Mülheim. Der US-amerikanische Pianist spielte in Mülheim Beethoven-Sonaten und Musik von Arnold Schönberg. Warum es ein großartiger Abend war.

Wenn er mit grauem Anzug und grauer Krawatte etwas tapsig auf dem Podium erscheint, denkt niemand an einen extrovertierten Himmelsstürmer. Im Gegenteil: Emanuel Ax ist der wohltuend allürenfreie Gegenentwurf, ein durch und durch seriöser Anwalt der Musik, ein Denker am Klavier. Äußerlich bescheiden, aber künstlerisch anspruchsvoll erweckte er bei seinem 13. Auftritt im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr in der Mülheimer Stadthalle den Eindruck einer leisen Sensation.

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Der mittlerweile 75-jährige US-Amerikaner mit polnisch-jüdischen Wurzeln lässt nach wie vor keinen Zweifel an seiner pianistischen Autorität. Dazu gehört auch die durchdachte Programmgestaltung. Ax verschränkte drei Beethoven-Sonaten mit drei Zyklen von Arnold Schönberg ineinander und rückte damit die beiden Wiener Schulen selten eng zusammen: den Wiener Klassiker mit dem Vater der Zwölftonmusik, dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr bislang weitaus weniger gewürdigt wurde als der Jubilar Bruckner.

Emanuel Ax nimmt sich beim Klavier-Festival Ruhr Zeit für Arnold Schönberg

Dabei konzentrierte sich der Pianist auf den jüngeren Schönberg (Ax: „sehr romantisch“) und dessen Weg von den drei Klavierstücken 1894, die noch wie Schumann tönten, zum atonalen Farbzauberer synästhetisch nahe bei Kandinskys Malerei. Hochkonzentriert im Ausdruck gelangen ihm die extrem kurzen, nur neun bis 17 Takte messenden Sechs Stücke op. 19, vorausdeutend auf Anton Webern. „Zu meiner Musik muss man Zeit haben“, forderte Schönberg einst. Emanuel Ax nahm sie sich.

Ebenso für einen rundum authentischen Beethoven. Da gab’s bis zum Presto-Schluss der so energiegeladenen wie subtil ausgeformten „Appassionata“ keine überdrehten Tempi. Wohl aber überlegene Dramaturgie und expressive Kontrolle wie auch in der „Pathétique“ mit einem tief ausgeloteten, doch nie sentimental zerdehnten Adagio-Satz. Und die Sonate op. 2,2 verströmte bei aller Disziplin und Klarheit der Linienführung ihre mozartische Herzenswärme und perlende Freude.

Begeisterung am Schluss und ein „Ständchen“ als Zugabe.