Dortmund. Der Schauraum Comic + Cartoon in Dortmund feiert ein rundes Jubiläum. Kurator Alexander Braun freut sich auf den nächsten Schritt.
Begeisterung braucht nicht viele Worte. „Wow“, haben Maximilian und Nadine ins Gästebuch geschrieben. „Love from Australia!“, hinterließen andere, weitgereiste Gäste – daneben, immerhin: „Schöne Grüße aus Berlin.“ Und heimische Besucher schickten gleich eine Frage hinterher: „Wann bekommen wir endlich unser großes Comic-Museum?“
Nun, wenn es nach dem promovierten Kunsthistoriker Alexander Braun ginge, besser gestern als heute. Im Februar hat der Stadtrat einen entsprechenden Beschluss gefasst, jetzt fehlt noch eine geeignete Immobilie. Eine gute Nachricht zum fünften Jubiläum, das sich für den „schauraum: comic + cartoon“ in Dortmund ohnehin als richtig gutes Jahr erweist. Dafür sorgt schon die Simpsons-Ausstellung. Über 20.000 Besucherinnen und Besucher kamen bisher. Und das ist wieder ein Rekord.
Platz für den traditionellen Dortmunder Comic-Streit!
An diesem Nachmittag wird umgeräumt, abends findet der traditionelle Dortmunder Comic-Streit statt, eine Experten-Debatte à la Literarisches Quartett. Aber vorher hat Alexander Braun noch etwas Zeit. Als Kurator ist er so etwas wie die Seele und der Puls des Schauraums. Und ein engagierter Vermittler für die großartige, literarische, einzigartig subversive Handwerkskunst, die immer noch ein museales Schattendasein fristet. Deutschlandweit gibt es kein einziges ausgewiesenes Comic-Museum, weiß Braun. Und genau das wäre für Dortmund eine Riesenchance.
Er hat einiges erlebt im Laufe der Zeit. Menschen, die ihre Bahnreise extra für einen Besuch des Comic-Schauraums unterbrechen. Stammgäste aus Mailand, die sich jede Ausstellung in Dortmund angesehen haben – den 15.000 Simpsons-Besucher, der aus Norddeutschland kam. Die Verweildauer ist dabei immens, manche bleiben drei Stunden vor den Zeichnungen hängen. Insgesamt, zieht der Comic-Spezialist Bilanz, ist die damalige Rechnung der Stadt aufgegangen. Das Mini-Museum hat die Bahnhofsgegend aufgewertet. Und es hat Dortmund ein Alleinstellungsmerkmal verliehen.
Der Schauraum Comic + Cartoon ist dem Museum für Kunst- und Kulturgeschichte angeschlossen
Seit April 2019 dreht sich gleich neben der Katharinentreppe auf 160 Quadratmetern alles um Comics, Cartoons und Karikaturen. Ein bewusst niederschwelliges Angebot: Der Eintritt ist frei. Formal ist der Schauraum Comic dem Museum für Kunst- und Kulturgeschichte angeschlossen und wird mit der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund organisiert.
Braun war von Anfang an dabei. Er ist ein ausgewiesener Experte und seit seiner Kindheit ein Riesen-Comicfan. Er ist selbst Konzeptkünstler. Und er ist gebürtiger Dortmunder, obwohl er inzwischen in Bad Honnef lebt. Als die Stadt 2019 auf ihn zukam, sagte er zu. Zuvor hatte er sich durch Comic-Ausstellungen in Frankfurt und Bonn einen Namen gemacht, jetzt bekam er die Chance, mit vollen Händen aus seiner Sammlung zu schöpfen, die nicht nur über 1000 Tuschezeichnungen bietet, sondern auch die passenden Rahmen für die oft schwierigen Formate. Am Anfang zeigte er einen Klassiker, eine Schau über Donald Duck: „Ente Süss Sauer. Carl Barks und die Folgen“. 5000 Besucherinnen und Besucher kamen.
Zwei Ausstellungen jährlich richtet Braun inzwischen für das Comic-Museum ein, dazu gibt es jeweils eine aufwändige Publikation in Buchform. Ein Dauereinsatz. Braun hat eine große Anime-Schau präsentiert und Comics über den Wilden Westen. Er hat „Nimm das, Adolf! Zweiter Weltkrieg im Comic“ vorgestellt; knapp 100, meist erstmals ausgestellte Originalzeichnungen, die vom Kampf der Superhelden gegen die Nazi-Zombies erzählen.
Er hat Rudolph Dirks Einwanderer-Comics „The Katzenjammer Kids“ eine Bühne geboten – und den „Horror im Comic“ salonfähig gemacht. Letzterer bescherte dem Schauraum knapp über 10.000 Besucher. Und dann war da noch eine Ausstellung über Will Eisner, den Erfinder der Graphic Novel. Sie drehte sich auch um das jüdische Einwanderungsland Amerika und erzählte von Verfolgung und Antisemitismus. Die Schau war im Anschluss im Cartoonmuseum Basel und dem jüdischen Museum Rendsburg zu sehen.
Der Schauraum Comic + Cartoon in Dortmund: Riesenerfolg mit den Simpsons
Derzeit sorgen „Die Simpsons. Gelber wird’s nicht“ für einen wahren Besucherstrom, insgesamt hoffen die Betreiber auf 25.000 Gäste bis Ende Oktober. Im November wird dann der Rundgang „Black Comics. Vom Kolonialismus zu Black Panther“ eröffnen.
Das Projekt war anfangs auf drei Jahre angelegt, erzählt Braun. Inzwischen gibt es eine zweisprachige Beschilderung auch auf Englisch und eine App für virtuelle Führungen, teils mit Original-Filmclips. Als er anfing, habe er sich fest vorgenommen, der Politik zu beweisen, dass das Potential für ein Comic-Museum vorhanden ist. Inzwischen sind fünf Jahre daraus geworden „und wir sind supererfolgreich“, bringt es Braun auf den Punkt. „Das Ziel war eine seriöse Verbreitung der Kunstgattung Comic.“
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Höchste Zeit für den nächsten Schritt. Rund 2000 Quadratmeter Fläche schweben Braun vor. Er würde einem neuen Museum seine Sammlung dauerhaft zur Verfügung stellen, um ein weiteres Angebot zu den Wechselausstellungen zu schaffen. „Dann wären etwa Donald Duck und die Simpsons immer da.“ Das Ruhrgebiet würde sich dabei als Standort gut eignen, überlegt Braun. „Es ist ideal, um eine Lanze für eine Kunstform zu brechen, die immer alle im Blick hatte: Der Comic ist ein durch und durch demokratisches Medium.“