Essen. MiA. ist eine charmante Mischung aus Popmusik und Elektrosound, bekannt wurde die Band durch „Tanz der Moleküle“. Jetzt ist sie mit Sängerin Mieze Katz zurück

MiA. ist eine charmante Mischung aus Popmusik und Elektrosound. Im Mai 2006 stieg die Single „Tanz der Moleküle“ in die Top 20 der deutschen Charts ein und wurde zur bis dahin erfolgreichsten Single der Bandgeschichte. Jetzt sind MiA. mit Sängerin Mieze Katz zurück. Die 45-Jährige hat kürzlich eine Solosingle veröffentlicht. Diese trägt den Titel „Hellsehen“ und ist ein Duett mit Eva Briegel, der Sängerin von Juli. Unsere Sonntagszeitung hat mit der MiA.-Frontfrau gesprochen.

Wie kamen Sie auf den Titel ihres neuen Songs „Hellsehen“?

Das Bedürfnis, das Gefühl und die Idee waren zuerst da – das ist ja meistens so. Dann versuche ich, die richtigen Worte zu finden. Ich liebe Songtexte. Ein Song ist dann fertig, wenn er sich richtig anfühlt. So war es auch bei „Hellsehen“. Unser Schlagzeuger Gunnar hat den Anfang beigesteuert. Seit einigen Jahren texten wir zusammen, und Gunnar und ich bewegen uns dabei zwischen Kopf und Herz. In der Band sind wir eine strenge Jury – jedes Wort muss von uns allen abgesegnet werden. (lacht) Ich war sofort Feuer und Flamme für das Wort „Hellsehen“.

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Warum?

Ich bemühe mich jeden Tag, diesem Bedürfnis Raum zu geben. Ich möchte hellsehen. Leider ist es im Moment besonders schwer.

Kann man in der aktuellen Schieflage – mit dem Ukraine-Krieg, dem Nahost-Konflikt und Angriffen in Deutschland wie in Solingen und Essen – überhaupt noch hellsehen?

In einer so diversen Gruppe wie unserer Band Harmonie oder eine Mitte zu finden, lässt mich hellsehen. Wir sind sehr unterschiedlich. Von außen werden wir oft als die gemeinsame Stimme von MiA. wahrgenommen, aber der Weg dahin ist alles andere als gradlinig. Da sind vier erwachsene Menschen mit vier verschiedenen Universen.

Wir leben in einer diversen Gesellschaft…

Ganz genau, und der Dialog ist dabei das A und O. Das spiegelt unsere Demokratie wider. Eine Zeit lang dachte ich: „Ich mache das in meinem kleinen Umfeld, so wie ich es mir im Großen wünsche.“ Aber das reicht nicht mehr. Es ist wichtig, auf die Straße zu gehen – für die eigene Meinung und für die Gesellschaft, in der wir leben wollen. Tatsächlich ist eine MiA.-Tour fast wie eine Messe. Es kommen nicht immer die gleichen Leute, sondern ganz unterschiedliche Menschen. Sie können sich vielleicht auf wenig einigen, aber auf diesen Abend und diese Band können sie sich einigen. Das gibt uns etwas. Man kommt als Fremder und geht als Freund.

MiA. und Sängerin Mieze Katz begeisterten 2023 beim Bochumer Musiksommer.
MiA. und Sängerin Mieze Katz begeisterten 2023 beim Bochumer Musiksommer. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Wenn Sie hellsehen könnten, was würden Sie sich wünschen? Also, Hellsehen im Sinne von in die Zukunft schauen.

Das ist eine gute Frage. Aber will ich überhaupt in die Zukunft schauen? Ich kann das nicht mit absoluter Sicherheit beantworten. Vielleicht würde ich manchmal ganz weit nach vorne blicken wollen, also 50, 60 Jahre in die Zukunft, weil ich wissen möchte, ob sich meine Zuversicht auszahlt. Oder wie chaotisch wird es hier? Welche Zukunftsutopien werden Wirklichkeit? Natürlich trage ich diese Neugier in mir, aber es ist interessant: Es ist ein Zustand zwischen Neugier und Angst.

„Hellsehen“ ist mit Eva Briegel von der Band Juli entstanden. Wie kam es dazu?

Ich liebe Eva, ich kenne sie schon seit vielen Jahren. Sie ist ja die Lebenspartnerin unseres Gitarristen Andy. Eva ist sehr wählerisch in ihrer Arbeit und ihren Kollaborationen. Es war dann so, dass Andy ihr das Lied zu Hause vorgespielt hat, und sie sagte sofort: „Da würde ich mitmachen.“ Wenn wir es schon im Alltag nicht schaffen, uns zu treffen, dann müssen wir eben ein gemeinsames Projekt starten. Mit Eva geht es aber nicht nur um die Zusammenarbeit bei „Hellsehen“, sondern um noch viel mehr darüber hinaus. Mit ihr ist es einfach sehr wertvoll. Und ich denke, man spürt da eine Nähe. Wir möchten vielen Menschen aus der aufgerauten Seele sprechen.

