Essen. „Open Your Mind And Your Trousers“ heißt die neue LP von H.P. Baxxter & Co. Mit uns sprach H.P. u.a. über Texte und 30 Jahre Erfolg.

Sie haben zurzeit so einiges zu feiern, die drei Bandmitglieder von Scooter. Allen voran runde Geburtstage. Vor 30 Jahren kletterte „Hyper Hyper“ bis auf Platz zwei der Charts. Die Kritiken fallen vernichtend aus, aber Fans feiern die Kombination aus schnellen Beats, Sprechgesang und Shouting. Scooter entwickeln sich zum Phänomen und bleiben es bis heute. Daran können auch die zahlreichen Umbesetzungen im Trio nichts ändern (aktuell mit Jay Frog, der bereits von 2002 bis 2006 dabei war, und Marc Blou seit 2023). Eine Konstante bleibt: der stets platinblondierte H.P. Baxxter, der eigentlich Hans Peter Geerdes heißt. Mit Maxi Strauch sprach der frischgebackene 60-Jährige (16.3.) über das neue, nun veröffentlichte Album „Open Your Mind And Your Trousers“, Botox-Behandlungen und seine anstehende Hochzeit.

30 Jahre Scooter. Wie fällt Ihr Resümee aus?

Da kann man nur sagen: Wer hätte das gedacht? (lacht) Ich schaue eigentlich selten zurück. In unserer Doku wurde ich damit jetzt mal wieder konfrontiert. Und das hat mich doch ein bisschen bewegt und gleichzeitig überrascht. Mit der Arbeit an einem neuen Album, dann auf Tour sein, da verfliegt die Zeit so schnell. Aber wenn ich jetzt alte Fotos und Videos sehe, wird mir erst mal bewusst, dass 30 Jahre schon eine verdammt lange Zeit sind.

Können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Ihnen bewusst wurde: Das mit Scooter, das wird was?

Eigentlich hatten wir von den Anfängen mit der ersten Band bis zum ersten Charterfolg eine lange Durststrecke, das waren acht Jahre ohne nennenswerte Erfolge. Erst als Rick (Anm. d. Red. Rick J. Jordan, stieg 2014 bei Scooter aus) und ich damit gar nicht mehr gerechnet hatten, da kam „Hyper Hyper“ und wir hatten einen Charthit. Da haben wir gesagt: Jetzt fängt der Spaß erst an, jetzt wird’s richtig anstrengend. Das wird bestimmt harte Arbeit, da oben zu bleiben.

Und so war’s dann auch?

Ja, aber ich glaube, wir hatten die richtige Einstellung. Ich habe nie darüber nachgedacht, wie lange das gehen könnte. Wir haben uns nur gefragt, wie wir die nächste Single auch wieder da oben in die Charts bekommen. Aber was auch wichtig ist: Wenn es nicht mehr ganz so gut läuft – und so eine Phase kommt immer: Nicht durchdrehen, sondern weitermachen. Mehr kann man nicht tun. Hat sich auch ausgezahlt.

Gehören zu jeder Scooter-Show dazu: Pyrotechnik, LED-Leinwände und Tänzerinnen.
Gehören zu jeder Scooter-Show dazu: Pyrotechnik, LED-Leinwände und Tänzerinnen. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Haben Sie trotzdem jemals daran gedacht aufzuhören?

Rick und ich, wir haben immer gesagt: Aufgeben ist keine Option. Ist es auch heute nicht, weil es mir immer noch so viel Spaß macht, wenn nicht sogar noch mehr als früher. Wir spielen auf großen Festivals, wahnsinnige Shows, alles wird immer größer und besser. Da wäre ich ja bescheuert, wenn ich jetzt aufhören würde. Der Erfolgsdruck ist auch nicht mehr so groß, das hat sich gelockert.

Stört es Sie, dass Scooter nach all den Jahren und den Erfolgen teilweise immer noch belächelt wird?

Das war vielleicht in der ersten Hälfte unserer Karriere so. Aber manchmal ist das „Lächeln“ ja auch beabsichtigt durch die, nun ja, abstrakten Texte (lacht). Das ist ja gewollt, dass das keine Musik ist, der man andächtig lauscht. Es soll Spaß machen! Ich finde, wenn Musiker versuchen, weil sie gerade erfolgreich sind, noch ernsthafter durch ihre Musik zu wirken, das geht zu 90 Prozent voll in die Hose.

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An wen denken Sie da?

