Duisburg. Die Künstlerin ist eine der erfolgreichsten in Deutschland. Duisburgs Museum stellt ihre hochsinnlichen und höchst sinnigen Werke aus.
Da sind vier Mobiles, an denen zentnerschwere Steine von der Decke hängen und federleicht wirken, als würden sie sich beim leisesten Lufthauch bewegen. Da ist ein offenes Spiegelkabinett, in dem manchmal Glasscheiben unverhofft einen Durchblick gewähren – und die Glühbirnen auf dünnen schwarzen Ständern lassen uns ein Licht aufgehen, auch wenn manche gar nicht angeschaltet sind und noch mehr zur Verwirrung beitragen.
Alicja Kwade stellt im Lehmbruck Museum unsere Sinne auf den Prüfstand
Alicja Kwade, 1979 in Katowice geboren und inzwischen eine der erfolgreichsten Künstlerinnen Deutschlands, besticht vordergründig immer wieder durch extrem sorgfältig gearbeitete Oberflächen, vom glänzenden Edelstahl über Messing bis zu poliertem Stein oder Kunststoff. Im Duisburger Lehmbruck Museum lässt sie ihre künstlerischen Muskeln spielen und überzeugt auch mit weniger spektakulären, aber äußerst sehenswerten Werken wie „Emergenz“: Einer Reihe von Kugeln, Steinen und rhombusförmigen Körpern, die durch Spiegelscheiben voneinander getrennt sind. In den Spiegeln aber entstehen in kunstvoll arrangierten Größenverhältnissen neue „Bastard“-Plastiken, halb Stein, halb Kugel.
Es gibt keine Wahrheit, nur Perspektiven auf sie: Alicja Kwade, die in der Region zuletzt in der Kunsthalle Recklinghausen zu sehen war, variiert Nietzsches fundamentale Erkenntnis-Skepsis in höchst ansehnlicher wie anschaulicher Weise. Magrittes Pfeife aus dem Gemälde, das klarstellt, die Pfeife darauf sei gar keine, taucht in einer Kwade-Skulptur wieder auf, die mit einer programmierten Fräs-Maschine aus einem rohen Baumstamm mit Rinde entstand. Vom Stamm ist die Hälfte noch zu sehen, weil Alicja Kwade in einem bestimmten Moment die Maschine stoppte: Kunst ist, wenn man weiß, wann man aufhören muss.
Zwei Nissan-Zwillinge im Skulpturenhof des Lehmbruck Museums
Da ist allerdings auch der Riesenraum, in dem Lautsprecher das Surren der Neonröhren unter der Decke hörbar machen. Oder die beiden Nissan-Autos im Skulpturenhof des Lehmbruck Museums, die wie spiegelbildlich-symmetrische Zwillinge daherkommen. Oder der Stein, der übrigblieb, als eine Fräs-Maschine, in die alle 3D-Daten eines Granit-Brockens einprogrammiert war, versuchte, einen Klon des Granit-Brockens daraus zu erschaffen. Gestoppt von Alicja Kwade. Manches bleibt eben doch mindestens so sehr Konzept wie es Kunst wird.