Essen. Witz, Reflexion und Rotzlöffel: Diese starke Frau mit liebenswerten Fehlern ist ein echter Lesetipp. Wir gratulieren der Autorin.
Wenn es endlich einen Literaturpreis für fröhlichen Feminismus gäbe, wäre Liza Cody nicht nur meine ideale Kandidatin. Seit mehr als vierzig Jahren hat die als Liza Nassim geborene Londonerin mehr als ein Dutzend Romane und Serien über starke Frauen mit verzeihlichen, ja liebenswerten Fehlern verfasst.
Das ergab schon öfters eine amüsante, aber auch tiefgründige Mischung von Elendsrealismus und Slapstick, vor allem, wenn die Heldin wie hier im aktuellen Band „Die Schnellimbissdetektivin“ ihre Geschichte selbst erzählt: Eine Mixtur aus Straßenjargon, Witz, Reflexion und Rotzigkeit. Das über 350 Seiten ohne Ermüdung (beim Erzählen wie beim Lesen) durchzuhalten, sogar in der Gegenwartsform, ist an sich schon eine souveräne stilistische Leistung.
Erinnerungen an das Meisterwerk „Lady Bag“ von Liza Cody
Und erinnert vor allem an Codys Meisterwerk „Lady Bag“ aus dem Jahr 2013. Damals ging es ja um eine Bankerin, die von einem charmanten, aber eigentlich auch leicht durchschaubaren Betrüger um Alles gebracht wurde und nun namen- und obdachlos mit ihren Plastiktaschen (den „Bags“) und der Hündin namens Elektra durch Londons Straßen zieht, nur die nächste Flasche algerischen Rotwein im Sinn.
So weit ist es jetzt Gott sei Dank mit Hanna Abram nicht gekommen. Allerdings hat auch sie einen Absturz hinter sich und ihren Job bei der Metropolitan Police (natürlich!) verloren, nachdem sie den übergriffigen Sergeant kurzfristig im nächstliegenden Kanal versenkt hatte. Jetzt schmiert sie also im „Sandwich Shack“ am Volkspark für den unerträglichen Digby, den sie sich aber lautstark vom Leibe zu halten versteht, schon morgens früh die mehr oder weniger appetitlichen Brötchen.
Liza Codys Heldin kauft in der „Schnellimbissdetektivin“ natürlich Second-Hand bei Oxfam
Und betreibt von der Theke aus eine Feierabenddetektei für alltägliche, manchmal ein wenig groteske Fälle, insbesondere entlaufene Hunde oder Ehemänner. Allmählich wird es dann ernsthafter und Hanna scheint in eine ähnliche Falle zu tappen wie einst Lady Bag. Ein ebenso gut aussehender wie wohlhabender Gentleman bittet sie, seine möglicherweise entlaufene, jedenfalls verschwundene junge Ehefrau aufzufinden, oder jedenfalls ihre Personalpapiere sicherzustellen (darunter einen Pass der Europäischen Gemeinschaft, inzwischen durchaus wertvoll). Alles natürlich nur aus reiner Fürsorge!
Zwar fragt sich Hanna, warum er sich für dieses Vorhaben nicht an eine seriöse oder jedenfalls erfahrenere Agentur wendet. Aber dann kann sie dem Gentleman-Charme nicht widerstehen, kauft sich zum Treff in der Wein-Bar sogar ein passendes Outfit, natürlich Second-hand bei Oxfam – und muss am Ende doch eine ziemliche Enttäuschung erleben …
Liza Cody lässt in der „Schnellimbissdetektivin“ die Turbulenzen der britischen Gesellschaft nach Brexit und Corona durchscheinen
Die Erzählung von Hannah erschöpft sich aber nicht an der Oberfläche, so unterhaltsam die auch wirkt. Denn Liza Cody versteht es meisterhaft, durch eine Fülle von Personen und Episoden die aktuellen und tiefgreifenden Probleme der britischen Gesellschaft nach dem Brexit und während der Coronazeit in der Handlung durchscheinen zu lassen. Gleichzeitig aber atmet das Buch, nicht nur wegen der Hauptfigur, eine enorme Vitalität und sogar Jugendlichkeit. Warum auch nicht? Die Autorin ist ja kürzlich erst 80 geworden. Wir gratulieren nachträglich!