Bochum. Bigband trifft auf Sinfonieorchester und Chor: Bei der Ruhrtriennale treten drei Top-Ensembles in Bochum auf – und vermasseln eine seltene Chance.
Zu einem lautstarken Kräftemessen trafen gleich drei Ensembles aufeinander und brachten kurz vor Ende der diesjährigen Ruhrtriennale die Bochumer Jahrhunderthalle zum Beben. Das Motto des Konzerts, „Play Big“, versprach nicht zu wenig.
Ensembles wie das Chorwerk Ruhr, die Basel Sinfonietta in Mammutbesetzung und die NDR Bigband begegnen sich gewiss so selten wie „Pinguin und Eisbär in freier Wildbahn“, wie es so schön im Ankündigungstext heißt. Das betrifft vor allem Klangkörper wie Bigband und Sinfonieorchester mit ihren unterschiedlichen, nicht gerade kompatiblen Klangidealen und Spieltechniken.
Komponist Michael Wertmüller kann die Vorbehalte nicht entkräften
Vorbehalte, die auch der an sich auf beiden Gebieten versierte Komponist Michael Wertmüller mit seiner nagelneuen Arbeit „Shlimazl“ nicht entkräften kann. Ein dreisätziges, von harten rhythmischen Repetitionen geprägtes Werk, bei dem in den ersten beiden Sätzen die Bigband lediglich ein paar dekorative Akkorde einwerfen und sich erst im dritten Satz besser präsentieren darf, bevor beide Gruppen zu einem entfesselten „Shlimazl“ (Schlamassel) anheben. Den interessantesten Beitrag lieferten hier noch die grandiosen Improvisationen des E-Gitarristen Kalle Kalima und des Schlagzeugers Lucas Niggli.
Dass es ausgerechnet der wegen ihrer religiös introvertierten Werke hoch geachteten russischen Komponistin Sofia Gubaidulina in ihrer über 30 Jahre alten „Revuemusik“ besser gelingt, die beiden Ensembles zu einem homogenen und gleichberechtigten Klangkörper zu schmieden, und das mit viel Spielfreude, hinterließ die überraschendsten und nachhaltigsten Eindrücke des Abends.
„Play Big“: Ein irrwitzig überdrehtes multimediales Ragout
Für den dicksten Beitrag, Simon Steen-Andersens „Trio“, gesellte sich nach der Pause noch das Chorwerk Ruhr dazu. Eine 50-minütige Ton- und Bild-Collage aus Dokumenten des Südwestrundfunks. Klang- und Filmschnitzel werden zu einem irrwitzig überdrehten multimedialen Ragout geraspelt, das die drei Live-Ensembles mit meist kurzen Einwürfen ergänzen. In bewundernswert präziser Koordination mit den Bildern, wofür gleich drei Dirigenten zu sorgen haben. Aber viel mehr als klingendes Beiwerk brauchen die drei Klangkörper nicht zu leisten, womit die seltene Chance vertan wurde, drei versierte Top-Ensembles für ein musikalisch effektiveres Gemeinschaftsprojekt einsetzen zu können. Schade.
Für die Aufführung in der Bochumer Jahrhunderthalle am 22. September um 20 Uhr sind noch wenige Tickets verfügbar. Infos und Tickets: www.ruhrtriennale.de.