Essen. Eine Reise tief in die Musik: Fred Hersch war zu Gast beim Klavier-Festival Ruhr. Das Publikum erlebte einen zauberhaften, unvergesslichen Abend.

Vladimir Horowitz konnte es. Keith Jarrett kann es. Und Fred Hersch kann es auch. Eine Taste auf einem Klavier drücken, und eigentlich sollte der Ton aus dem mechanischen Instrument ja bei jedem Menschen gleich klingen. Aber wenn Fred Hersch drückt, dann klingt nur Fred Hersch. Der US-amerikanische Pianist war jetzt zu Gast beim Klavierfestival Ruhr, das Konzert auf Zeche Zollverein wurde ein unvergleichlich zauberhafter wie intimer Abend.

Was auch an Herschs musikalischen Kumpel lag: Drew Gress am Bass, verlässlich, ein Anker im besten Sinne. Einer, der erdet und Halt gibt, ohne Bewegung zu verhindern; und Joey Baron am Drumset, der alles macht, nur irgendwie nicht Schlagzeug spielen. So wie Baron mit Händen, Mallets und Sticks seine Trommeln streichelt, spielt er ein drittes Melodieinstrument.

Für Fred Hersch gibt es keine Hindernisse am Flügel

Aber was Fred Herscham Flügel zaubert, ist in Worten kaum wiederzugeben. Für den zerbrechlichen Pianisten, der da zusammengekauert hinter seinem Instrument sitzt, gibt es keine Hindernisse, was er fühlt, fließt direkt aus der Seele ins Instrument und in die Ohren des Publikums. Wo das Klavier für andere im besten Falle ein Medium oder nur eine technische Herausforderung ist, wird es für Fred Hersch zur natürlichen Verlängerung seines Geistes. Es galt für jedes Stück des Abends, Standards, erfrischend unaufgeregte Eigenkompositionen wie „Sad Poet“, egal. So organisch und natürlich wie bei Hersch hat man Klaviermusik nur sehr, sehr selten gehört.

Fred Hersch in Essen – ein zärtlicher Kraftakt ohne Pause

Ein unvergesslicher Abend. Denn selbst die Dramaturgie des gut 100-minütigen Konzerts, ein zärtlicher Kraftakt ohne Pause, ist makellos. Fred Hersch legt großartig los und wird nur besser. Emotionale wie musikalische Höhepunkte sind folgerichtig die Zugaben des exzellent eingespielten Trios, Bernsteins „Somewhere“ und Billy Joels „And so it goes“. Beseelt ist das Publikum, vereint nach einem Abend wie diesem, noch wenn es beglückt zum Parkplatz schwebt. Es passiert nicht oft, dass einer technische Perfektion und tief empfundenes Gefühl vereint. Fred Hersch tut es.