Essen. Die Popsängerin Margherita Vicario serviert einen gut gelaunten Kostümfilm mit viel Musik und emanzipatorischer Botschaft. Mitreißend!
Anfang 1800, in der Nähe von Venedig. Padre Perlina führt in seinem Mädchen-Waisenhaus ein strenges Regiment. Glücklich sind die, die in seinem Streicherorchester spielen dürfen; sie genießen Privilegien. Die stumme Teresa ist nicht dabei. Sie gilt als hoffnungslos untalentiert und muss den ganzen Tag nur putzen. Als sie eines Tages im Keller ein Piano-Forte entdeckt, wendet sich das Blatt. Sie entlockt ihm poppige, zuvor nie gehörte Töne. Teresa gewinnt neue Freundinnen. Eine Revolte bahnt sich an.
Regie führt die junge italienische Schauspielerin und Popsängerin Margherita Vicario, die hier ihr Filmdebüt vorlegt. Mit „Gloria!“ serviert sie einen beschwingten Feel-Good-Film mit emanzipatorischer Botschaft, der prompt zum Hauptwettbewerb der Berlinale eingeladen wurde. Klingt doch modern: Fünf junge Mädchen gegen einen alten weißen Mann.
Am Anfang von „Gloria!“ steht ein mitreißendes Klang-Konzert
Alles beginnt mit einer mitreißenden Szene. Sobald Teresa ins Träumen gerät, wird der mühsame Alltag zu Musik in ihren Ohren: Wischen, fegen, schrubben, Laken schütteln. Teppich klopfen, Gemüse hacken, Wäsche wringen. Ein Rhythmus, der anschwillt und in den sich bald die ersten Streicher mischen. Bis eine strenge Ordensschwester die junge Frau anherrscht, sie möge gefälligst weiterarbeiten.
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Vicarios Geschichte ist leichte Unterhaltung im Vorfeld der Französischen Revolution, süß und süffig wie Limonade. Man kann sie genießen, wobei sich der Nährwert am Ende in Grenzen hält. Das ist leise geschnurrter Protest, keine Abrechnung mit dem Patriarchat. Aber die Ästhetik des historischen Kostümfilms holt vieles raus. Sie ist geradezu bestechend schön.
„Gloria!“ im Kino: Ein bisschen „Mean Girls“, ein bisschen Aschenputtel
Lucia (Carlotta Gamba), Bettina (Veronica Lucchesi), Marietta (Maria Vittoria Dallasta) und Prudenza (Sara Mafodda) spielen brav in Pelinas Ensemble, bis sie Teresa (Galatéa Bellugi) auf die Schliche kommen. Fortan verbringen sie die Nächte gemeinsam am Klavier. Während die hochmütige Erste Geigerin Lucia klassische Musik komponiert, zieht Teresa mit improvisierten jazzigen Klängen alle in den Bann.
Derweil kündigt sich im Waisenhaus hoher Besuch an. Pius VII. wird in Venedig zum Papst gekrönt und gibt dem Maestro die Ehre. Eine große Aufgabe für Perlina (Paolo Rossi): Er soll für den Heiligen Vater ein Werk komponieren. Leider ist er ausgebrannt oder aber komplett untalentiert: Die Zeit drängt und er bringt keine Note zu Papier.
Ein bisschen „Margreth Thursday“ ist im Spiel, die Waisenhaus-Serie aus den 70ern. Aber auch die „Mean Girls“ kommen einem in den Sinn. Die Regisseurin hat ihren vielfach ausgezeichneten Film allen jungen talentierten Frauen gewidmet, deren Begabungen lange Zeit unbemerkt blieben, liest man am Ende. Das bleibt ein hochgestecktes Ziel. Trotzdem: Wer Musik liebt und mit einer modernen Aschenputtel-Erzählung leben kann, wird das Kino beschwingt und gut gelaunt verlassen.