Essen. Regisseur Stephen Frears erzählt von Philippa Langley, die Richard III. zu einem würdevollen Begräbnis verhalf. Paraderolle für Sally Hawkins.
2012 sorgte ein Fund im englischen Leicester für weltweites Aufsehen: Unter dem Parkplatz des Sozialamts entdeckten Archäologen das Skelett König Richards III. Die Ausgrabung ging auf die Initiative der Hobby-Historikern Philippa Langley zurück, einer engagierten Lady mittleren Alters. Sie glaubte nicht an die Shakespeare-Version vom buckligen Bösewicht, dessen Leiche im Fluss Soar gelandet ist. 2015 wurden die Gebeine des wahren Herrschers in der Kathedrale von Leicester feierlich beigesetzt. Alles wegen Philippa.
Richard III. – ein verkannter Herrscher?
Die Geschichte ist ebenso schräg wie wahr und motivierte den Briten Stephen Frears zu seinem neuen Film „The Lost King“. Wie in „Philomena” und „Florence Foster Jenkins“ steht dabei eine starke Frau im Mittelpunkt, die sich gegen alle Widerstände behauptet. Ein Underdog-Drama, das Gerechtigkeit fordert für seine Heldin, der am Ende wieder einmal andere den Ruhm streitig gemacht haben.
Philippa Langley, Mutter zweier Söhne, lebt im schottischen Edinburgh. Sie muss täglich kämpfen. Philippa leidet an einer chronischen Krankheit. Ihre Ehe ist am Ende. Und obwohl sie beim Job immer die Erste und die Letzte ist, wird sie nicht befördert. Eine Rolle wie maßgeschneidert für die famose Sally Hawkins („The Shape of Water“).
Die Propaganda der Tudors
Als Philippa eines Tages Shakespeares Drama im Theater sieht, nimmt sie die Figur des Superschurken gefangen. Sie schließt sich der „Richard III. Society“ an (herrlich schrullig!), die es sich vorgenommen hat, den Thronräuber zu rehabilitieren: als verkannten Herrscher, diffamiert durch die Propaganda der Tudors. Der Sieger schreibt die Geschichte. Und Shakespeares Stück entstand hundert Jahre nach Richards Tod.
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Man staunt, leidet, bangt und jubelt mit Sally Hawkins: eine unscheinbare Person, winzig inmitten der Macher und Honoratioren, ein feinnerviges, mitunter ziemlich schrulliges Geschöpf, das sein eiserner Wille in den Himmel wachsen lässt. Wie Richard sieht sie sich als Opfer. Und so wird die Suche nach seinem Grab zur Obsession, begleitet von seltsamen Erscheinungen.
„The Lost King“ macht gute Laune
Dass das nie weinerlich daher kommt, sondern im Gegenteil gute Laune macht, liegt am britischen Humor. Die Dialoge haben Tempo, das Ensemble ist hinreißend (vor allem Steve Coogan als Ex-Mann John), und die Kamera setzt das mittelalterliche Edinburgh märchenhaft in Szene. Bleibt zu hoffen, dass die doch sehr im britischen Empire verhaftete Geschichte auch hier die Menschen erreicht. Zu wünschen wäre es ihr. Und ein bisschen auch dem unglücklichen Richard.