Ein gelungener „Perfect Days“, ein kitschiger „Monsieur Blake“ und ein zu Herzen gehender „The Iron Claw“: Das sind die neuen Filme.
„Perfect Days“
Herr Hirayama reinigt öffentliche Toiletten im Zentrum von Tokio. Sein Tagesablauf folgt festen Regeln und Routinen, die immer wieder durch zufällige Begegnungen im Beruf, aber auch solche mit Verwandten und Bekannten aufgebrochen werden.
Auf den ersten Blick passiert wenig Aufregendes im neuen Film von Wim Wenders. In präzise choreografierten Kamerapositionen entfaltet sich der Lebenskosmos eines Einzelgängers, der sich die Freude an kleinen Dingen bewahrt hat, auch wenn ihn das in den Augen der Anderen zum Exoten macht. Hier findet Wenders (ohne Slapstick) erzählerische Nähe zu Jacques Tati, weil aus der nüchternen, sachlichen Alltagsbeschreibung umso tieferes Empfinden erwächst.
Hirayama (anrührend gespielt von Koji Yakusho, der dafür den Darstellerpreis in Cannes erhielt) ist einer, der Vergangenes bewahrt. Er hört Musik der 60er und 70er Jahre (Animals, Kinks, Patti Smith, Lou Reed) auf Audiokassette, liest Bücher, fotografiert mit analoger Spiegelreflexkamera. Ganz in der Tradition des japanischen Altmeisters Yasujiró Ozu geht es um die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbst und einer sich beständig wandelnden Welt.
Es gibt keine einzige überflüssige Minute in diesem berückend leicht erzählten Film mit seinen schönen Blicken und kleinen Gesten, die auch ohne Worte so viel sagen. Das hat Wim Wenders richtig gut gemacht. ues
„Monsieur Blake zu Diensten“
Der Londoner Geschäftsmann Andrew Blake kann den Tod seiner Frau nicht überwinden. Er beschließt, an den Ort des Kennenlernens zurückzukehren – die Domaine de Beauvillier. Doch an der Pforte kommt es zum Missverständnis: Blake wird mit einem Bewerber für die Stelle eines Butlers verwechselt. Für ihn eine ideale Möglichkeit, bleiben zu können und sich den Erinnerungen hinzugeben. Doch stattdessen findet er sich in einem Strudel von Problemen wieder, die es dienstbeflissen zu lösen gilt.
Federführend ist Gilles Legardinier, der mit der französischen Drama-Komödie sein eigenes Buch („Monsieur Blake und der Zauber der Liebe“) verfilmt (Regie und Drehbuch). Ergebnis ist eine Feelgood-Geschichte vor romantischer Kulisse mit einer Prise Dramatik und einem Skript, das gerade noch so eben an einem Julia-Roman vorbeischrappt.
Mittendrin: US-Schauspielstar John Malkovich („Seneca“), der sich hier mal von seiner komischen Seite zeigen kann. Sein „Blake“ ist ein Glücksfall: ein britischer Herr mit fragwürdigen Sprachkenntnissen, formvollendeten Manieren, verschmitztem Lächeln, Mutterwitz und feiner Ironie. Als Butler darf er Köchin Odile (Emilie Dequenne) und ihrer Katze bei der Selbstverwirklichung helfen, dem Hausmädchen Manon (Eugénie Anselin) beim Erwachsenwerden und Gärtner Phillipe (Philippe Bas) bei Liebesdingen. Klar, dass es auch eine schöne, aber unglückliche Gutsherrin gibt, in diesem Fall Fanny Ardant, wie üblich damenhaft und dauerhauchend (keine sagt so schön „Merci)“.
Am Ende ist Weihnachten und das Gefühl ist ähnlich: viel zu viel Zucker. Also: Höchstens was für Malkovich-Fans. Und für Katzenliebhaber. kui
„The Iron Claw“
Fritz von Erich treibt Ende der 70er-Jahre seine vier Söhne zum Wrestling-Sport, wo sie der Familie den bislang verwehrten Weltmeistertitel einholen sollen. Das Unterfangen gelingt, aber die Familie wird von immer neuen Schicksalsschlägen heimgesucht.
Man kann diesem Film vorwerfen, dass er zu lange dem American Spirit of Life huldigt und zu viele Prozesse im historisch verbrieften Familiendrama auf reine Resultate verkürzt. Wichtiger aber ist, dass der Film alle Figuren und ihr Umfeld ernst nimmt und bei seiner emotionalen Achterbahnfahrt trotz Überlänge zutiefst ans Herz geht.
Neben der superben Arbeit der Kostümbildner und Frisöre beeindruckt die Trainingsbereitschaft der Männer, sich Bizepse im Umfang eines Brathähnchens anzulegen und auch sonst physisch greifbare Athletik aufzubieten. Vor allem Zac Efron zeigt dabei ausgezeichnete Schauspielkunst als empfindsamer Kraftknubbel.
Die beherrschenden Charaktere aber sind die Frauen. Maura Tierney als gottesfürchtige Mutter, die im Hause das Sagen hat, Konfliktlösungen aber stets der grobschlächtigen Autorität des Ehemanns (Holt McCallany) überlässt. Und da ist die erfrischende Lily James, die sich mit optimistischer Initiativkraft einen der Erich-Brüder erobert und zur Selbständigkeit erzieht.
Sean Durkin hat einen modernen John-Ford-Film gedreht. Dass man das noch erleben durfte! ues