Ich fand in meiner Jugend zum Beispiel New Wave klasse, und dann sind die Bands irgendwie in die Popmusik abgerutscht mit irgendwelchen Background-Sängern. Dann waren die für mich von einem auf den anderen Tag gestorben. Ich habe die ja gehört, weil sie anders sind.

Also dürfen sich die Fans wieder auf ein „klassisches“ Scooter-Album freuen?

Wir bleiben unserem Stil treu, aber mit stetiger Wandlung und Veränderung. Wir haben diesmal zum Beispiel mit Hyper Techno gearbeitet, das ist total angesagt in sämtlichen Clubs. Das ist eigentlich vom Tempo so, wie wir mal angefangen haben vor 30 Jahren, 170/180 Beats pro Minute, recht minimalistisch. Es ist also ein bisschen anders, aber auch nicht viel und das passt super. Auf dem neuen Album haben wir vier, fünf Tracks in der Richtung.

Es gibt auch eine Neuauflage auf dem Album. Sie haben „Posse“ neu aufgenommen.

Sowas haben wir vorher noch nie gemacht. Es gab zwar Remixe von anderen Acts oder DJs, aber wir haben noch nie sowas wie „Hyper Hyper 2024“ gemacht. Aber ich fand den Move gut, sich jetzt mal einen Track rauszusuchen. Und da habe ich an „Posse“ gedacht. Der war nicht so der Mega-Hit, aber es ist schon ein Lieblingssong der Scooter-Fans. Und deshalb fand ich es cool, da eine ganz neue Version draus zu machen. Das bleibt aber wohl eine einmalige Aktion.

Wie kommen Sie eigentlich auf so Titel und Textzeilen wie „I Keep Hearing Bingo“?

(lacht) Da sind wir nach Schottland gefahren mit der Fähre. Und da gibt’s abends immer Entertainment, Disco oder man spielt Bingo. Und dieser Conférencier hat immer durchs Mikro gebrüllt: „I keep hearing Bingo, I keep hearing Bingo.“ Das habe ich aufgeschnappt und mir aufgeschrieben. Ich schreibe mir solche Sachen immer mal ins Handy. Und wenn ich was brauche, gucke ich da drauf.

Sicher eine schöne Sammlung. Was stand da noch auf der Liste?

Zum Beispiel ging es in Australien mal darum, dass wir nach einer Aftershow noch in einen Club wollten und ob wir da einen Tisch buchen sollen. Und einer vor Ort meinte: „Booth is the only way“, also er meinte die DJ-Kanzel. Und das klang so richtig, dass ich das irgendwann eingebaut habe (Anm. d. Red. „Rave Teacher (Somebody Like Me)“). Oder „Flagman ahead“ (Anm. d. Red. „Anthem Mix”). Wir waren in Florida und da war ein Schild, das davor warnte, dass gleich jemand kommt, der vor etwas warnt (lacht). Das fand ich so kurios. Oder „Gothic doesn’t exist“ (Anm. d. Red. „Fuck The Millennium“), das kam aus einem MTV-Beitrag von einem Gothik-Anhänger, der wohl etwas frustriert war, dass das alles nicht mehr so wie früher ist. Wenn man sowas aus seinem Zusammenhang reißt, entsteht da eine besondere Komik und das finde ich dann besonders witzig.

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Was hat es mit dem neuen Albumtitel „Open Your Mind and Your Trousers“ auf sich?

Das ist der Begrüßungssatz von „Rave And Shout”. Das ist natürlich irgendwie Schwachsinn (lacht). Da geht’s eher auch darum, dass man überlegt: „Hä, was hat der da gesagt?“ Dieses Es-nicht-fassen-können, oder zu überlegen, ob man sich verhört hat, das finde ich dann besonders gelungen.

Denken Sie darüber nach, dass das auch komisch ankommen könnte? Vor allem nach dem Rammstein-Skandal?

Nee, ich sehe das einfach nicht ein. Nur weil der Zeitgeist gerade nicht gut ist, muss ich mich dem doch nicht anpassen. Ich mache es so, wie ich es für richtig halte. Man muss es mit Humor sehen, und wenn man diesen Humor nicht mehr hat, dann kann man auch gleich aufhören. Oder wenn man etwas plötzlich nicht mehr lustig findet, weil das gerade nicht so angesagt ist. Da denke ich mir, dann lasst euch doch alle einbalsamieren und beerdigen, aber ich mache den Scheiß nicht mit.

Gibt es denn eine Textzeile, die sie bereuen?

