Hagen. Auf der A 44 starben zwei Männer bei einem vermutlich illegalen Rennen. Welche Maßnahmen ein Verkehrspsychologe für sinnvoll hält.

Bei einem schweren Verkehrsunfall sind am Mittwochabend auf der Autobahn 44 bei Unna zwei Männer aus Dortmund im Alter von 52 und 20 Jahren ums Leben gekommen. Der Polizei zufolge soll zuvor „vermutlich“ ein illegales Autorennen stattgefunden haben. Was geht in Menschen vor, die plötzlich sämtliche Verkehrsvorschriften außer Acht lassen? Karl-Friedrich Voss ist Diplom-Psychologe und Vorsitzender des Bundesverbandes Niedergelassener Verkehrspsychologen.

Teilnehmer an illegalen Autorennen mit Unfallfolge werden zunehmend von deutschen Gerichten wegen Mordes zu Haftstrafen verurteilt. Das dürfte sich mittlerweile bis zu jedem Pkw-Fahrer herumgesprochen haben. Warum missachten manche trotz dieses Wissens Tempobeschränkungen und gehen das Risiko eines tödlichen Verkehrsunfalls ein?

Ein schnelles Auto, das zudem viel Geld gekostet hat, erfüllt eine bestimmte Funktion: Der Besitzer will es sich nicht nur anschauen, sondern auch fahren. Oder besser: ausfahren. Auf der einen Seite erhofft er sich einen Kick, wenn er schneller als andere Autofahrer ist und sich damit gegen diese durchsetzt; andererseits wiegt er sich in seinem Temporausch in falscher Sicherheit und ist nicht mehr empfänglich für Risiken.

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Besitzer von 500 PS-starken Fahrzeugen argumentieren gerne mit der persönlichen Freiheit. Trifft das den Kern?

Die persönliche Freiheit hört auf, wenn sie auf Kosten anderer geht. Sprich: Wenn Verkehrsteilnehmer durch illegale Autorennen oder Raserei in Gefahr geraten. Eine weitere Überlegung: Freiheit braucht immer Gegenspieler – Verantwortung und Selbstkontrolle. Raser blenden dies in bestimmten Situationen einfach aus. Für sie zählt dann nur das unmittelbare Erlebnis auf der Straße und nicht die Sorge um andere. Sie verlieren regelrecht die Bodenhaftung.

Von Kriminalexperten heißt es, dass der Großteil der Teilnehmer an illegalen Autorennen zwischen 18 und 30 Jahre alt sei. Bei dem tödlichen Unfall auf der A 44 saß ein 52-Jähriger am Steuer und einem Medienbericht zufolge sein 20 Jahre alter Sohn auf dem Beifahrersitz. Das andere an dem mutmaßlichen Rennen beteiligte Fahrzeug soll von einem 39-Jährigen gelenkt worden sein. Wie passt das in die Statistik?

Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber auch bei manchen Älteren werden Instinkte geweckt, wenn sie einen anderen hochmotorisierten Wagen neben sich fahren sehen und womöglich von diesem überholt werden. Dann kommen Gedanken in den Kopf wie: „Dem will ich es aber mal zeigen.“ Oder: „Nicht mit mir.“ Dass Vater und Sohn gemeinsam in einem Sportwagen sitzen und diesen ausfahren wollen, ist übrigens grundsätzlich keinesfalls eine absolute Ausnahme. Leider ist es falsch verstandener Stolz, wenn man dem Nachwuchs zeigen will, was für ein tolles Auto man besitzt und wie gut man damit umgehen kann.

Karl-Friedrich Voss, Verkehrspsychologe

„Für sie zählt dann nur das unmittelbare Erlebnis auf der Straße und nicht die Sorge um andere. Sie verlieren regelrecht die Bodenhaftung.“

Karl-Friedrich Voss
Verkehrspsychologe

Mehr in unserem Schwerpunkt „Illegale Rennen“:

Sind Autofahrer, die sich illegale Rennen liefern beziehungsweise 200 km/h statt erlaubten 100 fahren, notorische Raser?

Keinesfalls. Sie rasen nicht immer. Ihre Tempofahrten ergeben sich aus der Situation heraus – wenn es die Straße mal hergibt.

Mit welchen Maßnahmen könnte zumindest die Zahl illegaler Autorennen reduziert werden?

Ich halte PS-Begrenzungen bei Pkw für einen gangbaren Weg. Warum setzt man nicht flächendeckend eine Grenze bei 250 PS? Schließlich gibt es in Deutschland auch angesichts des immens hohen Verkehrsaufkommens nicht die passenden Straßen für Fahrzeuge mit Extrem-Leistungen.

Was halten Sie von einem Extra-Führerschein für Fahrer hochmotorisierter Wagen?

Es würde keinem wehtun, wenn es eine neue Fahrerlaubnisklasse gebe – zum Beispiel für jene, die Autos fahren, die es auf mehr als 250 km/h bringen. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Lenken solcher Fahrzeuge und der Umgang mit entsprechend hohem Tempo nicht Teil der üblichen Fahrausbildung ist.

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