Essen. Der Pianist Kirill Gerstein versetzte das Publikum in Essen in Begeisterung. Wieso Jazz und Klassik bei ihm so gut zusammenpassen.

So elegant wie der Pianist Kirill Gerstein bewegen sich nur wenige seiner Kollegen auf der Gratwanderung zwischen Klassik und Jazz. Davon profitierte das Klavier-Festival Ruhr in dieser Saison gleich dreimal. Zuletzt zusammen mit dem WDR Sinfonieorchester in der gut gefüllten Essener Philharmonie. Mit Arnold Schönbergs Klavierkonzert und George Gershwins „Rhapsody in Blue“ vollführte Gerstein einen außergewöhnlich kühnen stilistischen Spagat, auch wenn sich die beiden Komponisten wechselseitig mehr schätzten als man erwarten könnte.

Schönbergs Konzert liefert einen schlagenden Beweis dafür, dass der Komponist seine Zwölftontheorie nicht als dogmatisches Korsett verstanden wissen wollte. 1942 im amerikanischen Exil entstanden, besinnt sich Schönberg auf seine vom Krieg erschütterte Heimat und spielt mit Reminiszenzen an Walzern und andere Wiener Eigenheiten.

Kirill Gerstein und Gershwins „Rhapsody in Blue“ beim Klavier-Festival Ruhr

Davon war bei Gerstein und der in Hongkong geborenen Dirigentin Elim Chan allerdings wenig zu spüren. Sie setzten das Werk unter emotionalen Hochdruck, ließen die bedrohlichen Zwischentöne plastisch ertönen und befreiten es von den letzten Resten zwölftöniger Trockenheit. Ein ebenso faszinierendes wie souveränes Bekenntnis souveräner künstlerischer Freiheit.

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Und dieses Gütesiegel bestimmte auch die Interpretation der vor 100 Jahren uraufgeführten „Rhapsody in Blue“, bei der es Solist und Orchester mächtig grooven ließen. In der Originalbesetzung mit einem kleinen Streicheranteil rückte das Werk einem idiomatischen Jazz-Sound noch näher, wodurch jede salonhaft-plüschige Aufweichung vermieden wurde. Die unbändige Vitalität des in jeder Hinsicht originellen Geniestreichs erhielt freien Lauf und riss das Publikum von den Sitzen. Mit einem schlichten Song des Broadway-Komponisten und Schönberg-Bewunderers Oscar Levant beruhigte Gerstein anschließend die erhitzten Gemüter.

Begeisterter Beifall für Kirill Gersteins Auftritt beim Klavier-Festival Ruhr

In der gleichen Zeit wie Schönbergs Klavierkonzert entstanden, ebenfalls im amerikanischen Exil, Sergej Rachmaninows „Symphonische Tänze“. Rachmaninows letzte große, in dunkle Farben getauchte Komposition. Totentänze, die Elim Chan und das Kölner Orchester auf klanglichen Hochglanz polierten. Anders als in der Version für zwei Klaviere ließen sich angesichts einer derart schillernden Brillanz selbst die Längen des Werks effektvoll überspielen.

Begeisterter Beifall für einen abwechslungsreichen und überaus vitalen Konzertabend.