Essen. Im Interview spricht die französische Schauspielerin Fanny Ardant über ihren neuen Kinofilm „Im Herzen jung“, Beziehungen und die wahre Freiheit.
Die blutjunge und hochtalentierte Fanny Ardant wurde mit nur zwei Filmen zum Star. Zu verdanken hat sie das dem französischen Regisseur François Truffaut, der ihr in „Die Frau von nebenan“ (1981) und „Auf Liebe und Tod“ (1983) die weibliche Hauptrolle gab. Bis zu Truffauts Tod 1984 war Fanny Ardant auch seine Lebensgefährtin. Noch im selben Jahr stand sie für Volker Schlöndorffs Proust-Verfilmung „Eine Liebe von Swann“ vor der Kamera. Danach drehte sie viele Filme mit bekannten französischen und internationalen Regisseuren. Jetzt ist Fanny Ardant, 74, im Kinodrama „Im Herzen jung“ zu sehen. Ulrich Lössl hat mit dem Filmstar über die Liebe gesprochen.
Madame Ardant, stimmt es, dass die Regisseurin Carine Tardieu unbedingt eine Schauspielerin wollte, die keine Schönheitsoperationen an sich hat machen lassen?
Fanny Ardant: Ja, denn ein Gesicht, das durch plastische Chirurgie jünger scheinen würde, hätte Shauna vollkommen entstellt. Ich spiele eine Frau von 70 Jahren, die gelebt hat, und das sollte man ihr auch ansehen. Shauna ist eine Frau, die authentisch ist. Und sie hat ein Gesicht, auf dem sich die Emotionen widerspiegeln. „Im Herzen jung“ ist ein Film, der von echten Menschen handelt, mit all ihren Widersprüchen, Leidenschaften, Hoffnungen und Traurigkeiten.
Und es ist ein Film, der zeigt, dass echte Liebe kein Verfallsdatum hat...
Absolut. Man kann sich immer verlieben. Liebe hängt ganz sicher nicht davon ab, wie alt man ist. Oder wie alt der Mensch ist, in den man sich verliebt. In unserem Film verliebt sich ein jüngerer Mann in eine ältere Frau. Ich finde das wunderbar. Denn es räumt auch mit Vorurteilen auf. In unserer Gesellschaft ist es doch meist so, dass sich ältere Männer jüngere Geliebte nehmen. Shauna und Pierre verlieben sich, weil sie sich zueinander hingezogen fühlen. Und das ist nicht in erster Line körperlich, sondern hat etwas mit Seelenverwandtschaft zu tun.
Liebe ist…
Liebe ist wie eine Bombe! Jeder erzählt einem ja, Liebe ist dies und Liebe ist jenes… Doch wenn man sich verliebt, dann ist man total unvorbereitet und weiß überhaupt nicht, wie man sich verhalten soll. Man explodiert einfach.
Glauben Sie an „Liebe auf den ersten Blick“? Oder ist es doch eher „sexuelles Begehren auf den ersten Blick“?
(Lacht) Ja. Eher sexuelle Anziehung. Wir sagen dazu coup de foudre! („Der Blitz schlägt ein!“)
Freiheit und Unabhängigkeit sind für Sie sehr wichtig. Muss man, um wirklich frei sein zu können, nicht viel Geld haben?
Ich würde nicht sagen viel Geld, aber sicher, man muss so viel haben, dass man überleben kann. Und es kommt auch darauf an, wie man leben will. Was brauche ich denn wirklich? Ich brauche ein Dach über dem Kopf, Kleidung und etwas zu essen und zu trinken.
Ich stehe überhaupt nicht auf Luxus. Wenn man Dinge macht, nur um reich und noch reicher zu werden, wird man sich selbst schnell untreu und begeht Verrat an seinen Idealen.
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Wem vertrauen Sie?
Menschen, die mir nahestehen und die ich liebe. Wem ich absolut nicht traue, sind Politiker! In der Politik wird mir zu viel gelogen und betrogen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe sehr klare politische Ansichten, würde mich aber nie einer Partei anschließen. Ich habe einmal ein Zitat von Voltaire gelesen, das meiner Einstellung entspricht. Er sagte: „Politik ist ein Mittel für Menschen ohne Prinzipien, Menschen ohne Erinnerungsvermögen zu steuern.“
Sie wurden als junge Schauspielerin von François Truffaut entdeckt. Sie haben in seinen Filmen mitgespielt, waren seine Muse und bis zu seinem frühen Tod seine Lebensgefährtin.
François war sehr wichtig für mich. Er hat mir eine ganz neue Sicht auf das Leben geschenkt. Und damit mein Dasein als Frau und als Schauspielerin völlig auf den Kopf gestellt.
Aber der Mann, der mich wohl am meisten geprägt hat, war mein Vater. Ich war ein sehr rebellisches Kind, fast anarchisch. Aber er war immer sehr verständnisvoll. Und er hat sich vom Schein nicht blenden lassen. Er hätte den König von Spanien genauso behandelt wie einen Straßenkehrer. Er hat mir die Liebe zu den Menschen eingepflanzt. Ganz gleich, ob sie reich waren oder arm. Mein Vater war absolut unbestechlich. Und er hatte ein großes Herz.
Erinnerungen sind ein großer Schatz…
Ja – und nein. Ich habe viele gute und schöne Erinnerungen, die mir sehr teuer sind. Aber manche Erinnerungen sind auch Ballast. Und gelegentlich entscheide ich mich dann eben dafür, dieses schwere Gepäck einfach zurück zu lassen. Das macht das Leben etwas leichter.
>>> Kurzkritik: „Im Herzen jung“ <<<
Ein Zufall führt Pierre (Melvil Poupaud) und Shauna (Fanny Ardant) in einem Krankenhaus zusammen: Er ist Arzt, sie besucht eine Freundin. Die beiden unterhalten sich, finden sich sympathisch. 15 Jahre später sehen sie sich wieder. Eine leidenschaftliche Liebe beginnt, die jedoch von ihrem Umfeld nicht akzeptiert wird: Shauna ist 70 und damit fast 30 Jahre älter als Pierre. Dann erhält sie eine folgenschwere Diagnose.
Es ist die reine Melancholie, die einem hier entgegenströmt, verkörpert durch die Schauspielerin Fanny Ardant, die mit Eleganz, charmanter Schüchternheit, viel Dramatik und Mut zu jeder Falte zur Sache geht. Sie bildet das Zentrum der Liebesgeschichte, die Regisseurin Carine Tardieu mit sinnlichen Kamerabildern (Elin Kirschfink) erzählt.
Ein leises Drama mit stimmigen Figuren, das mit seiner verspielten Beiläufigkeit gefangen nimmt, aber auch mit einiger Larmoyanz daherkommt.