Gelsenkirchen. Das Rock-Grusical erlebte im Musiktheater im Revier eine umjubelte Premiere. Warum man sich das Spektakel nicht entgehen lassen sollte.
Aller guten Dinge sind drei: 1989 erlebte das Musical „Der kleine Horrorladen“ von Alan Menken und Howard Ashman am Musiktheater im Revier seine deutsche Erstaufführung. 2000 gab’s eine Neuauflage. Jetzt hat Carsten Kirchmeier das Rock-Grusical im Kleinen Haus inszeniert und, das ist keine gewagte Prognose, dem Musiktheater nach seinem Coup mit „Hello, Dolly!“ in der vergangenen Spielzeit einen weiteren Publikums-Hit beschert.
Ein gewaltiger alter Zelluloid-Streifen mit sich bereits zersetzender Filmschicht (Beata Kornatowska, auch Kostüme) durchspannt die gesamte Bühnenbreite, endet in einer Filmspule. Damit ist klar: Diese Horrorkomödie spielt auch fantasievoll mit den bisherigen Verfilmungen der Geschichte. Allerdings weniger mit der berühmten Leinwand-Version von „Muppet-Man“ Frank Oz (1986) als mit dem Originalfilm von Roger Corman, dem ungekrönten König des B-Movie-Horrors, der 1960 mit der erfolgreichsten Billigproduktion aller Zeiten die Inspiration für das spätere Musical lieferte.
„Der kleine Horrorladen“ in Gelsenkirchen: So nimmt das Unheil seinen Lauf...
Düster ist‘, wenn sich die stimmgewaltigen Vorstadt-Girls Crystal, Chiffon und Ronnette (Sonja Hebestadt, Julia Heiser , Elena Otten) im Prolog schreiend vorantasten und zum treibenden Rocksound einer fantastischen Fünf-Mann-Band den „Little Shop of Horror“ beschwören. Ein Penner (Daniel Jeroma übernimmt unterschiedliche Parts) entdeckt in einem Abfallhaufen eine Art Splatter-Drehbuch, beginnt zu lesen; die drei Grazien, die in der Folge als Theater-Chor die Rahmenhandlung erzählen, greifen die ersten Zeilen auf und stimmen auf den sozialen und wirtschaftlichen Brennpunkt „Skid Row“ („Downtown“) ein.
Da hat sich das Mittelsegment der Film-Wand bereits geöffnet und den Blick freigegeben auf den schlecht gehenden Blumenladen von Mr. Mushnik (Klaus Brantzen). Als Mushnik den Laden aufgeben, die Mitarbeiter entlassen will, schlägt Audrey (Tamara Köhn) vor, eine ungewöhnliche Pflanze, die Seymour bei einem Chinesen gekauft und gehätschelt hat, als Blickfang in die Auslage zu stellen (Niko Forteza als Seymour erinnert sogar ein wenig an Rick Moranis aus dem Oz-Film).
Das funktioniert, der Laden brummt, die neuartige Blume entfacht einen Medienhype. Bis „Audrey II“, wie die Pflanze getauft wird, die Blätter hängen lässt. Durch ein Missgeschick entdeckt Seymour, wie sich Audrey II wieder aufpäppeln lässt. Sie braucht zum Wachstum Blut, Menschenblut, will gefüttert werden. Und so nimmt das Unheil seinen rasanten Lauf, einschließlich Zombie-Invasion.
„Der kleine Horrorladen“ ist eine schauerliche und vieldeutige Geschichte
Kirchmeier erzählt die schauerliche, dabei psychologisch und sozial vieldeutige Geschichte, in deren Verlauf die menschenfressende Pflanze immer mehr wächst und der schließlich Dennis Legree die überragende Soul-Rock-Stimme des Abends leiht, im traumhaft sicheren Wechsel zwischen grotesker Überzeichnung, herzzerreißenden Romantikeinlagen und köstlicher Reduktion. Und immer wieder wird die Handlung hinter die Zelluloidwand verlegt.
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Wenn Seymour die Leiche des sadistischen Zahnarztes Orin Scrivello (Daniel Jeroma) mit der Axt in maulgerechte Häppchen zerlegt, wenn Audrey, ein Baby im Arm, von einem glücklichen Leben mit Seymour träumt, wenn das Chor-Trio Situationen begleitend verstärkt, dann erlebt man vieles als Schattenspiel, wie Szenen aus einem Stummfilm. Großartig.
Nach rund zwei Stunden (einschließlich Pause) wollte der Beifallssturm für alle Beteiligten einfach nicht enden.
„Der kleine Horrorladen“ öffnet wieder am 22. u. 28. Sept. (18 Uhr) sowie am 2., 6., 20. Okt. (18 Uhr) und am 31.Okt. (19.30 Uhr). Die Karten kosten je nach Sitzkategorie 15€ – 35€. Tickets und Infos unter Telefom 0209-4097200 und hier