Oberhausen. 13.000 Fans eskalieren in Oberhausen beim Festival von und mit Electric Callboy. Eine der Bands war eine echte Überraschung.
Ballonseide und Vokuhila-Perücken, wohin das Auge in der Rudolf-Weber-Arena reicht. Eine besonders kreative Truppe hat sich Discokugel-Helme gebastelt, eben solche wie Electric Callboy sie im Video zur Single „Ratatata“ tragen. Seit Monaten ist das mittlerweile dritte Escalation Fest der Band aus Castrop-Rauxel ausverkauft: 13.000 Fans huldigen in Oberhausen den ungekrönten Königen des Spaß-Metals und ihren Special Guests.
Jede der eingeladenen Bands liege ihnen persönlich am Herzen, werden die Headliner am Ende des Abends ihren wilden, aber liebevoll kuratierten Mix erklären. Der reicht von der britischen Metalband As Everything Unfolds über die Düsseldorfer Metalcore-Band Callejon bis hin zu den H-Blockx aus Münster und Landmvrks aus Frankreich.
Hinter den „Bad Loverz“ stecken Saltatio Mortis als Glamrocker

Die größte Überraschung aber ist Electric Callboy mit den „Bad Loverz“ geglückt: Im Vorfeld als lange abgetauchte Band der 80er-Jahre angekündigt, verbergen sich in Wirklichkeit die Mittelalter-Rocker von Saltatio Mortis dahinter. Statt in seiner typischen Gewandung läuft Frontmann Jörg Roth mit pink geschnürter Lederhose und Powermähne auf. Die „Bad Loverz“ covern mit Dudelsack Songs wie „Living on a prayer“ und „Major Tom“ und haben sichtlich Spaß am Glamrock. Noch während das Festival läuft, feiert das Roxette-Cover „The Look“ Videopremiere. Klar, dass darin auch Electric Callboy eine Rolle spielen.
Es ist die große Stärke dieser Band: Menschen und Musik zusammenzubringen, die auf den ersten Blick gar nicht zueinander zu passen scheinen. Das macht sich mit dem irren Mix auf der Bühne ebenso bemerkbar wie beim extrem heterogenen Publikum davor. Feiern und eine gute Zeit haben, das ist der größte gemeinsame Nenner des Abends. „Und nichts als Liebe“, wie Electric Callboy Kevin Ratajczak später schreit, „in Zeiten wie diesen ist es so wichtig, empathisch zu sein!“
Ganz draußen bleibt die politische Lage in Deutschland an diesem Abend nicht. Die Metalcore-Band Callejon ruft die Fans auf, zu den Demos zu gehen: „Die einzige Möglichkeit, das umzukehren, ist jetzt“, mahnt Frontmann Bastian Sobtzick. Dann stimmt er gemeinsam mit den Fans das Cover zu „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten an.
- Jan Böhmermann mit Staraufgebot in Köln: „Faschismus is back“
- Snowdance-Festival: Kriegsdrama aus der Ukraine großer Gewinner
- Thrash, Altenessen – wo Metal eine Familienangelegenheit ist
- Turbinenhalle Oberhausen: Die zehn besten Konzerte 2025
H-Blockx kündigen Tour für den Herbst an
Auch die H-Blockx bedanken sich bei den Gastgebern für die Vielfalt, die sie auf die Bühne bringen. Dabei waren sie selbst ihre Vorbilder, „wir sind mit den H-Blockx aufgewachsen“, sagt Nico Sallach von den Electric Callboys später. Nun bieten sie ihren Idolen von einst „vielleicht das letzte Mal ein Konzert in einer so großen Halle“, wie Henning Wehland sagt.
Zwar kündigte der H-Blockx-Frontmann eine Tour für diesen Herbst an. Es dürfte aber deutlich kuscheliger werden als in der großen Rudolf-Weber-Arena, wo viele Fans offenbar hörbar zu jung für die großen Hits der Band sind. Und von denen sparen die H-Blocks keinen einzigen aus: „Little Girl“, „Revolution“ und „Risin‘ High“ lassen einen Hauch 90er-Jahre durch die Halle wehen, der aber beim Publikum nicht recht verfangen mag.
Feuerwerk, Konfetti, Sound: Electric Callboy wollen eine fette Party
Das gelingt Landmvrks aus Marseille schon eher. Der kraftvolle Metalcore-Sound mit Punk- und Hip-Hop-Einflüssen bereitet schließlich die Bühne für den letzten Act des Abends: Die Energie, mit der Electric Callboy schließlich ihr Heimspiel abliefern, ist atemberaubend. Aufgepeitscht von Schauspieler Uke Bosse, der im Musikvideo zu „Elevator Operator“ eine tragende Rolle spielt, gerät schon der Beginn der Bühnenshow zu einem kleinen Finale: Feuerwerk, Konfetti, Sound – Electric Callboy wollen eine fette Party, das wird sehr schnell klar.
Escalation Fest in Oberhausen: Diese Bands waren dabei
Und ihre Heimat lässt sie nicht im Stich: Im Minutentakt nehmen Fans ein Bad in der Menge, bilden eine riesige Wall of Death, springt die komplette Arena von links nach rechts. Kaum durchgeschnauft, steht Twitch-Streamer Kalle Koschinsky beim Song „Castrop X Spandau“ selbst mit auf der Bühne. Als Drummer David Friedrich zu einem Solo ansetzt, nutzen die Bandkollegen die Zeit, um mitten in der Halle aufzutauchen. An einem zum Penis geformten roten Flügel gibt die Band ein kurzes Akustikset und ist ihren Fans ganz nah. Frontmann Nico Sallach kann einmal mehr seine außergewöhnliche Stimme in Szene setzen: Beim Linkin-Park-Cover „Crawling“ ist es zum ersten Mal richtig still in der Halle. „Das war einer der schönsten Momente in meinem Musikerleben“, bedankt er sich schließlich bei den Fans und setzt später noch zu Tokio Hotels „Durch den Monsun“ und Elton Johns „Can You Feel the Love Tonight“ an.
Electric Callboy nehmen sich nicht zu ernst, und das kommt bei den Fans an. „Danke für die eskalierende Lebensfreude“, hat eine junge Frau auf ein Transparent geschrieben. Den Dank erwidern die Musiker, deren Familien und Freunde in der Arena dabei sind. Nico Sallach: „Das war einer der geilsten und emotionalsten Abende, danke!“
Auch interessant
