Dortmund. Ruhrtriennale-Konzert: In der Dortmunder Zeche Zollern bestätigt das Chorwerk Ruhr mit Rachmaninows Vesper seine internationale Klasse.

Mit spürbarer Ergriffenheit reagierte das Publikum in der ausverkauften Zeche Zollern auf den jüngsten Beitrag des Chorwerks Ruhr im Rahmen der Ruhrtriennale, mit dem das Ensemble erneut seine internationale Klasse bestätigte. Den 150. Geburtstag Sergej Rachmaninows nahm Florian Helgath zum Anlass, dessen „Großes Abend- und Morgenlob“ op. 37 zur Aufführung zu bringen. Die 15-teilige Vesper ist als tief inspiriertes religiöses Bekenntnis Rachmaninows zu verstehen, das tiefere Einblicke in das Seelenleben des Komponisten zulässt als die meisten seiner bekannteren Klavier- und Orchesterwerke.

Zu begrüßen ist die Werkwahl gerade in einer Zeit, in der man Gefahr läuft, die großen Leistungen der russischen Kultur zu vergessen oder gar zu diskreditieren. Eine Kultur, die oft selbst unter den Repressalien russischer Diktatoren zu leiden hatte und auch aktuell darunter zu leiden hat. Seine Vesper schrieb Rachmaninow 1915. Aufführungen wurden nach der Oktoberrevolution verboten und der Komponist emigrierte in die USA. Endgültig, ohne Rückkehr in sein Heimatland.

Mit dem Chorwerk Ruhr erwies sich die fantastische Akustik der Halle auf Zollern

Angesichts der für ein a-cappella-Werk ohne instrumentale Unterstützung mit 70 Minuten ungewöhnlichen Länge wird die Vesper oft als „monumental“ angekündigt. Genau das strebt Florian Helgath nicht an. Die überragende Gesangskultur seines Chors erlaubt es ihm, die Dynamik äußerst sensibel und feingliedrig zu dosieren. Ausgehend von einem substanzreichen, klangschönen Piano gelingen die Steigerungen und Höhepunkte ohne jeden forcierten Druck. Dabei kommt ihm die fantastische Akustik der Halle glücklich entgegen, die, erfüllt von den überwiegend introvertierten Gesängen, das an sich abgedroschene Klischee einer „Kathedrale der Arbeit“ in diesem Fall nachvollziehbar bedient.

Die Halle ist zwar kleiner als die Bochumer Jahrhunderthalle oder die Duisburger Kraftzentrale, aber groß genug, um dem Chor auch räumliche Freiheiten zu bieten. So wechselten die Sängerinnen und Sänger mehrmals ihre Position, um aus verschiedenen Winkeln und Ecken raffinierte klangliche Wirkungen zu erzielen. Alles im Rahmen der spirituellen Kraft der Gesänge, nie im Dienst oberflächlicher Effekte.

Chorwerk Ruhr fasziniert auch bei Rachmaninow mit Intonation und Klangsensibilität

Rachmaninow orientiert sich durchgehend am Stil traditioneller orthodoxer Gesänge und verzichtet auf spektakuläre Kontraste oder Experimente, so dass es nicht leicht ist, die bisweilen ähnlich klingenden Teile unter Spannung zu halten. Die Delikatesse in Sachen Homogenität, Intonationssicherheit und Klangsensibilität, mit der das Chorwerk Ruhr immer wieder fasziniert, trägt den Chor auch über die Länge dieses Abends. Als kleines Experiment zog man den Trompeter Tom Arthurs hinzu, der den Sängern mit einigen einfühlsamen Solo-Improvisationen ab und zu Gelegenheit zum Durchatmen gab.

Viel Beifall für eine weitere Meisterleistung des Chorwerks Ruhr und ein musikalisches Highlight der Ruhrtriennale.

Die nächsten Aufführungen in der Zeche Zollern: am 19. und 20. August (jeweils 21 Uhr). Tickets und Infos: www.ruhrtriennale.de