen. Die Leute freuen sich auf das gemeinsame Erlebnis.
Einige Besucher haben im Netz Bedenken geäußert, dass es durch die größere Masse an Besuchern am Eingang und auch bei der Verteilung der Zeltplätze chaotisch werden könnte…
Dicks: Bei uns darf man nicht wie bei anderen Festivals quer auf das Feld laufen und so viel Platz in Anspruch nehmen, wie man will, sondern wir ordnen das von Anfang an. Gleichzeitig gibt es am Ende unterm Strich pro Gast mehr Quadratmeter Fläche als bei anderen Events. Deshalb teile ich die Sorge nicht. Trotzdem kann ich nur den Tipp geben, nicht direkt morgens zum Start anzureisen. Wer erst am Donnerstagnachmittag kommt, hat es viel entspannter.
Die Deluxe- und Comfort-Camper mussten durch die Neuordnung umziehen und sind jetzt so weit vom Eingang zum Festival-Gelände entfernt, dass sie nicht dorthin laufen können sondern auf einen Shuttle-Service angewiesen sind. Habt Ihr dazu ein Feedback erhalten?
Dicks: Tatsächlich hat sich nur einer von vielen tausend Ticket-Besitzern darüber beschwert. Ich glaube die werden die Shuttles schätzen lernen und lieben. Es wird rund um die Uhr gefahren.
Dicks: "Lieber sieben sehr gute Künstler anstatt nur einen Überflieger"
Was waren mit Blick auf das Line up die wichtigsten Kriterien für die Buchung der rund 300 Künstlerinnen und Künstler?
Dicks: Wir versuchen vorab so viele DJs wie möglich einmal live zu sehen oder lassen uns Live-Mitschnitte von neuen Künstlern schicken. Uns ist vor allem wichtig, wie die Leute zu dem Act feiern. Und dann muss er natürlich ins Budget passen.
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Einige Veranstalter agieren im Sommer vorsichtig bei der Investition ins Line up – andere gehen in die Vollen. Wie ist hier Parookaville einzuordnen?
Dicks: Beim Line up haben wir schon immer die Devise verfolgt, dass wir nicht die fünf größten DJs der Welt gleichzeitig beim Festival haben müssen. Wir versuchen einen oder zwei zu bekommen. In den letzten Jahren hatten einige DJs allerdings massive Preissteigerungen - deutlich über 20 Prozent, während sich unser Budget nicht dementsprechend vergrößert hat. Ich sehe auch beim belgischen Festival Tomorrowland zum Beispiel keinen David Guetta im Line up. Wir müssen sie nicht alle haben. Wenn die Künstler entscheiden, dass sie weniger Auftritte machen, dafür aber mehr Geld haben wollen, dann ist es ok. Das kann dann aber auch heißen, dass sie Parookaville nicht mehr spielen.
Trotzdem schaut ein Teil der Festival-Besucher vor allem auf die ganz großen Namen im Line up…
Dicks: Es gibt mittlerweile Künstler, die wollen für ihren Auftritt eine Million Euro haben. Ich glaube, wir machen mehr Leute glücklich, wenn wir für diese Summe sieben sehr gute Künstler nach Parookaville holen anstatt nur einen Überflieger. Vor allem, wenn dieser auch nur finanziell der Überflieger ist und nicht qualitativ.
Was können dann die Besucher von Parookaville erwarten?
Dicks: Ich bin überzeugt, dass unser Booking in Deutschland einzigartig ist. Wir wollen ein gutes, breites Programm bieten, bei dem die Gäste möglichst viele von ihren persönlichen Lieblingen und aktuell angesagten Künstlern sehen können. Acraze (Sommerhit „Do it to it“) ist aktuell ein gutes Beispiel. Der DJ und Produzent ist gerade weltweit gefragt und wir haben ihn noch auf die Mainstage gepackt. Wir verfolgen auch extrem die Spotify-Zahlen und wenn man sieht, dass ein Topic mehr monatliche Hörer hat als Madonna, dann können wir nicht so falsch liegen.
DJ Alle Farben erwartet "beste Festivals aller Zeiten"
Bislang wurden 74 der 300 Künstler in vier Phasen verkündet – wann erfahren die Besucher das komplette Line up?
Dicks: Wir machen insgesamt sechs Line up Phasen bis Anfang Mai. Dann werden wir das Programm weitestgehend stehen haben.
Der Berliner DJ Alle Farben, der am Freitag auf der zweitgrößten Bühne bei Parookaville auftreten wird, hat vor einem Jahr prophezeit, dass es nach der Pandemie stimmungstechnisch die besten Festivals aller Zeiten geben wird. Mit welcher Atmosphäre rechnet ihr bei Parookaville?
Dicks: Es wird anders und noch ausgelassener. Das haben wir schon bei anderen Veranstaltungen in jüngerer Vergangenheit gesehen. Wenn die Leute sich nach all den Einschränkungen wieder wohl fühlen und einmal emotional loslassen, werden sie Feiern, als gäbs kein Morgen mehr.