Essen. Neu im Kino: Der nächste Film von Yorgos Lanthimos, „A Killer Romance“, „MaXXXine“ und eine Dokumentation über die Band Steppenwolf.
„Kinds of Kindness“
Auf das schräge Frankenstein-Märchen „Poor Things“ mit Emma Stone konnten sich Anfang des Jahres fast alle einigen. Nun folgt ein deutlich sperrigeres Werk des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos (50). „Kinds of Kindness“, wieder mit Emma Stone und Willem Dafoe, ist ein 165-minütiger Brocken, an dem „Poor Things“-Fans schwer zu schlucken haben dürften, weil er mit seinem sarkastisch-kühlen Sezieren menschlichen Verhaltens und absurden Wendungen irritieren will.
„Kinds of Kindness“ besteht aus drei je knapp einstündigen Episoden. In sich abgeschlossen, aber doch miteinander verbunden. Es geht um Macht und Kontrollmechanismen, um Menschen, die sich verblendet unterjochen lassen und daran verzweifeln. Oder ausrasten.
Drei Episoden: Jesse Plemons und Willem Dafoe spielen an der Seite von Emma Stone
In „Der Tod von R.M.F.“ führt der Angestellte Robert (Jesse Plemons) ein scheinbar zufriedenes Leben mit seiner Frau Sarah (Hong Chau), was er seinem Boss Raymond (Willem Dafoe) zu verdanken hat. Robert folgt ihm hündisch, bis er eines Tages einen tödlichen Autounfall verursachen soll und daran scheitert.
Im Mittelteil „R.M.F. fliegt“ spielt Plemons einen Polizisten, dessen lange verschwundene Frau (Stone) wieder auftaucht, aber nicht mehr ganz die alte zu sein scheint. In seiner Paranoia testet er die vermeintliche Hochstaplerin, lässt sie als Liebesbeweis Selbstverstümmelungen durchführen. Und in „R.M.F. isst ein Sandwich“ schließlich geben Plemons und Stone zwei Mitglieder einer Sekte, wo sie vom Guru (Dafoe) dazu gebracht werden, absonderlichste Handlungen zu vollführen.
Das ist oft blutig, grotesk und manchmal geschmacklos. Nahe gehen die Figuren nicht, man sieht ihnen eher wie hinter einem Laborglas zu bei ihren Versuchen, den eigenen Fallen zu entkommen. Lanthimos inszeniert das präzise, aber der böse Witz funktioniert nicht so treffsicher wie etwa noch in „The Killing of the Sacred Deer“. Thomas Abeltshauser
„A Killer Romance“
Gary Johnson ist Dozent für Philosophie und Ethik, im Nebenjob betreut er die Polizei mit Überwachungstechnik bei verdeckten Einsätzen. Hier muss Gary eines Tages spontan selbst ins Feld, als vorgeblicher Auftragsmörder soll er Kunden beweiskräftiges Tonmaterial ihrer Mordbereitschaft entlocken. Weil ihm das so gelingt, tritt Gary nun regelmäßig in immer neuen Verkleidungen als Lockvogel an. Dann lernt er die aufregende Madison kennen, die ihren Mann loswerden will. Als Auftragsmörder Ron kann er sofort bei ihr landen. Die beiden verlieben sich, es sollte bloß keiner merken.
„Hitman“, Auftragsmörder, lautet der Originaltitel der jüngsten Regiearbeit von Richard Linklater: Der Texaner ist eine feste Größe im Kunst-Kino, sammelte als Chronist der Grunge- und Slacker-Szene der frühen 90er ebenso Reputation wie mit den romantischen Dialogen zwischen Ethan Hawke und Julie Delpy. Für Netflix wandte Linklater sich wieder einmal seiner heimlichen Leidenschaft für ironisch abgemildertes Genrekino zu und schickt den smarten Glen Powell (so gut als Rivale von Tom Cruise in „Maverick“) zum erotischen Clinch mit der gewitzten wie undurchsichtigen Adria Arjona.
Rund 100 Minuten köchelt das – von einer Verführungsszene abgesehen – eher zahm vor sich hin. Dann gibt es kurz vor Schluss einen ziemlich abgefeimten Mord, der offenbar auf die leichte Schulter genommen werden soll. Stellt sich die Frage, ob das leicht oder eher nicht doch allzu leichtfertig ist.
„MaXXXine“
Einmal eine Chance in Hollywood – davon träumte Maxine schon als Mädchen vom Lande. Dann ging sie nach L.A. und nahm ihre Ziele ins Visier. Eine Karriere als Pornodarstellerin hat sie schon, da erhält sie eine tragende Rolle im neuen Horrorfilm der umstrittenen Regisseurin Elizabeth Bender (fabelhaft als feministischer DeMille: Elizabeth Debicki). Die Produktion steht unter Druck. Überall in der Stadt protestieren Eiferer gegen Sex und Gewalt in Filmen. Außerdem geht ein Frauenmörder um, der Night Stalker, und seine Kreise ziehen sich immer enger um Maxine.
Willkommen zurück im Klima zur Mitte der gierigen 80er-Jahre, als die Sensationslust der 70er sich mit immer neuen Exzessen im Billigmarkt der Videotheken auszutoben begann. Es ist ein schillerndes Szenario, das Horror-Autor Ti West nach dem zwinkernden „X“ und dem melodramatischen „Pearl“ zum Abschluss seiner X-Trilogie beschwört. Wie in den Vorgängern serviert er eine ironisch abgefederte Kulisse, aus der unvermittelt Brutalamplituden von amüsanter Übertreibungslust hervorbrechen. In diesem Spielzeugland der nervenkitzligen Stilmittel sticht Titeldarstellerin Mia Goth hervor, die sich einmal mehr ihren Kultstatus unberechenbare Schock-Beauty mit Gusto verdient. Uwe Mies
„Born to Be Wild“
Der Song von Steppenwolf wurde zum Abgesang auf den „Summer of Love“ der kalifornischen Hippies: „Born to Be Wild“, 1968 auf Platz 2 der US-Charts, geriet durch Peter Fondas „Easy Rider“ zur ur-amerikanischen Hymne. Im Gefolge: „The Pusher“. Zwischen Hardrock und psychedelischen Sounds pendelte die gesamte Musik von Steppenwolf. Der Dokumentarfilm von Oliver Schwehm zeigt den Erfolg als ebenso zeitgeistgetrieben wie klug kalkuliert.
Dass mit dem Sänger John Kay und Bassmann Nick St. Nicholas gleich zwei Bandmitglieder gebürtige Deutsche waren, wissen nur wenige. Kay, der stets eine Sonnenbrille trug, weil er extrem lichtempfindlich ist, kam als Joachim-Fritz Krauledat in Ostpreußen kriegsbedingt 1944 als Halbwaise zur Welt und wanderte mit 14 nach Kanada aus. St. Nicholas hieß eigentlich Klaus Karl Kassbaum, war Sohn eines Marineoffiziers, der mit seiner Familie ebenfalls nach Kanada emigrierte.
Die Geschichte der Band hat Schwehm klug gegengeschnitten mit Interviews, die von der Wirkung Steppenwolfs erzählen – nicht zuletzt auf Alice Cooper, Klaus Meine oder Jello Biafra von den Dead Kennedys. Mit den überraschenden Einsichten und der faszinierenden Persönlichkeit John Kays fesselt der Film bis zum Schluss. Jens Dirksen
Nick St. Nicholas und Regisseur Oliver Schwehm sind am 7. Juli im Metropolis Bochum zu Gast (18 Uhr und 20:30 Uhr).