Nö. Man darf auch nie vergessen, bestimmte Sachen entstehen in einer gewissen Zeit und in einer gewissen Stimmung. Zum Beispiel der ganze Song „Hyper Hyper“, der ist so 90er, auch sehr spezifisch durch die DJs, die da genannt werden. Das macht heute keinen Sinn mehr. „Move You Ass“ aus der gleichen Zeit ist aber eine Nummer, die kann man heute noch genauso spielen. Ich habe irgendwann mal am Ende eines Songs gerufen „Ihr Schweine“, das hat zu der Zeit im Club dann immer jemand gerufen. Das war nicht als Beleidigung gedacht. Man muss unsere Tracks zumindest mit einem Augenzwinkern hinnehmen.

Es gibt dieses Jahr noch mehr zu feiern. Sie werden im März 60 Jahre alt!

Gott sei Dank fällt das unter den Tisch bei den ganzen anderen Sachen (lacht). Sechs Jahrzehnte ist schon eine Ansage. Für mich wirkt das so surreal und abstrakt, weil sich mein Lifestyle nie groß verändert hat. Ich bin seit 30 Jahren mit Scooter auf Tour, immer auf der Bühne, im Studio, ich mache meinen Sport … Es hat sich nichts verändert, nur die Zahl ist eine andere. Na ja, da denkt man immer mal wieder drüber nach.

Was sind das für Gedanken?

Manchmal denke ich mir schon, wer weiß, wie lange man das alles noch so machen kann. Aber auf der anderen Seite denke ich, ich bin noch so fit! Meistens ist es so, irgendwann passiert irgendwas und dann geht‘s halt nicht mehr. Dann kann man auch nichts ändern. Aber solange alles Spaß macht und ich fit genug bin, mache ich auch weiter.

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Haben Sie schon mal an die Rente gedacht?

Nein, das käme auch eher nicht von mir aus, sondern umständehalber. Wir machen Musik, die ziemlich schnell ist. Du musst performen, Gas geben. Sollte ich irgendwann mal merken, hier und da zwickt’s, und man kann nicht mehr so, wie man will, dann würde ich es auch gut sein lassen.

Die 60 sieht man Ihnen aber auch nicht an. Was ist ihr Geheimnis?

Danke! Ich mache seit circa 25 Jahren mein Lauftraining und ich habe einen Personaltrainer. Und dann gehe ich hier und da hin, ein bisschen Botox links und rechts. Aber nie übertrieben viel, nur so viel, dass es noch gut aussieht.

Nicht viele Promis sprechen offen darüber, dass sie sich Botox spritzen lassen.

Ach, ich mache das ja nicht und sehe aus wie Frankensteins Monster. Wenn man das in Maßen macht, ist das schon OK. Ich rauche auch immer noch, aber eben nicht mehr zwei Schachteln am Tag, sondern nur noch, wenn ich weggehe oder Alkohol trinke. Da gilt gleiches, Alkohol trinke ich auch nicht jeden Tag. Wenn man sich also alle vier Monate ein bisschen Botox spritzen lässt, finde ich das nicht schlimm. Man sieht ja ganz normal aus, es fehlen nur ein paar Falten.

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Nach Albumveröffentlichung, Tourauftakt und Geburtstag steht noch eine große Feier an. Sie heiraten dieses Jahr. Wie laufen die Vorbereitung? Gibt es schon einen Termin?

Den Termin haben wir bewusst noch nicht verkündet, sonst gibt’s da Unruhen. Im Juni auf jeden Fall und dass es auf Sylt stattfindet, hat sich auch schon rumgesprochen. Sara hat schon ihre Brautkleider, die durfte ich natürlich noch nicht sehen, für das Standesamt und für die Kirche. Und ich habe schon meinen Smoking für abends, aber ich brauche noch was für tagsüber.

Wer hat sich um die Musik gekümmert?

Ich habe schon Empfehlungen abgegeben und das dann auch entsprechend gebucht. Schön gemischt, klassische Partymusik querbeet bis hin zu einem jungen DJ, der eher ganz aktuellen Sound macht. Und dann habe ich für später auch noch eine sehr coole Techno-DJane aus Berlin engagiert.

Und was wird in der Kirche gespielt?

Da haben wir uns noch nicht entschieden, aber das wird auch sehr feierlich, richtig traditionell. Da legt kein DJ auf. (lacht)

Scooter live: 6.4. Dortmund (Westfalenhalle, ausverkauft), 21.7. Weeze (Parookaville Festival). Tagesticket ca. 128 €), 23.11. Köln (Lanxess Arena). Tickets ab 51 €.