Berlin. Kann es mit Putin Verhandlungen geben? Die BSW-Chefin Mohammed Ali ist davon fest überzeugt – und bringt den „Bild“-Vize zur Weißglut.
Kann man den Krieg in der Ukraine wirklich „einfrieren”, so wie Rolf Mützenich es vergangenen Donnerstag gefordert hat? Diese Frage diskutierte Maybrit Illner am Donnerstagabend mit ihren Gästen. Für die Äußerung des SPD-Fraktionsvorsitzenden hatte es bereits viel Kritik gehagelt. Auch aus der eigenen Koalition. Bei „Illner“ verteidigte Vize-Parteichef Lars Klingbeil seinen Parteikollegen.
Mützenich würde auf keinen Fall die Unterstützung für die Ukraine in Zweifel stellen, allerdings müsse es „doch auch möglich sein, dass in diesem Land über die Frage nach Frieden redet”, erklärte sich Klingbeil. Militärische Stärke und Diplomatie seien auch für ihn keine Gegensätze.
Anders sieht es die Autorin und langjährige Moskau-Korrespondentin Sabine Adler. Sie vermutete, dass Mützenich mit seinem Statement vor allem SPD-Mitglieder zufriedenstellen wollte, die den anhaltenden Waffenlieferungen skeptisch gegenüber stehen. „Sie haben Anhänger in ihrer Partei”, wandte sie sich an Klingbeil, „die immer noch nicht verstanden haben, dass in diesem Fall Friedenspolitik tatsächlich einhergeht mit Waffenlieferungen.” Dies sei aktuell leider die traurige Realität.
Ronzheimer fährt BSW-Chefin in die Parade
Für einen ganz anderen Weg plädierte wieder einmal Amira Mohamed Ali. Wie in zahlreichen anderen Talkshows beharrte die Parteivorsitzende des BSW auch bei „Illner“ auf die aussichtslose Situation der Ukraine, weshalb Deutschland nichts anderes übrig bleibe, „als sich mit Putin ins Benehmen zu setzen”, um diesen Krieg auf dem Verhandlungsweg zu beenden. Es ist eine Forderung, die Mohamed Ali und auch Sarah Wagenknecht bereits häufig öffentlich geäußert haben und auf die auch an diesem Abend die gleiche Antwort folgte.
„Putin hat klar gesagt, er will nicht verhandeln, sondern weiterkämpfen”, ordnete Paul Ronzheimer den aktuellen Stand der Dinge ein. Auch der Einschätzung von Mohamed Ali, ein militärischer Sieg der Ukraine sei „irreal“, widersprach Ronzheimer vehement. Zwar brauche es in der Tat mehr Mobilisierung und weitere Waffen, doch er glaube fest daran, dass die Ukraine Gebiete zurückgewinnen könne. Mehr zum Thema lesen Sie hier: Wie Putin Russland für einen Konflikt mit der Nato trimmt
Auch aus der Sicht von Sabine Adler sind Verhandlungen mit Putin zum aktuellen Zeitpunkt nicht möglich. „Putin braucht den Krieg, weil er den Machterhalt braucht”, erklärte die Journalistin. Durch den aktuellen Krieg würde Putin nicht nur die Bevölkerung hinter sich versammeln, er könne auch das Kriegsrecht durchsetzen, um beispielsweise die Versammlungs- und Pressefreiheit weiter einzuschränken.
Tatsächlich sei Wolodymyr Selenskyj bereits kurz nach Kriegsbeginn ein großes Risiko eingegangen, um Putin einen Friedensvorschlag zu unterbreiten, doch „Putin hat davon keine Notiz genommen”. Es sei eine „Lüge, die sich hartnäckig hält”, dass die Ukraine die Verhandlungen abgebrochen habe. „Das war Russland”, betonte Adler. Sie sieht Putin aktuell auf dem Zenit seiner Macht und ist sich sicher, dass er „nach der Ukraine einen neuen Kriegsschauplatz suchen” werde, wenn ihm keine Grenzen gesetzt werden. Dieser Forderung nach einem „klaren Stoppschild” stimmte auch Lars Klingbeil zu.
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Nawalyn-Vertrauter Wolkow: Putin hat Bezug zur Realität verloren
Dass der russische „Diktator”, wie Adler ihn nennt, vor nichts zurückschreckt, verdeutlichte die Geschichte von Leonid Wolkow. Eigentlich sei er nirgends mehr sicher, erzählte der russische Oppositionelle und Vertraute des verstorbenen Kremlkritikers Alexej Nawalny erstaunlich gelassen bei „Maybrit Illner“. „Es geht nicht um Sicherheit, wenn du Putin als deinen Feind hast.”
Wolkow war aus seinem Exil in Litauen zugeschaltet, wo er vor wenigen Tagen brutal angegriffen worden war. Jemand habe mit einem Hammer auf ihn eingeschlagen und ihm den Arm gebrochen, erzählte er.
Dennoch weigere er sich, seinen „starken Glauben an die Möglichkeit eines freien demokratischen Russlands” aufzugeben. Auch er teilte die Einschätzung von Sabine Adler. Bereits 2014 nach dem Angriff auf die Krim habe Angela Merkel festgestellt, dass Putin offensichtlich den Bezug zur Realität verloren habe. Dies sei „eine richtige Diagnose” gewesen, meinte Wolkow, allerdings ohne anschließende Behandlung.
„Seine Distanz zur Realität hat sich weiter vergrößert und wir sehen nun die Konsequenzen”, meinte Wolkow.