Recklinghausen. Der dänische Koch und Installationskünstler macht die Ruhrfestspiel-Ausstellung zum kritischen Spiegel unserer Koch- und Ess-Zeit.

Es ist nur bedingt richtig, dass der Mensch ist, was er isst. Aber die Küche ist seit ihrem Einzug in die Zivilisation ein Fokus menschlicher Existenz. In unseren Tagen allerdings, in der arbeitsteiligen, hochdifferenzierten Gesellschaft, hat sie sich längst zu einem Kaleidoskop entwickelt, in dem sich sehr viele verschiedene Perspektiven brechen: Bei manchen finden die Küche hauptsächlich im Fernsehen statt, während die eigene Versorgung mit Essen auf Fertigpackungen, Fast Food oder anderem Auswärtsessen besteht. Bei anderen wird die Küche zum sündhaft teuren Repräsentationsobjekt, das zum Angeben noch besser taugt als früher das Auto. Sie kann aber auch zum Ort der mehr oder minder inszenierten Geselligkeit werden – oder sogar, bei Sterne-Köchen, zum Ort für Hochleistungssport und -kultur.

Ruhrfestspiele: Kunst, die ums Kochen kreist

Bei Lichte besehen gibt es jedoch auch sehr viele Parallelen zwischen Kunstbetrieb und Küchenkultur, auch Kunst ist hier zum schnellen Verbrauch bestimmt und dort von exquisiter Kostbarkeit, mal Anlage-Objekt, mal Herzenssache. Und wohl kaum jemand hat all diese Facetten so genau im Blick wie der dänische Künstler Søren Aagaard: Der gelernte Koch, der vor knapp einem Jahrzehnt seinen Master an der Königlichen Kunstakademie in Kopenhagen absolvierte, ist längst weltweit bekannt für seine Installationen und Performances, mit denen er das Sein und das Essen, das Kochen und die Kunst ergründet.

Die auf todsichere Lebensmittelversorgung bedachte Prepper-Szene wird bei Søren Aagaard im „Cafe Zero“ durchleuchtet.
Die auf todsichere Lebensmittelversorgung bedachte Prepper-Szene wird bei Søren Aagaard im „Cafe Zero“ durchleuchtet. © Kunsthalle Recklinghausen | Whitney Browne

Nun widmet ihm die Kunsthalle Recklinghausen anlässlich der Ruhrfestspiele die erste museale Einzelausstellung – auf den drei Etagen des Kunstbunkers nimmt Aagaard (sprich: „Orgord“) die komplette Ausstellungsfläche von 1000 Quadratmetern in Anspruch. Während in der obersten Etage mit einer ausschnitthaften Restaurantkulisse (bei der quasi die Küche im Vordergrund steht, man also die Perspektive des Personals einnimmt) und Videos die feine und doch beinharte Seite der Kulinarik zum Thema wird, ist die mittlere Etage dem seltsamen Völkchen der Prepper gewidmet. Jenen Menschen also, die mit Konserven, Wassertanks und ewig haltbaren Grundnahrungsmitteln sehr gezielt und bewusst darauf achten, dass sie auch im schlimmsten Katastrophenfall immer noch genug zu essen und zu trinken haben. Aargaard hat diese Installation wie ein Wald-Camp gehalten und deckt (auch in Videos mit Befragungen) die Mischung aus heimlicher Abenteuerlust, Naturverbundenheit und Sehnsucht nach dem Archaischen auf, die sich auf dem Grund der Prepper-Seele abgelagert hat.

Zur Ausstellung

Søren Aargaard. Kunsthalle Recklinghausen, Große-Perdekamp-Straße 25-27, 45657 Recklinghausen. Bis 4. August. Geöffnet: Di-So 11-18 Uhr. Eintritt: 5 €, erm. 2,50 €. Ruhrfestspielbesucher mit einer gültigen Karte für den Tag haben freien Eintritt. www.kunsthalle-recklinghausen.de

Einen abwechslungsreichen, vielschichtigen Querschnitt durch Aargaards Schaffen bietet dagegen das Erdgeschoss der Kunsthalle: eine fleckige Kochmütze als erzähl- und assoziationsförderndes Objekt hinter Glas, eine Schürze nimmt das Muster einer angebratenen Pfanne auf. Ein Michelin-Männchen erinnert daran, dass Lebensmittel auch transportiert werden müssen – es hat ja nur Ringe, keine Sterne. Ein Kühlschrank mit einigen Kilo Muscheln und einem Bund frischer Petersilie. Hinter Acrylglas: eingelegte Gurken und Melonen.

Blick von oben: Søren Aagaards Räume für die Ausstellung der Ruhrfestspiele 2024 in Recklinghausen.
Blick von oben: Søren Aagaards Räume für die Ausstellung der Ruhrfestspiele 2024 in Recklinghausen. © Kunsthalle Recklinghausen | HANDOUT

Oder Schichten von diversen Mehlen und Körnern, die ein Gewürzgemälde ergeben, wie man sie von Dieter Roth kennt. Oder eine Tüte mit saftig gelben Pommes – aus Stoff. Und in der Mitte zwei schwarz-weiß gestreifte Küchenblöcke, auf denen der Meister im Laufe der Ausstellung auch zaubern wird. Viel zu gucken, ein bisschen zu schmecken und noch mehr zu denken gibt diese Ausstellung.