Duisburg. Der Sänger der Duisburger Flowerpornoes erfindet sich noch einmal neu – und zeigt der Musikindustrie, wie man sich am besten selbst vermarktet.

Er ist ein einzigartiger, melancholischer Songflüsterer, ein Indie-Held der stillen Sorte: Tom Liwa, Sänger der Flowerpornoes, hat sich mit seinem neuen Album „Primzahlen aus dem Bardo“ noch einmal neu er- und gefunden, ohne sich untreu geworden zu sein. Der gebürtige Duisburger hat sich an seinem neuen Wohnort im Wendland eine neue Band zusammengestellt – und die renommierte Komponistin und Saxofonistin Luise Volkmann hinzugeholt.

Das führt zu einer ungewohnten, aber in sich stimmigen Melange: Liwa spielt auf der Akustikgitarre und im sanften Sprechgesang des atemlosen, teils schwermütigen Erzählers seine scheinbar einfachen Songs, während seine „Leuchturmband“ dem Sound einen psychedelischen Folk-Anstrich gibt. Dazu gesellen sich als zweite Erzählstimme die Saxofon-Improvisationen von Luise Volkmann, die oft wie flirrende Gefühlsausbrüche einen Gegenpol zu Liwas Erzählton bilden – und mit ihm einen Dialog zu führen scheinen. Der erstaunliche Effekt: Der Sound funktioniert als Indiefolk- genauso wie als Jazzalbum. Und man merkt ihm an, wie entspannt die Arbeiten bei ihm zu Hause abgelaufen sein müssen.

Tom Liwa erzählt in seinen Stücken auch mal Geschichten von 15 Minuten Länge

Liwa greift dabei erzählerische und musikalische Elemente aus seinem hochgelobten Album „Eine andere Zeit“ von 2022 auf, aber er legt sich keinerlei Ketten an: Es gibt ausufernde 15-Minuten-Stücke, die wie Kurzgeschichten wirken, aber auch zweiminütige Zwischenspiele, die wie ein Luftzug vorbeiwehen.

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Die Texte spielen dabei laut Liwa teils in der Mitte des 19. Jahrhunderts, teils in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft. Wenn er dabei etwa die Geschichte der „Space Czechovs“ erzählt, einer lang unterschätzten Band, die nach vielen Jahren durch Zufälle und einen Fernsehserien-Deal doch noch berühmt wird, ist das, als wolle er die eigene Karriere noch einmal so erzählen, wie sie auch hätte verlaufen können.

Die Musikindustrie hat Tom Liwa nicht mehr nötig, um erfolgreich zu sein

Der Gesamteindruck, den „Primzahlen aus dem Bardo“ hinterlässt, ist der eines Tischs voller verblasster Polaroid-Aufnahmen aus einer längst vergangenen Zeit, auch wenn vieles, was auf den Bildern zu sehen ist, aus der Gegenwart oder Zukunft zusammen scheint – wie ein hellseherischer Traum.

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Bei der Vermarktung geht Liwa einen eigenen Weg, denn „Primzahlen aus dem Bardo“ kann man zum jetzigen Zeitpunkt weder über die gängigen Streamingdienste hören, noch kann man es über die üblichen, riesigen Online-Versandhändler bestellen. Stattdessen muss man sich an kleinere Plattenhändler wenden oder sich auf tomliwa.bandcamp.com begeben, wo es drei Songs zum Probestreaming gibt – und wo man das Doppel-Album natürlich auch digital, auf CD und Vinyl erwerben kann.