Im Pressetext steht: „Hellsehen“ war nie ein MiA.-Ding. Dafür ist einfach alles immer viel zu sehr im Hier und Jetzt. Sind Sie gerne im Hier und Jetzt? Oder sind Sie ein Mensch, der auch gerne mal in der Vergangenheit lebt?

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Ich bin schon sehr im Hier und Jetzt. Das liegt auch an der Koordination innerhalb der Familie, die mich in Anspruch nimmt. Ich habe zwei Kinder. In die Vergangenheit reise ich, wenn ich mich mit meinen Lieben an gemeinsame Reisen, Band-Ferien oder Konzerte erinnere. Die guten und schlechten Momente werden dann festgehalten. Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich nachdenke, wo mein alter Kindergarten war oder wie dieser oder jener Platz aussah. Es gab früher mal eine Abrisshütte, in der wir oft Buden gebaut haben. Das würde ich gerne aus heutiger Sicht noch einmal sehen. Ansonsten bin ich im Hier und Jetzt gut aufgehoben.

In diesem Hier und Jetzt haben Sie sich als Band von Anfang an auf Ihre ganz eigene Weise bewegt - im freien Raum zwischen allen Stühlen, ständig auf der Suche nach dem gemeinsamen Nenner in der Musik. Wie verlief diese Suche bis heute?

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Total turbulent. Eigentlich wie bei einer italienischen Familie am Mittagstisch. Es ist wirklich interessant, wie sich Geschmäcker ändern und wiederfinden. Die Rollen innerhalb der Band werden manchmal neu verteilt. Jedes Lied entsteht bei uns nach wie vor auf eine andere Weise. Das ist absolut chaotisch. Die Einzigen, die in diesem Chaos den Überblick behalten, sind wir.

Wie gehen Sie als junge, zweifache Mutter mit dieser Rolle um, wenn Sie auf Tour sind?

Wir sind eine sehr kinder- und familientaugliche Band. Unser „Band-Ältester“ wird schon 18 Jahre alt. Wir beschäftigen uns seit 18 Jahren mit den Themen Kinder, Tour, Betreuung und Organisation und haben das perfektioniert. Es klappt wirklich gut. Ich habe dabei sehr viel gelernt.

Gibt es innerhalb der Band keine Diskussionen, wenn Sie plötzlich etwas Eigenes machen wollen? Oder ist bei Ihnen alles miteinander verwoben?

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Total. Das geht Hand in Hand. „Hellsehen“ heißt ja auch unsere MiA.-Tour. Und der Song „Hellsehen“ wurde vor allem durch unseren Schlagzeuger inspiriert. Bei uns werden mein Solo-Projekt und die Band nicht getrennt – das gehört alles zusammen.

Im Mai 2006 stieg die MiA.-Single “Tanz der Moleküle” in die Top 20 der deutschen Charts ein und wurde zur bis dahin erfolgreichsten Single der Bandgeschichte. MiA. wollten nie eine klassische Popband sein, sondern fühlten sich im Indie-Bereich wohler. Oder?

Das ist spannend. Für die einen sind wir Independent, für die anderen Mainstream. Wir sitzen da oft zwischen den Stühlen. Wie man es macht, macht man es falsch. Es kommt immer darauf an, wen man fragt. Irgendjemandem schmeckt die Suppe nie. Wenn wir ein Heavy-Metal-Album machen würden, wäre das für viele Leute okay.

MiA. nimmt man vieles ab, die Band ist sehr authentisch.

Absolut. Vielen Dank. Das freut uns natürlich. Aber man müsste mal jemanden aus dem Indie-Bereich fragen, ob er MiA. für Independent hält. (lacht)

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Inhaltlich haben Ihre Texte teilweise politische Ansätze, was sich in Titeln wie „Ökostrom”, „Alles neu” oder „Machtspiele” zeigt. Wie geschockt sind Sie über die aktuelle politische Lage im eigenen Land und in der Welt? Macht Ihnen das Angst?

Ja, wem nicht? Ich kenne gerade wirklich niemanden, der sich zurücklehnt und sagt: „Das wird schon!“ Die Welt ist aus den Fugen geraten. Und natürlich stelle ich mir die große Frage: „Was für eine Welt übergebe ich eigentlich meinen Kindern?“

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