Köln. Carl Orffs „Carmina Burana“ mal szenisch – sensationell, spektakulär, sinnlich: La Fura dels Baus macht sie in Köln zum magischen Bilderbogen.

„Alles, was ich bisher geschrieben habe und was Sie leider gedruckt haben, können Sie nun einstampfen! Mit Carmina Burana beginnen meine gesammelten Werke“, schrieb Carl Orff 1937 an seinen Verleger. Alles einzustampfen, was bisher im Rahmen des 34. Kölner Sommerfestival gezeigt wurde, hieße allerdings, der Revue „Berlin Berlin“, der Tanzshow „Ballet Revolución“ und der Trommel-Performance „Tenmei“ von Yamato bitter Unrecht zu tun. Aber die szenische Interpretation von Carl Orffs Klassiker „Carmina Burana“ durch die Theatergruppe La Fura dels Baus setzt dem Bisherigen eine Sahnepyramide auf.

Was in weniger als 90 Minuten gezeigt wird, ist sensationell, spektakulär und sinnenfroh. Und es kommt dem, was der Komponist 1935/36 vollständig mit „Beurer Lieder: Weltliche Gesänge für Sänger und Chöre begleitet von Instrumenten und magischen Bildern“ überschrieb, sehr, sehr nahe. Weil es keine (wie so oft übliche) konzertante Aufführung ist, sondern eine, die ihren anschaulichen Zauber aus den Regie-Ideen und der Bühnengestaltung von Carlus Padrissa bezieht, Gründungsmitglied der katalanischen Musik- und Theatertruppe La Fura dels Baus, die im Kulturhauptstadt-Jahr 2010 an der Ebert-Brücke in Duisburg eine ihrer beeindruckendsten Shows ablieferte.

La Fura dels Baus bauten einen gigantischen Zylinder aus Tüll für die Vagantenlieder

Ein gigantischer Zylinder aus Tüll umhüllt das Orchester und dient zugleich als Fläche für Projektionen, die die mittelalterliche Vagantenliederwelt zwischen Frühlingserwachen, dörflichem Treiben, Reben- und Liebestrunkenheit in starke Bilder umsetzen. Übers netzartige Gewebe wallen Quallen, Nebelwolken und Wasserfälle, Flammen, die Sonne und selbst der Mond erglühen. Lippen spitzen sich zum Kuss, Trauben werden mit Füßen getreten und Hähnchen an Spießen gebraten. Ein riesiges Herz pumpt und pulst, grausam durchstochen vom Schaft eines Pfeils. Am Ende verwandelt sich der Rand der Umhüllung, schräg gekippt, in das immerwährend rotierende Rad des Glücks.

„O Fortuna“ – diese machtvolle Beschwörungskompositionsformel kennen selbst die im Publikum, die mit Orffs Cantiones nicht vertraut sind. Dank der Werbung eines Nahrungsmittelherstellers aus der Schweiz, der Anfang der 1990er zum „Rendezvous der Sinne“ kraft Schokolade bat. Mit zwei Klavieren, Flöte, Kontrabass, Pauke und sechs Schlagzeugen, mit 24 Chorsängerinnen und -sängern, sechs Tänzerinnen, fünf hervorragenden Solo-Stimmen und der Unterwassertänzerin Raquel Cruz im achteckigen gläsernen Fass, wird das zum Rausch für Augen und Ohren. Kleine Warnung an die in der ersten Reihe: sobald Wein getrunken wird, fliegen die Spritzer!

Bis 18. Juli., Philharmonie Köln, Do./Fr. 20 Uhr, Sa. 16/20 Uhr, So. 15 und 19 Uhr, Karten ab 49,90 Euro inkl. Geb. www.koelnersommerfestival.de