Köln. Wenn Ballet Revolución in der Stadt ist, kommen die Menschen tänzelnd aus der Show – jetzt beim Sommerfestival in Köln.

Wenn das Publikum am Ende nicht aus der Philharmonie herausströmt, sondern tänzelt, mit wiegenden Hüften, im Gesicht ein glückseliges Lächeln, heißt das: Sie sind wieder in der Stadt! 2012 gaben die Tänzerinnen und Tänzer von Ballet Revolución ihr erstes Gastspiel beim Kölner Sommerfestival, 2016 folgte das zweite. Beide Male wurde die junge kubanische Compagnie frenetisch gefeiert. Und nun ein drittes Mal, bei der Premiere am Dienstagabend.

Wer die Mischung aus klassischem Ballett, lateinamerikanischem Tanz und Modern Dance, Akrobatik, Breakdance und kubanischem Lebensgefühl noch nicht kennt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zu Nr. 1-Hits aus den Charts, zu Pop, R&B und Hip-Hop, gespielt von fünf Musikern und gesungen von einer Sängerin und einem Sänger, macht das Ensemble seinem Namen alle Ehre. Hier stürmt der Bühnentanz die Barrikaden.

Spiel mit den Geschlechterrollen und die Kostüme von Jorge González

Diejenigen, die bereits vorher Gelegenheit hatten, die (mit Pause) rund zweieinhalbstündige Show zu erleben, freuen sich über Klassiker wie den Pas de Deux zweier Paare auf zwei Bistrostühlen. Zu elegischer Flamenco-Gitarre einander umschlingend, umgarnend und auf Händen tragen. Mit fließenden, gleitenden Bewegungen, hoch erotisch, hoch präzise. Posen einnehmend, die man sonst nur aus dem Zirkus kennt: Tanz trifft auf Equilibristik. Eine zweite „bestuhlte“ Choreografie, für nur ein Paar, ist Adeles „Hello“ gewidmet. Gesungen von der wunderbaren Rachel Matthews, die stimmlich auch mit Shakira und Lady Gaga keine Probleme hat. Einen besonderen Reiz entwickeln ihre Interpretationen von Stücken, die im Original von Männern gesungen werden: James Browns „It’s a Man’s World“ und Stings „Roxanne“.

Das Spiel mit Geschlechterrollen ist wesentlicher Bestandteil der Choreografien des Kubaners Roclan Gonzaléz Chávez und seines aus Australien stammenden Kollegen Aaron Cash. Auch Männer tanzen hier auf Spitze, Frauen bilden Paare mit Frauen, Männer mit Männern. Eine der schönsten Choreografien ist reine Frauensache. Zu Sias „Chandelier“ inszenieren fünf Tänzerinnen einen Tag am Meer, rund um eine grüne Bank, die zur Mini-Bühne wird. Mal Ruheort, mal Absprungplattform, mal ein sich wild drehendes Karussell. Man schlägt sich und verträgt sich, schubst sich von der Bank, kuschelt sich auf ihr aneinander, fliegt darüber, schlängelt sich darauf entlang und darunter hinweg, und kreuzt dahinter liegend die hoch gestreckten Beine, neckisch mit ihnen winkend, so als seien es Hände.

Hohes Tempo mit Hebefiguren, Sprüngen und Pirouetten, mit Rumba, Salsa und Mambo

Meeresrauschen und Möwenschreie sind das klangliche Entree für dieses bezaubernde Tanz-Quintett, bei dem auch fünf Fächer zum Einsatz kommen. Auf- und zugeklappt, schnell hin und her bewegt oder ganz langsam gefächelt, paraphrasieren sie, was in puncto Befindlichkeit der „Bankerinnen“ gerade Sache ist Ballet Revolución vereint 19 geschmeidige Körper, ihre pulsierende Energie und ihr hochtouriges Tempo mit Hebefiguren, Sprüngen und Pirouetten, mit Rumba, Salsa und Mambo, Salti, Flic-Flacs und Twists, Footworks, Freezes und Powermoves.

Den Puls für den mitreißenden Rhythmus gibt Percussionist Luis Palacios Gálvez vor, sein Solo an den Congas ist pures Adrenalin. Zum Erfolg der Show tragen auch die Kostüme von Jorge González bei. Schon seit 2012 entwirft der aus „Germany’s Next Topmodel“ und „Let’s Dance“ bekannte Mr. High Heels die Outfits der Compagnie.

Muskulöse Männeroberkörper, Tattoos, Bärte, Ponyfransen und nackte Füße oder Boots

Mal leuchtend bunt und straßentauglich, mal verrucht glitzernd, asymmetrisch geschnitten, mit Spitze unterlegt oder kreisrunden Aussparungen versehen, sind sie immer ein Hingucker. Ihre Trägerinnen und Träger, die regelmäßig durch Nachwuchs von der „Escuela Nacional de Arte“ in Havanna ersetzt werden, sind individuelle Erscheinungen. Nach strengen Ballerinen-Dutts und genormten Körpern sucht man hier vergebens. Getanzt wird mit offenen Haaren oder Dreadlocks, man sieht muskulöse nackte Männeroberkörper, Tattoos, Bärte, Ponyfransen und, manchmal, auch nackte Füße oder solche, die statt in Ballettschuhen in Boots stecken.

Bis 9. Juli, Philharmonie Köln. Do. und Fr. 20 Uhr, Sa. 15 und 20 Uhr, So. 14 und 19 Uhr. Karten ab 44,90 Euro inkl. Gebühren. www.koelnersommerfestival.de